Transfer-Coup: Nationalspielerin Antje Döll wechselt zur Sport-Union Neckarsulm
Die Spielführerin der deutschen Nationalmannschaft spielt im WM-Jahr für die Sport-Union Neckarsulm, die damit ihre offene Stelle auf Linksaußen besetzt und zudem viel Erfahrung hinzubekommt.
Wer wen zum Abendessen einladen müsse, das gelte es jetzt noch zu klären, scherzte Thomas Zeitz am Montagnachmittag. Ob die Rechnung nun auf den Trainer des Handball-Bundesligisten Sport-Union Neckarsulm geht oder doch Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch übernimmt, werde aber bei Gelegenheit erörtert.
Fest steht: Zeitz und Gaugisch haben sich gegenseitig einen Gefallen getan und dafür gesorgt, dass den Handballerinnen der Sport-Union der größte personelle Coup ihrer Vereinsgeschichte geglückt ist. Denn am Montag unterschrieb Antje Döll, Spielführerin der Nationalmannschaft, auf der Geschäftsstelle des Vereins einen Ein-Jahres-Vertrag (mit der beidseitigen Option auf eine weitere Saison) beim Hauptrunden-Neunten der abgelaufenen Spielzeit und füllt künftig die vakante Position auf der linken Außenbahn. „Wir sind unseren Sponsoren unglaublich dankbar, dass wir das machen konnten“, betont der Vereinsvorsitzende Rolf Härdtner.

Nationalspielerin Antje Döll wird Neckarsulmerin: Bundestrainer Markus Gaugisch fungiert als Vermittler
Nach neun Jahren bei der HSG Bensheim/Auerbach und zuletzt zehn Spielzeiten in Bietigheim und Ludwigsburg beginnt für Döll ein komplett neues Kapitel. „Ich habe seit dem ersten Gespräch ein sehr, sehr gutes Gefühl. Ich glaube, dass Thomas (Zeitz, Anm. d. Red.) mich sehr unterstützen wird und ich hoffe natürlich, dass ich dem Verein auch wahnsinnig helfen kann“, sagt die 36-Jährige.
Viele schlaflose Nächte und genügend Telefonate habe sie seit jenem Montag gehabt, an dem die HB Ludwigsburg ihre Spielerinnen von deren vertraglichen Verpflichtungen entbunden hatte. Aus der anfänglichen Wut und Trauer sei jedoch schnell Vorfreude geworden, als sich das Engagement in Neckarsulm abzeichnete. „Sehr, sehr schnell“ sei man sich einig geworden, betonen Döll und Zeitz unisono – auch, weil Bundestrainer Markus Gaugisch als Vermittler fungierte.
Handball-Nationalspielerin Antje Döll möchte mit Leistung Vertrauen zurückzahlen
Denn als der 51-Jährige von Alessia Riners Kreuzbandriss gehört hatte und sich das Zerfallen der HB Ludwigsburg abzeichnete, erkannte auch er das Offensichtliche, griff – mit Blick auf „seine“ Nationalspielerin nicht zuletzt aus Eigeninteresse – zwei Mal zum Hörer, um zunächst bei Döll vorzufühlen und anschließend den bereits zur Kontaktaufnahme entschlossenen Zeitz auf das Interesse der Olympia-Teilnehmerin hinzuweisen. So fanden alle Beteiligten schnell zusammen.
Dass sich die Sport-Union Neckarsulm sowie die Menschen und insgesamt 17 Sponsoren im Hintergrund so sehr um ihre Verpflichtung bemüht haben, weiß Antje Döll zu schätzen: „Ich bin eine schlechte Verliererin und möchte immer in den Spiegel schauen können und mir selber nichts vorwerfen müssen. Aber ich möchte auch etwas zurückgeben, damit es hinterher heißt: Das war eine tolle Verpflichtung, das klappt hervorragend – denn das gibt mir natürlich auch wieder ein gutes Gefühl.“
„Ohne das außerordentliche Engagement unserer Sponsoren und Partner wäre dieser Transfer nicht möglich gewesen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie alle an einem Strang ziehen, wenn es um den Erfolg und die Zukunft unseres Vereins geht. Dieser Schritt zeigt das Vertrauen in den Verein und auch in unsere Mannschaft, obwohl Sportsponsoring in der aktuellen wirtschaftlichen Lage keine Selbstverständlichkeit ist“, zeigt sich Sport-Union-Geschäftsführer Hannes Diller sehr dankbar.
Sport-Union Neckarsulm als gute Station vor der Heim-WM
Den entscheidenden Ausschlag für Neckarsulm und gegen etwa Ex-Club Bensheim oder Borussia Dortmund gab jedoch die Nähe zur Wahlheimat der sechsmaligen Deutschen Meisterin. „Ein kurzfristiger Wechsel zu einem anderen Bundesligisten wäre mit meinem beruflichen Background auch gar nicht möglich gewesen“, erklärt die Kriminaloberkommissarin, die beim Polizeipräsidium Ludwigsburg weiterhin einige Stunden im Monat arbeitet, hauptsächlich aber als Teil des Spitzensport-Förderprogramms des Landes freigestellt ist.
„Es ging für mich darum, kurzfristig eine gute Lösung zu finden, weil ich wieder trainieren möchte und wir das Ziel Heim-WM ja auch möglichst erfolgreich gestalten möchten“, sagt Döll. Mit Blick auf die WM seien für sie weniger Reisen, Englische Wochen sowie Regenerationseinheiten und stattdessen mehr Übungseinheiten in der Halle sogar eher förderlich. „Ich freue mich wirklich darauf, die Zeit zu haben, um gewisse Automatismen zu entwickeln oder auch mal einen neuen Wurf zu üben.“

Antje Döll verstärkt Neckarsulm: „Natürlicher Push“ durch Erfahrung und Persönlichkeit
Die Neckarsulmer Mannschaft erhält mit Antje Döll nicht nur ein neues Aushängeschild, sondern auch reichlich wertvolle Erfahrung. Dass Dölls Heimatstadt Haldensleben zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch zum Staatsgebiet der DDR gehörte und Annefleur Bruggeman als nun zweitälteste Spielerin beinahe neun Jahre jünger ist, zeigt, dass das Team nicht nur eine Linksaußen bekommt, sondern auch eine gestandene Persönlichkeit.
„Das wird der gesamten Mannschaft noch einmal einen natürlichen Push geben“, ist sich Trainer Thomas Zeitz sicher. „Ich kann aber nur an das Umfeld appellieren: Wir bekommen eine fantastische Spielerin und Persönlichkeit, aber auch ihr muss man ein bisschen Zeit geben, um reinzukommen.“