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Bechtle seit 25 Jahren an der Börse: Neckarsulmer Firma erlebte „völlig verrückte“ Zeit

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Vor 25 Jahren, am 31. März 2000, wurde die Aktie des Neckarsulmer IT-Dienstleisters Bechtle erstmals gehandelt. Es war die wilde Zeit des Neuen Markts – und das bodenständige Unternehmen eckte da immer wieder an.


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Börsengänge gab es in jenen Tagen zuhauf. Sobald ein Unternehmen irgendetwas mit Technologie zu tun hatte, wurde von ihm erwartet, dass es an den Neuen Markt geht. Dort, wo die Regeln anders waren, wo statt über Gewinne über Cash Burn Rates geredet wurde, wo Dividenden verpönt und überteuerte Zukäufe erwünscht waren.

Ein Haifischbecken, in das Unternehmen sprangen, die nicht mehr als eine Idee hatten, aber noch kein richtiges Geschäft. Und die dennoch Investoren anlockten, vor allem Privatleute, die dann eine Aktienzuteilung wie einen Lottogewinn feierten.

Bechtle aus Neckarsulm an der Börse – „Kurs ging zunächst einmal nach oben“

„Es war egal, wer da aufs Parkett ging, der Kurs ging zunächst einmal nach oben“, erzählt Uli Drautz, damals wie heute zuständig für das Controlling bei Bechtle. Gemeinsam mit Stefan Sagowski, Leiter des Finanzwesens, arbeitete er damals Tag und Nacht an den erforderlichen Unterlagen für den Börsengang. „Es ging sprichwörtlich um Minuten“, erinnert sich Sagowski. „Als dann der Anruf der Börsenaufsicht kam, dass wir zugelassen sind – wir waren gerade auf Road Show –, war das eine riesige Freude für uns.“

Bechtle geht 2000 an die Börse: So viel waren die Aktien damals wert

Sagowski war auch am Tag X vor Ort, am 31. März, in der Frankfurter Börse. Zu fünft fuhr die Delegation hin, darunter natürlich die Gründer Gerhard Schick und Ralf Klenk. Die Aktien waren für 27 Euro ausgegeben worden – der erste Kurs betrug 30 Euro.


„Es war schon ein komisches Gefühl, plötzlich von Fernsehteams interviewt zu werden“, erinnert sich Klenk. „Gerhard Schick versuchte sichtlich, das irgendwie hinter sich zu bringen.“ Eine große Feier hatten die Gründer ohnehin nicht im Sinn. Mittags ging es zurück in die Zentrale, und schon bald hatte sich Schick wieder über die kaufmännischen Daten gebeugt.

Bechtle an der Börse: „Wir waren nie auf der spekulativen Seite“

„Wir waren eben ganz anders“, erzählt Klenk. „Wir waren nie auf der spekulativen Seite. Eigentlich haben wir den Neuen Markt nie richtig verstanden.“ Und der Neue Markt auch Bechtle nicht. Als auf der ersten Hauptversammlung die Ausschüttung einer Dividende auf der Tagesordnung stand, erntete der frisch ins Amt gekommene Vorstandsvorsitzende wüste Proteste. „Wir wurden aufgefordert, das gesamte Geld wieder zu investieren. Eine Dividende auszuschütten sei kein Beweis, dass wir Visionen haben.“ 

Andererseits war Schick und Klenk in den Vorjahren klar geworden, dass am Börsengang kein Weg vorbeiführt, und dass er über den Neuen Markt ablaufen muss. Zwar wurde schon 1988 die Vision entworfen, eines Tages Aktiengesellschaft zu werden. „Aber das war erst einmal nur ein Traum“, räumt Klenk ein. Angestrebt war er für das Jahr 2000, und Bechtle sollte da 100 Millionen Mark Umsatz machen. Stattdessen hatte das junge Unternehmen bereits 700 Millionen Mark Umsatz - und 1680 Mitarbeiter.

Ralf Klenk und Gerhard Schick (v. r.) im Augenblick der ersten Kursnotierung der Bechtle-Aktie.
Ralf Klenk und Gerhard Schick (v. r.) im Augenblick der ersten Kursnotierung der Bechtle-Aktie.  Foto: Alternativer Fotograf

„Völlig verrückte zweite Dekade“ – so erging es IT-Dienstleister Bechtle nach dem Börsengang

„Unsere Firma erlebte eine völlig verrückte zweite Dekade“, erinnert sich der ehemalige Vorstandschef. So fiel dann auf der Klausurtagung am 19. Mai 1999 die Entscheidung, dass der Börsengang tatsächlich kommen soll. Und als Stefan Sagowski am 1. November 1999 bei Bechtle anfing, liefen die Arbeiten daran bereits auf Hochtouren.

Für den neuen Finanzchef war dies aber nicht einmal etwas Neues: Auch sein vorheriger Arbeitgeber, MB Software, war schon an die Börse gegangen – an Sagowskis erstem Arbeitstag. „Ich kam ins Büro und befand mich unter lauter Millionären“, erinnert er sich: Dank eines Mitarbeiterprogramms konnten Beschäftigte deutlich günstiger Aktien erwerben – die aber auch den regulären Kurs wert waren. „Die hatten sich für die Beschäftigten gleich verzigfacht“, erzählt der Finanzchef. „Nur ich war zu spät dran.“ 

Neckarsulmer IT-Dienstleister Bechtle an der Börse: „Es wurden Phantasiepreise ausgezahlt“

Irre Kurssprünge waren das eine Kennzeichen des Neuen Markts, teure Übernahmen das andere. Auch darum ging Bechtle selbst aufs Parkett – als Abwehr. „Die Unternehmen saßen auf Milliarden. Es wurden Phantasiepreise gezahlt. Wir waren Übernahmekandidat“, erzählt Ralf Klenk. Es habe sogar einige lukrative Kaufangebote gegeben. „Letztlich haben wir die Bechtle aber viel zu sehr geliebt“, sagt er. „Es war für Schick oder mich nie ein Thema.“


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Dass es ausgerechnet noch im März passieren musste, lag zudem am flauen Gefühl für die beiden Gründer. „Man ahnte schon, dass das nicht mehr lange gut gehen konnte.“ Am 11. März schlug dann der Nemax All Share, der Index des Neuen Marktes, um in den Rückgang, eine Richtung, die er bis zur Auflösung des Segments stetig beibehielt.

Bechtle hatte es gerade noch so geschafft, von der Börsenkonjunktur zu profitieren. Zwar sackte auch der Kurs der Neckarsulmer ab bis auf 5,60 Euro. Heute aber ist das Unternehmen solide, was Umsatz, Gewinn und Kursentwicklung angeht. Die Aktie notiert im MDax, die Dividende wurde noch nie gesenkt. „Schon die Aufnahme in den Tecdax war für uns der Ritterschlag“, sagt Klenk. Viele sind im Laufe des Neuen Markts gegangen. Bechtle ist mit einigen wenigen weiteren geblieben.

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