Immer mehr kleine Krankenhäuser schließen
Der Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft ist unabdingbar, erklärt das Sozialministerium. Das bedeutet: Konzentrationen und Schwerpunktbildung auf der einen Seite, Schließungen unrentabler Kliniken auf der anderen: wie geschehen in Brackenheim, Möckmühl und Künzelsau. Was sind die Gründe?

In Baden-Württemberg waren in den vergangenen zehn Jahren 19 Kliniken nicht mehr zu halten: darunter die Standorte Künzelsau, Möckmühl und Brackenheim. Welchen Kurs fährt des Sozialministerium? Und was fordert die Krankenhausgesellschaft?
Der Aufschrei in Künzelsau war groß, als klar war: Das Hohenloher Krankenhaus kann nur mit einem Standort überleben: dem in Öhringen. Auch die Bürger in Brackenheim und Möckmühl gingen auf die Barrikaden, als fest stand: Beide Standorte im SLK-Verbund Heilbronn haben keine Zukunft und können nur noch als ambulante Gesundheitszentren weiterbetrieben werden.
„Das Land schließt keine Krankenhäuser“
Möckmühl und Brackenheim machten 2018 dicht, Künzelsau Ende 2019. Bereits 2016 war für die Reha-Klinik Ob der Tauber in Bad Mergentheim Schluss. Damit sind in Heilbronn-Franken seit 2011 vier Krankenhäuser geschlossen worden. Insgesamt 19 Klinik-Standorte waren es in den vergangenen zehn Jahren im gesamten Land: von Schönau im Schwarzwald (2011) bis Riedlingen im Landkreis Biberach (2020).
„Krankenhäuser werden eigenwirtschaftlich und eigenverantwortlich von den jeweiligen Klinikträgern geführt“, erklärt Florian Mader, Sprecher des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Dort müssten die maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden. „Das Land selbst schließt also keine Krankenhäuser“, betont er. Es sei aber verantwortlich für die Investitionsförderung der Krankenhäuser. „In den vergangenen Jahren standen so viele Fördermittel zur Verfügung wie niemals zuvor.“ Das Problem sei: „Ein kleines Haus, das nur zu 55 Prozent ausgelastet ist, hat trotzdem das Personal für eine volle Belegung.

Diese Ärzte und Pflegekräfte fehlen schlicht anderswo, und die kleinen Häuser schreiben Verluste. Konzentration heißt nicht, dass ein Krankenhaus schließt und am jeweiligen Standort nichts bleibt. Man kann zum Beispiel ambulante Operationen anbieten, Ärztehäuser oder eben Primärversorgungszentren: Also Gesundheitszentren, in denen Menschen Beratung und Hilfe finden. Von dort sollen sie von Lotsen dahin vermittelt werden, wo man ihnen am besten helfen kann.“ Genau das sind die lokalen Lösungen für Künzelsau, Möckmühl und Brackenheim.
Ministerium: Strukturwandel unabdingbar
Grundsätzlich sei im Krankenhauswesen ein Strukturwandel erforderlich: wegen der immer komplexeren medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, der Einhaltung von Qualitätsvorgaben, der immer schwieriger werdenden Personalgewinnung und nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. „Deshalb wird es zu Konzentrationen und Schwerpunktbildungen im Krankenhauswesen kommen, die grundsätzlich zu begrüßen sind, denn durch die Konzentration von medizinischem Knowhow an einem Standort wird die Versorgungsqualität der Menschen erheblich verbessert“, skizziert Mader die Position des Sozialministeriums.
So finanzieren Bund und Land die Krankenhäuser
Das Land sei „bestrebt, Krankenhäuser in die Lage zu versetzen, eigenständig zu arbeiten und vor allem auch langfristig überlebensfähig zu sein“. Unnötige Doppelstrukturen müssten abgebaut werden, die Digitalisierung werde vorangetrieben. „Die Bundesregierung hat mit dem Krankenhauszukunftsgesetz drei Milliarden Euro für die Digitalisierung zur Verfügung gestellt. Auf Baden-Württemberg entfallen hiervon rund 384 Millionen Euro.“ Mit der Kofinanzierung des Landes stünden den Krankenhäusern damit rund 551 Millionen Euro zur Verfügung.
„Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz wurde aber auch die Laufzeit des Krankenhausstrukturfonds II bis 2024 verlängert. Dessen Gesamtvolumen beträgt rund 485 Millionen Euro.“ Über die regulären Jahreskrankenhausbauprogramme und die weiteren Förderprogramme könnten so weitere Investitionen gefördert werden. Das Volumen im Doppelhaushalt 2020/2021 sei rund 902 Millionen Euro schwer.
Das ist die Position der Krankenhausgesellschaft

Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) vertritt die Interessen der Kliniken im Land und kämpft dafür, die Strukturen nicht weiter zu schwächen. „Im Land werden jedes Jahr zwei bis drei Krankenhäuser geschlossen. Der Blick auf die Bettenzahl zeigt, dass Baden-Württemberg mit 500 Betten je 100.000 Einwohner mit Abstand die geringste Bettenzahl im Bundesvergleich hat. Im Bundesdurchschnitt sind es 595 Betten“, berichtet Sprecherin Annette Baumer. „Nach dem Krankenhaus-Rating-Report 2021 des RWI betragen die Krankenhauskosten je Einwohner 1039 Euro in Baden-Württemberg und im Bundesdurchschnitt 1.185 Euro. Die Krankenhausversorgung in Baden-Württemberg ist also für die Krankenkassen schon jetzt sehr preisgünstig.“
„Zentralisierung kann nicht immer die einzige Antwort sein“
Der Strukturwandel werde sich fortsetzen. Wichtig sei, die medizinische Versorgung der Menschen vor Ort im Blick zu behalten und die regionalen Strukturen zu berücksichtigen. „Es gilt, die passende Mischung aus Zentralisierung und flächendeckender Versorgung zu finden.“ Für eine Zentralisierung gebe es gute Gründe, wie Medizintechnik und Wirtschaftlichkeit. „Die Zentralisierung kann in einem Flächenland wie Baden-Württemberg aber nicht immer die einzige Antwort sein, zumal die Möglichkeiten der Telematik immer besser werden und hochqualifizierte medizinische Expertise in den kleinsten Ort im Land bringen können.
Allerdings ist oft der politische Wille, dass sich Krankenhäuser zusammenschließen und so größere Einheiten bilden“, sagt Baumer. „Um das zu erreichen werden die Krankenhäuser schon seit vielen Jahren unter finanziellen Druck gesetzt und die Vorgaben zu Personalausstattung, Mindestmengen und Strukturqualität werden kontinuierlich erhöht.“
So viele Kliniken schreiben Verluste
35,5 Prozent der baden-württembergischen Krankenhäuser schrieben im Jahr 2020 rote Zahlen, für 2021 rechneten sogar 62,7 Prozent mit Verlusten. Hauptgrund seien die überdurchschnittlichen Kosten für das Personal im Hochlohnland Baden-Württemberg. Eine Kernforderung der BWKG sei deshalb, diesen Faktor in der Finanzierung der Krankenhausleistungen zu berücksichtigen. Es dürfe keinen „kalten Strukturwandel“ geben, bei dem als erstes die Krankenhäuser geschlossen werden, die dem finanziellen Druck nicht standhalten könnten. Über die zukünftige Krankenhausstruktur müsse in einem genau definierten und demokratisch legitimierten Prozess entschieden werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordere eine Bund-Länder-Konferenz zur Zukunft der Krankenhausversorgung. „Das ist auch aus unserer Sicht der richtige Weg“, so Baumer.