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Günter Steffen: "Da ist keine Not, die erfinderisch macht"

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Der ehemalige IHK-Präsident Günter Steffen spricht im Interview über den Gründergeist und seinen Alltag mit 75. Für die Region wünscht er sich jemand, der den Hut aufsetzt und sich kümmert. Denn das fehle derzeit.

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 Foto: Veigel, Andreas

Schon 1975 sah er das Potenzial der elektronischen Datenverarbeitung. Im Jahr 2001, als die WirtschaftsStimme aus der Taufe gehoben wurde, war Günter Steffen umtriebiger Präsident der IHK Heilbronn-Franken. Heute kümmert er sich mit dem Zukunftsfonds Heilbronn um die Ansiedlung vielversprechender Firmen. Im Interview findet der 75-jährige Unruheständler klare Worte, was trotz der guten Entwicklung in der Region weiter fehlt.

 

Herr Steffen, Sie waren vor 20 Jahren Präsident der IHK Heilbronn-Franken. Eine Einheit war die Region damals nicht. Sehen Sie Fortschritte?

Günter Steffen: In Bezug auf die Einheit nicht. Man hat das vielleicht vergessen, aber die formale Einheit war damals nicht so leicht durchzusetzen. Da gab es in Hohenlohe und andernorts große Vorbehalte. Deshalb heißt die Region auch nicht Region Heilbronn, sondern Heilbronn-Franken. Damals haben wir auch die Wirtschaftsförderung für die gesamte Region, die WHF, geschaffen. Sie ist ein wichtiges Gremium, in dem ich mich mit anderen abstimmen kann über die Frage, was in der Region zu passieren hat.

 

Haben Sie ein Beispiel?

Steffen: Das hat uns sehr geholfen, als wir die Vorfinanzierung der A 6-Planung auf den Weg gebracht haben. Hier lernte man die Nöte und Wünsche der Landräte kennen. Das ist heute so wichtig wie damals. Dass die IHK aus der WHF ausgestiegen ist, halte ich deshalb für einen gravierenden politischen Fehler.

 


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Wer hat denn heute den Hut auf in der Region?

Steffen: Ich sehe niemanden. Auch keinen, der nach diesem Hut greift. Es sagt keiner, ich kümmere mich. Auch vor 20, 25 Jahren hat man Heilbronn übrigens nicht automatisch die Führungsrolle zugestanden. Man musste mit einer gewissen Demut rangehen, was den Heilbronnern zugegebenermaßen schwer fällt. Trotzdem ist es gelungen. Es gab damals sogar noch ein weiteres wichtiges Gremium, den Waldenburger Kreis. Da waren Herr Würth, Herr Schwarz, die Audi-Werkleitung, Vertreter der Bausparkasse Schwäbisch Hall und andere führende Wirtschaftsvertreter dabei. Die sind gekommen, weil damals eine IHK gesagt hat: Wir brauchen euch und euren Rückhalt. Gerade, wenn man in Berlin etwas bewirken wollte.

 

Wo ist der Waldenburger Kreis heute?

Steffen: Ich fürchte, er ist eingeschlafen. Vielleicht bräuchte es so etwas wieder.

 

Sie sind vor wenigen Wochen 75 Jahre alt geworden und nach wie vor äußerst aktiv. Man hört aber wenig von Ihnen...

Steffen: Ja, weil mir das nicht mehr wichtig ist. Ich hatte ja durchaus mal eine Phase, als ich es ganz gut fand, in der ersten Reihe zu sitzen. Das ist mir inzwischen völlig egal. Ich setze mich aber noch gerne für den Zukunftsfonds oder meine Stiftung ein.

 

Wie sieht denn Ihr Alltag heute aus?

Steffen: Ich arbeite noch drei, dreieinhalb Tage die Woche. Ich mache möglichst viermal die Woche Sport. Bewegung hält die Birne klar. Jede Woche sehe ich mindestens ein Unternehmen für den Zukunftsfonds, ich arbeite mit dem Gründungszentrum Campus Founders zusammen, betreue eine Reihe von Firmen.

