Eine vielversprechende Mischung: Der Bundesliga-Kader der Sport-Union Neckarsulm in der Analyse
Taktisch flexibel und personell variabel gehen die Handballerinnen der Sport-Union Neckarsulm in ihre zehnte Bundesliga-Spielzeit. Trainer Thomas Zeitz sieht sich selbst als Manager.

Neues Spiel, neues Glück heißt es ab diesem Freitag (19.30 Uhr) für die Sport-Union Neckarsulm in der Handball-Bundesliga der Frauen. „Wir sind breit und qualitativ besser aufgestellt als im Vorjahr“, sagt Trainer Thomas Zeitz über seinen Kader, der einiges verspricht und viel möglich erscheinen lässt.
Doch ganz so klein wie zunächst erhofft, war der personelle Umbruch letztlich nicht. Die ebenso spät entschiedenen wie unerwarteten Abgänge von Sinah Hagen und Stefanie Kaiser, die beide ihre Karrieren beendeten, machten ungeplante Aktivitäten auf dem Transfermarkt nötig. Hinzu kam während der Vorbereitung der Kreuzbandriss von Alessia Riner, der bis dahin einzigen Linksaußen-Spielerin im Kader, der mit vereinten finanziellen Kräften zur Nachverpflichtung von Antje Döll führte.
Zeitz’ Kader-Trümpfe: Taktisch flexibel, personell variabel
Auf dem Papier sind linke Außenbahn und rechter Rückraum jedoch weiterhin nicht (mit spielfähigen Akteurinnen) doppelt besetzt. Während dieser Sachverhalt im breit besetzten Rückraum weniger ins Gewicht fällt, ist klar, dass Nationalspielerin Döll verletzungsfrei bleiben und entlastet werden muss. „Wir haben dazu verschiedene taktische Möglichkeiten und werden sie auch nutzen“, betont Zeitz, schließlich könne keine Spielerin alle Partien über 60 Minuten absolvieren.
Das Spiel mit zwei Kreisläuferinnen, mit vier Akteurinnen im Rückraum oder das Sieben-gegen-Sechs ohne Torhüterin werden daher fester Bestandteil des Neckarsulmer Angriff-Repertoires bleiben. „Unser Plus kann die Variabilität werden“, sagt Zeitz, der einen Platz zwischen Rang fünf und acht anstrebt.
Gespanne mit Qualität und Potenzial im Tor und am Kreis
Individuell hat sein Neckarsulmer Kader gehobenes Niveau. Zwischen den Pfosten gehört Österreichs Nationaltorhüterin Lena Ivancok (statistisch) zu den besten Torhüterinnen der gesamten Liga; Johanna Fossum ist eine verlässliche Alternative, wie sie spätestens in der Endphase der Vorsaison bewiesen hat.
Am Kreis ist Kim Hinkelmann nach ihrer langwierigen Patellasehnen-Verletzung voller Tatendrang zurück und hat mit Merle Albers eine neue Partnerin, in der Thomas Zeitz viel Entwicklungspotenzial sieht.
Länderspiel-Erfahrung und Entwicklungspotenzial auf den Außenbahnen
Die neue Neckarsulmer Flügelzange mit Antje Döll links und Meret Ossenkopp rechts kommt zusammen auf 112 A-Länderspiele für Deutschland. Döll (36) bringt als aktuelle Spielführerin der Nationalmannschaft und angesichts ihres fortgeschrittenen Handballer-Alters zudem wichtige Erfahrung für das junge Team mit – davon werden ihre Teamkolleginnen und ihr Trainer gleichermaßen profitieren, wie Zeitz selbst sagt.
In der Vorbereitung hinterließ Iva van der Linden als zweite Rechtsaußen einen starken Eindruck; der Niederländerin ist im zweiten Jahr in Neckarsulm der nächste Schritt zuzutrauen – so wie es 2023/2024 ihrer Vorgängerin Amber Verbraeken gelang. Ganz kleine Schritte wird hingegen Alessia Riner machen müssen. Nach ihrer Operation am rechten Knie steht die Schweizerin vor anstrengenden Reha-Wochen, die sich mit Sicherheit bis ins Frühjahr 2026 ziehen werden.
Gudmestad und Uscinowicz versprechen viel Power aus dem Rückraum
Im Rückraum bieten sich Thomas Zeitz beinahe alle Möglichkeiten – auch wenn Lilli Holste die einzige Linkshänderin der acht Rückraum-Spielerinnen ist, was sie ungemein wertvoll für Spiel und Mannschaft der Sport-Union macht.
Angunn Gudmestad bringt eine Menge Physis sowie die Fähigkeit zu kompromisslosen Abschlüssen mit und kann zudem als Linksaußen Antje Döll entlasten. Nach ihrer Leistungsexplosion im vergangenen Winter ist die Norwegerin in der Liga kein Geheimtipp mehr. Kann sie ihre Leistung konstant abrufen, werden die Neckarsulmer Fans an der 24-Jährigen erneut eine Menge Spaß haben.
Ähnlich wurfgewaltig wie Gudmestad ist auch Neuzugang Paulia Uscinowicz. Die polnische Nationalspielerin war in der abgelaufenen Zweitliga-Saison als Torschützenkönigin (8,4 Tore/Partie) und Spielerin des Jahres über jeden Zweifel erhaben. Kann die 25-Jährige ihre Schulterprobleme hinter sich lassen, ist sie mit ihrem Wurf auch aus der Distanz eine echte Waffe. Weiteres Plus: Uscinowicz gilt neben Döll als zuverlässige Siebenmeter-Schützin.
Spielmacherin Kordovská und Torjägerin Smits als zentrale Säulen
Lynn Holtman muss in ihrem zweiten Jahr in Deutschland ihre Rolle im Team finden. Die junge Niederländerin wirkt jedoch deutlich athletischer als zu Beginn der vergangenen Saison. Wie viel Spielzeit ihr Thomas Zeitz zugestehen wird, liegt an ihrer Entscheidungsfindung im Ballbesitz und sicher auch am jeweiligen Spielverlauf.
Munia Smits war in der Vorsaison mit 6,2 Toren pro Spiel drittbeste Werferin der gesamten Liga und wird das Team als Spielführerin weiterhin anführen; auf ihre Torgefahr kann die Sport-Union kaum verzichten. Als Spielmacherin hat sich in den vergangenen Wochen der bundesligaerfahrene Neuzugang Kamila Kordovská hervorgetan. Unter anderem 100 Länderspiele für Tschechien haben der 27-Jährigen die nötige Ruhe gelehrt, von der die Neckarsulmer Mannschaft profitieren wird.
Flexibilität und Zielstrebigkeit komplettieren Rückraum-Facetten
Annefleur Bruggeman, die überall im Rückraum und auch am Kreis spielen kann, zeichnet ihre enorme Flexibilität aus – sollten Thomas Zeitz einmal beide Torhüterinnen ausfallen, wäre die Niederländerin wahrscheinlich auch dort die erste Alternative. Mit Alicia Soffel hat die Sport-Union aus Bensheim schließlich noch einen neuen Spielertyp hinzubekommen. Ihre Zielstrebigkeit und ihr Zug zum Tor bringen ein neues Element ins Neckarsulmer Spiel. Davon dürften im Zweifel auch ihre Mitspielerinnen durch mehr Freiräume profitieren.
„Den Kader zu händeln, wird unsere Aufgabe als Trainer.“ Je besser oder schlechter das gelänge, desto „weiter nach vorne oder hinten wird es uns bringen“, sagt Thomas Zeitz.