Das Wachstumswunder Schwarz-Gruppe
Die Neckarsulmer Schwarz-Gruppe hat sich zum größten Handelskonzern Europas emporgeschwungen. Und sie investiert weiter, gerade auch in der Region.

Zugegeben, 2001 hatten wir nur die Mitarbeiterzahl von Kaufland bekommen. Als dann einige Jahre später auch noch Lidl und die zentralen Betriebe lieferten, wurde klar: Etwa 6000 Menschen arbeiteten vor 20 Jahren für das Handelsunternehmen, das der verschwiegene Heilbronner Unternehmer Dieter Schwarz mit einer Handvoll Vertrauten zielstrebig aufgebaut hat. Heute sind es drei Mal so viele Mitarbeiter in der Region, die Schwarz-Gruppe ist seit vergangenem Jahr größter Arbeitgeber - und weltweit kommt die Gruppe auf eine halbe Million Beschäftigte.
Einer der größten Händler weltweit
Bei 125 Milliarden Euro Umsatz gibt es nur noch eine Handvoll Handelsunternehmen weltweit, die überhaupt größer sind als die Neckarsulmer mit den Kernmarken Lidl und Kaufland. Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Es wird eifrig investiert, nicht nur in neue Landesgesellschaften und Filialen, sondern auch in weitere Geschäftsfelder.
Entsorgungssparte kauft massiv zu

Ein Beispiel ist Prezero: Die Entsorgungssparte entstand einst unter dem Namen Greencycle und konzentrierte sich zunächst auf den Wertstoffkreislauf in den eigenen Filialen, insbesondere was PET-Flaschen angeht. Schließlich gehören zur Gruppe auch eigene Produktionsbetriebe - angefangen hat alles mit der Übernahme der insolventen Mitteldeutschen Erfrischungsgetränke in Brandenburg, wo heute die Wasser-Eigenmarken abgefüllt werden, wobei seitdem weitere Brunnenstandorte hinzugekommen sind.
Mittlerweile gibt es zudem eigene Schokoladen- und Süßigkeitenwerke, Großbäckereien und seit kurzem eine Kaffeerösterei. Dass deren Fabriken im Großraum Aachen ansässig sind, dürfte auch daran liegen, dass einer der führenden Schwarz-Manager der ersten Stunde von dort stammt. Schwarz Produktion ist derart groß geworden, dass die Sparte vor wenigen Monaten einen eigenen Vorstandsvorsitzenden bekommen hat.

Prezero hat unter diesem neuen Namen ebenfalls ein rasantes Wachstum hingelegt: Erst wurde der Entsorger Tönsmeier in Porta Westfalica, immerhin Nummer 5 in Deutschland, hinzugekauft. Es folgte die Übernahme mehrerer Ländergesellschaften des Suez-Konzerns und ganz aktuell die Entsorgungssparte von Ferrovial in Spanien und Portugal, wodurch sich die Belegschaft mehr als verdoppelt und der Umsatz von zwei auf drei Milliarden Euro hochschnellt.
"Wir sind damit unter den zehn größten Entsorgern der Welt", sagt Prezero-Sprecher Matthias Eder. Auch diese Sparte hat nun einen Vorstandsvorsitzenden bekommen. Und die Investitionen gehen weiter - einige neue Anlagen sind derzeit in Bau und im Wertstoffkreislauf dürfte auch noch eine bestimmte Lücke geschlossen werden.
5000 Arbeitsplätze für die Schwarz IT
Nicht nur Nachhaltigkeit, Recycling und Entsorgung sind Zukunftsfelder für die Schwarz Gruppe. Ein weiteres Pflänzchen, das 2001 noch zart und klein war, hat sich zu einem bedeutenden Player seiner Branche entwickelt: die IT. Sichtbares Zeichen ist der Neubau südlich von Bad Friedrichshall, für den gerade die Arbeiten begonnen haben - auf dem Gelände sollen 5000 Arbeitsplätze entstehen. Zum Teil werden hier natürlich bloß die Mitarbeiter zusammengezogen, die zurzeit noch an unterschiedlichen Standorten für verschiedene Unternehmen der Gruppe in der IT tätig sind. Aber es gibt auch Projekte der Schwarz IT KG, die in der Branche für Aufsehen sorgen. Etwa Stackit, das Cloud-Projekt, das zeitweise als Konkurrenz zu den Großen der Welt, also Amazon, Microsoft, Google und Alibaba, gedeutet wurde. Das hat IT-Vorstandsvorsitzender Christian Müller in der Ausgabe Mai 2021 der Wirtschaftsstimme dann aber dementiert: "Wir werden nicht als Konkurrent von Amazon oder Google antreten. Das wollen wir nicht, das können wir nicht und das ist auch nicht unser Ziel", sagte er da.
Dabei sind die Voraussetzungen gegeben. Es gibt vier eigene Rechenzentren, davon eines bei Weinsberg, und die Stackit-Cloud wird auch schon behutsam beworben. Nun soll das israelische Cybersecurity-Unternehmen XM Cyber das Portfolio ergänzen - seine Experten sind spezialisiert auf die Simulation von Cyberangriffen auf Firmen-Netzwerke.
Shopbox und Collectbox

