Mehr Aufmerksamkeit, mehr Personal: Gesundheitsämter werden gestärkt
Vor Corona wusste kaum einer, was Gesundheitsämter machen. Und sie wurden systematisch herunter gespart. Seit Corona sind ihre Dienste so gefragt wie nie. Und sie werden personell verstärkt. Neues Personal zu finden, ist aber gar nicht so einfach.

Die Ärzte in Gesundheitsämtern werden immer noch schlechter bezahlt als in Krankenhäusern. Und gerade ländliche Regionen wie dem Hohenlohekreis haben bei der Anwerbung gegenüber Städten öfter nach Nachsehen. Andererseits: „Wer sich für uns entscheidet, tut das sehr bewusst. Deshalb haben wir auch eine geringere Fluktuation“, sagt Dr. Annemarie Flicker-Klein, die das Gesundheitsamt seit Mai 2021 leitet, nachdem Dr. Antje Haack-Erdmann in Ruhestand gegangen war.
„Der Mangel zeigt sich aber nach wie vor am deutlichsten bei den Ärzten.“ Das sei auch in städtischen Verdichtungsräumen nicht anders. Die Politik müsste also nicht nur die schiere Zahl ärztlicher Stellen mehren, sondern auch das Gehalt. „Es ist der Wunsch aller Amtsleiter im Land, dass die Bezahlung der Ärzte angeglichen wird.“
Alternative Lösungen sind gefragt, um neue Stellen besetzen zu können
Eine andere Möglichkeit wäre, die ausgeschriebenen Stellen im höheren Dienst nicht mit Medizinern, sondern anderen qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Etwa mit einer Biologin, wie 2020 in einem Fachdienst des Hohenloher Gesundheitsamts geschehen. Im Ringen um Ärzte auf dem deutschen Gesundheitsmarkt könnte der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) auch davon profitieren, dass immer mehr fertige Medizinstudenten weiblich sind sowie in Teilzeit arbeiten oder angestellt sein wollen. Flicker-Klein fordert zudem, den ÖGD künftig besser im Medizinstudium zu verankern. Etwa dadurch, den Gesundheitsämtern die Möglichkeit zu geben, dass sie ein praktisches Jahr für Studenten anbieten können.
Acht neue Köpfe für das Hohenloher Gesundheitsamt
So oder so: Vor Corona hatte das Gesundheitsamt des Hohenlohekreises 20 Köpfe, zwei kamen 2020 dazu, 2021 werden weitere sechs hinzugekommen sein. Von 20 auf 28: Das ist für den Anfang gar nicht schlecht, findet Flicker-Klein. „Das sind Kräfte, die wir dringend brauchen – aber auch vor Corona schon dringend benötigt hätten“. Nur weil ihr Team so leidenschaftlich arbeite und aufopferungsvoll zusammenhalte, habe das enorme Pensum bewältigt werden können. „Alle waren sehr engagiert und motiviert. Uns kommt zugute, dass wir ein sehr gemischtes Team haben.“
Aufgaben wurden geschoben, neue kommen hinzu
Diesen Elan beizubehalten und die neuen Mitarbeiter bestmöglich einzuarbeiten: Darauf komme es jetzt an. Denn die ureigenen Aufgaben des Gesundheitsamts sind mit Corona ja nicht verschwunden. Sie wurden nur kleiner gehalten oder geschoben. Und, noch wichtiger: „Es werden auch viele neue Aufgaben auf uns zukommen. Gerade wegen Corona.“ Das gehe durch alle Gesellschaftsschichten, „aber vor allem Kinder und Jugendliche haben während der Pandemie enorm gelitten. Diese Schere müssen wir jetzt mit anderen Beteiligten schließen“. Auch Erwachsene und Senioren bräuchten infolge von Corona Unterstützung, genauso wie Suchtkranke, deren Zahl laut Flicker-Klein zunehmen werde. „Die Folgen für die physische und psychische Gesundheit sind vielfältig und zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht in Gänze absehbar.“
Das sind die klassischen Tätigkeitsfelder

Hinzu kämen die klassischen Tätigkeitsfelder des öffentlichen Gesundheitsdienstes, als da wären: Gutachten erstellen und Stellungnahmen abgeben; Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung ganz allgemein und ganz besonders in den Blicken nehmen; den Kontakt suchen mit Kitas, Schulen und Familien; Sozial Schwache und Obdachlose, Suchtkranke und Migranten mit ihren Gesundheitsproblemen annehmen und ernst nehmen. Und natürlich: Den Infektionsschutz und die Hygiene hochhalten. „Corona ist ja nicht der einzige Erreger, es gibt ein ganzes Spektrum von meldepflichtigen Erkrankungen“, sagt Flicker-Klein. Von Noro-Viren bis zur Krätze.
Corona: Die Pandemie geht, das Virus bleibt
Die Corona-Einheit des Gesundheitsamts ist in diesem Fachdienst aufgegangen. Je nachdem, wie akut das Virus ist, werde die Zahl der Mitarbeiter entweder aufgestockt oder verringert. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Pandemie bei uns im Frühjahr 2022 im großen Ausmaß überwunden haben. Das Virus selbst wird uns aber erhalten bleiben und dann eines unter vielen werden, gegen das wir die Bevölkerung schützen.“ Die Mittel dazu seien immer gleich: das Umfeld analysieren und wenn nötig isolieren, Kontakte herausfiltern und minimieren.
Die vier größten Herausforderungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst
Was sind die vier größten Gefahrenquellen und Herausforderungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst nach Corona? „Neben dem Infektionsschutz ganz wichtig sind weiterhin Gesundheitsförderung und Prävention. Dazu die Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung. Und ich halte auch die wissenschaftliche Anbindung der Ämter für elementar“, sagt Flicker-Klein.
Alte Kommunikationstechnik hat endlich ausgedient
Was ist mit der Kommunikationstechnik, die vor Corona in vielerlei Hinsicht veraltet war. „Da hat sich bei uns sehr viel getan. Vorher war einfach zu wenig Geld da, um neue Software und Geräte anzuschaffen.“ Dieses Kaputtsparen habe dazu geführt, dass fleißig gefaxt wurde, weil es auf anderem Wege keine Schnittstellen gab und die Daten zum Zwecke des Schutzes auf digitalem Wege nicht verschlüsselt werden konnten. Das sei jetzt alles anders. Demis und Sormas: So heißt die neue Software, die die Übermittlung von Daten viel leichter macht. Durch Corona habe es plötzlich einen Ruck gegeben. Bleibt nur zu hoffen, dass in Folge der der Pandemie solch rückständige Kommunikationsformen wie einst für alle Zeiten vorbei sind.