 

Der Zukunftsfonds hat dazu beigetragen, dass sich die Zusammensetzung des Gewerbes in Heilbronn verändert. Wie viel ist da noch zu erwarten?

Steffen: Da muss man etwas ausholen. Schon als IHK-Präsident machte ich mir Gedanken darüber, welche Zukunft diese Region hat. Damals haben wir uns zusammengesetzt...

 

..."wir"? Sie und Dieter Schwarz?

Steffen: Es waren einige Leute, die da mitgewirkt haben. Aber ja, Dieter Schwarz war von Beginn an eine treibende Kraft, auch wenn er anfangs wenig sichtbar war. Das änderte sich erst, als die Bauten auf dem Bildungscampus oder auch die Experimenta nicht mehr zu übersehen waren.

 


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Foto: Marco Scisetti/stock.adobe.com
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Wie ging es weiter?

Steffen: Uns wurde klar: Für eine erfolgreiche Zukunft brauchen wir die Menschen, für die Menschen brauchen wir Bildung, und diese gebildeten Menschen brauchen Arbeitsplätze. Das muss man vernetzen. Ein erster Schritt war 2001 die Gründung der AIM, der Akademie für Innovative Bildung und Management. Weiter ging es mit Schulen, mit Einrichtungen, die heute auf dem Bildungscampus zu finden sind. Wir machten uns für die DHBW stark. Heilbronn hatte bei der Gründung der Berufsakademien in Baden-Württemberg nicht zugegriffen, weil man dachte, eine Fachhochschule sei genug. Unter anderem über den Zukunftsfonds sollten passende Arbeitsplätze entstehen. Da spielten aber auch andere eine Rolle. Dass sich etwa Bosch und Getrag angesiedelt haben, das war Glück, das nie von allein kommt. Jetzt bekommen wir sogar den Innovationspark Künstliche Intelligenz.

 

Heilbronn legt mit dem Engagement eines Dieter Schwarz ein großes Tempo vor. Sehen Sie die Gefahr, dass da nicht die ganze Region mithalten kann?

Steffen: Nein, der Sog dieser Stadt, den es nun unbestreitbar gibt, ist durchlässig. Davon profitiert auch das Umland. Und das alles ist sehr positiv zu bewerten. Mancher mag es vergessen haben, aber die Situation vor 20 Jahren war so ersprießlich nicht.

 

In der ersten Reihe will Günter Steffen nicht mehr sitzen. "Das ist mir nicht mehr wichtig", sagt er. Gedanken über die Region macht er sich trotzdem noch. Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Und wie groß ist der Wettbewerb zwischen einem Dieter Schwarz und einem Reinhold Würth?

Steffen: Den gibt es nicht. Null. Es gibt vielmehr eine Aufteilung. Wir haben genau genommen drei Förderer: Dietmar Hopp ist für die Bewegung zuständig, Reinhold Würth für die Kunst, Dieter Schwarz für die Bildung. Da kann die Region sich glücklich schätzen.

 

Vor 46 Jahren haben Sie als junger Mann die TDS gegründet. Der stolze Turm an der A 6 erinnert bis heute an den Erfolg. Tut es weh, dass das Unternehmen inzwischen im Fujitsu-Konzern aufgegangen ist?

Steffen: Es tat vielleicht weh, als ich mich verabschiedet habe - es war ja ein Teil meines Lebens. Aber nein, das ist vorbei.

 


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Wie bewerten Sie den Börsengang 1998 rückblickend?