Ein bisschen überschneidet sich das alles mit dem Generalthema Digitalisierung, wo es mit Rolf Schumann einen eigenen Vorstandsvorsitzenden gibt. Dieser Bereich hält über alle anderen Teile der Gruppe seine Hand. Themen wie Shopbox und Collectbox, die beiden Pilotläden für smartes Einkaufen an der DHBW Heilbronn, sind hier eines der sichtbaren Ergebnisse. Aber auch die Lidl-App und der vor wenigen Monaten hinzugekaufte Onlineshop von Kaufland, der zuvor zur Supermarktkette Real gehörte und als sogenannter Marktplatz gegen Ebay, Zalando, Otto und Amazon antritt, zählen in diesen Bereich.
Kauflands großer Real-Deal

Und das Stammgeschäft? Lidl und Kaufland bringen es schließlich schon auf deutlich mehr als 20 Jahre. Kaufland wurde so richtig groß, als nach der Wiedervereinigung die rasche Ausbreitung in den fünf neuen Bundesländern gelang. Nur wenige Expansionsvorhaben scheiterten - am teuersten war sicherlich der Versuch, in Australien Fuß zu fassen. Wobei die Australier selbst den Rückzug kurz vor der ersten Filial-Eröffnung sehr bedauerten. Stattdessen hat sich das Management auf den Heimatmarkt konzentriert und sich den größten Brocken unter den mehr als 200 Real-Filialen gesichert, die Metro an den Investor SCP abgetreten hatte.
Einige weiße Flecken auf der Deutschland-Karte von Kaufland konnten somit endlich getilgt werden, vor allem in Norddeutschland. Aber generell haben die Jahre seit 2001 gezeigt: Wenn irgendwo geeignete Märkte zum Verkauf stehen, ist Kaufland stets unter den Bietern - und erhält nicht selten den Zuschlag. So bei den Hela-Märkten im Saarland 2004 oder bei Famila in Nordrhein-Westfalen 2003. Mittlerweile beäugt aber das Bundeskartellamt jeden weiteren Neuerwerb äußerst kritisch. Der Markt ist schließlich unter vier Playern aufgeteilt - und die Schwarz-Gruppe zählt dazu.
Wobei Kaufland da noch die kleinere Rolle spielt. Beim Umsatz liegt die Discount-Schwester Lidl seit jeher vorne. Mehr als 3000 Filialen bestehen in Deutschland, immer wieder kommen neue hinzu, während unrentable oder nicht mehr ins Konzept passende Standorte aufgegeben werden. Denn mit der Frage, wie die Läden der Zukunft aussehen müssen, beschäftigt sich das Unternehmen immer wieder. Die Idee, mit größeren, schön gestalteten Filialen die Kunden zu begeistern, wurde vom langjährigen Schwarz-Chef Klaus Gehrig aber als "Glaspaläste" abgetan - und kostete Lidl-Chef Sven Seidel den Job. Wie sich Gehrigs Nachfolger Gerd Chrzanowski positioniert, ist eine der vielen Fragen, die sich um die Zukunft der Schwarz-Gruppe ranken.