Steffen: Der Börsengang war ein Fehler. Er hat die Kultur des Unternehmens und des Unternehmers verändert. Wir wurden eine Kapitalgesellschaft, in die plötzlich verdammt viele Leute reinreden. Und einige davon kann man nicht ignorieren, obwohl sie das Geschäft gar nicht kennen. Leider hatte das viele Geld, das plötzlich da war, auch Auswirkungen auf das Verhalten des Managements. Die Ansprüche stiegen. Das war nicht gut.

 

Und wie hat sich Ihr Charakter mit dem Geld verändert?

Steffen: Man kann sich selbst nicht gut beurteilen. Ja, ich bin sicher auch Verlockungen erlegen. Aber ich glaube nicht, dass ich meinen Weg verloren habe.

 

Welche teuren Hobbys leisten Sie sich denn?

Steffen: Ich reise gerne. Ich war in der Arktis und in der Antarktis. Das war teuer, aber toll. Ich leiste mir aber keine Rennautos oder so einen Kruscht.

 

 Foto: Veigel, Andreas

Sie haben nicht nur die TDS, sondern noch 50 weitere Unternehmen gegründet. Wie kommt so etwas?

Steffen: In der Nachbetrachtung muss ich sagen: Irgendwas hat mit mir da nicht gestimmt. Ich hatte einen Unglaublichen Spaß daran, Neues zu begründen. Oft war das Interesse dann schnell wieder erloschen. Aber es ist keines der Unternehmen pleite gegangen, auch wenn mich einige Misserfolge viel Geld gekostet haben. Zum Beispiel die Eisbahnen in Neckarsulm und Wiesloch, die ich mal gebaut habe, waren wirtschaftlich Schwachsinn. Aber ich hatte Energieüberschuss. Gesund war das nicht.

 

Woran mangelt es heute in Deutschland: Am Gründergeist oder an den passenden Rahmenbedingungen?

Steffen: Die Rahmenbedingungen sind so schlecht nicht. Sie sind sogar besser, als sie es mal waren. Wenn man allein sieht, wie viel Geld nach Investment sucht. Die Preise, die für junge Unternehmen gezahlt werden, sind dreimal, fünfmal so hoch wie noch vor zehn oder 20 Jahren. Wir sind aber ein Land von ganz schön satten Leuten. Die Möglichkeiten, einen guten Job zu bekommen, sind da, ohne dass man ins Risiko geht. Da ist keine Not, die erfinderisch macht.

 

Nicht allen geht es so gut. Sie machen sich mit Ihrer Stiftung Fit ins Leben für benachteiligte Schüler stark. Warum?

Steffen: Ich stamme selbst aus einfachen Verhältnissen. Viele Jahre habe ich das Haus der Familie in Heilbronn begleitet und unterstützt. Nachdem die Dieter-Schwarz-Stiftung das übernommen hat, fand ich ein neues Betätigungsfeld in den Heilbronner Grundschulen. Da gibt es Klassen, in denen die große Mehrheit mit unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen hat. Wenn Sie dann sehen, wie die Kinder aufblühen, wenn man ihnen etwas zutraut, das ist grandios. Das läuft in erster Linie über Bewegung, über den Sport.

 

Zur Person

Im September feierte Günter Steffen seinen 75. Geburtstag. Aufgewachsen ist er in Linz am Rhein, nach einer Banklehre kam er als Vertriebsmitarbeiter von IBM vor mehr als 50 Jahren in die Region. 1975 gründete er die TDS, die er 1998 in der Frühphase der New Economy an die Börse brachte. Steffen war von 1998 bis 2005 Präsident der IHK Heilbronn-Franken. Heute ist Günter Steffen in mehreren Aufsichtsratsgremien tätig und arbeitet für den von Dieter Schwarz gegründeten Zukunftsfonds und dessen Seedfonds Born2Grow. Für diese Risikokapitalfonds ist er auf der Suche nach innovativen Start-ups. Auch im Investorenverein Venture Forum Neckar ist er Mitglied. Steffen war drei Mal verheiratet, hat fünf erwachsene Kinder und mehrere Enkelkinder.

 
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