Die faulsten Ausreden in Sachen Klimaschutz und warum sie falsch sind
Eigentlich würde ja jeder gern das Klima schützen - wenn das bloß nicht so unbequem wäre. Ohne individuelle Verhaltensänderung wird das nicht funktionieren.

Eigentlich würde ja jeder gern das Klima schützen - wenn das bloß nicht so unbequem wäre. Ernst gemeinter Klimaschutz beinhaltet auch persönlichen Verzicht und Verhaltensänderungen. Und da wird es schnell ungemütlich: Öfter mal das geliebte Steak weglassen oder mit dem Rad zur Arbeit fahren, statt sich in die Autokolonne einzureihen? Wäre schon nötig, aber tun wir es auch? Das schlechte Gewissen produziert jede Menge Begründungen, um zu entschuldigen, dass individueller Klimaschutz gerade nicht geht. Wir haben den Umweltpsychologen Gerhard Reese von der Universität Koblenz-Landau gebeten, die oft ziemlich faulen Ausreden einzuordnen.
Wir haben gar kein Klimaproblem, es gibt einfach zu viele Menschen auf der Erde.
Stimmt so nicht, sagt Gerhard Reese. Das Problem sei vielmehr, dass es eine Minderheit in den industrialisierten Ländern gebe, die weit über die Stränge des Vertretbaren die Ressourcen des Planeten ausbeute. Zu dieser Minderheit gehören auch die Deutschen. Laut Bundesumweltministerium sind die jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf in Deutschland mit rund 9,6 Tonnen aktuell ungefähr doppelt so hoch wie der internationale Durchschnitt von 4,8 Tonnen.
Ich allein kann das Klima sowieso nicht retten.
Das ist richtig. Deshalb ist es umso wichtiger, sich bewusst zu machen, dass man eben nicht allein ist und viele andere bereits Umweltschutz betreiben. Reese rät: "Retten Sie das Klima, indem sie sich Klimaschutzgruppen und Bewegungen aktiv anschließen."
Wir brauchen zwei Autos, schon wegen der Kinder.

Das mag gerade in ländlichen Regionen stimmen, sagt Reese. Für ihn deutet das auf ein strukturelles Problem hin: Selbst bei positiven Umwelteinstellungen hätten viele gar keine andere Option, als das Auto zu nutzen. Das muss sich ändern, findet er. Also: "Selbst aktiv werden und die Politik mit in die Pflicht nehmen, Alternativen zum eigenen Auto anzubieten, also zum Beispiel einen besseren öffentlichen Nahverkehr oder die Einrichtung von Sharing-Angeboten."
Die Chinesen bauen jede Woche ein Kohlekraftwerk, da bringen unsere Anstrengungen in Deutschland doch gar nichts.
China war 2016 laut Statistischem Bundesamt mit einem Anteil von rund 28 Prozent an den globalen Kohlenstoffdioxid-Emissionen der weltweit größte CO2-Emittent, vor den USA und Indien. Deutschland rangiert auf Rang sechs. Zur Wahrheit gehört jedoch: In China werden Milliarden von Konsumgütern für die westliche Welt hergestellt. Die Kohlekraftwerke dort dienen also auch zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Deutschen. Pro Kopf wird in China immer noch sehr viel weniger CO2 emittiert als bei uns, in dieser Betrachtung rangiert China nämlich nur auf Platz 40 der internationalen Liste - noch hinter den schon lang entwickelten Industriestaaten. Deutschland liegt deutlich weiter vorn, auf Platz 27. Reese fragt: "Warum gehen wir in Deutschland nicht innovativ und mutig mit Klimaschutz-Initiativen voran? Unsere Anstrengungen könnten Vorbildcharakter haben - wie schon einmal beim Erneuerbare-Energien-Gesetz."
Die Flugzeuge sind voll mit Geschäftsleuten, warum sollte ausgerechnet ich darauf verzichten, einmal pro Jahr in Urlaub zu fliegen?
Dazu Gerhard Reese: Gerade Mobilität bedarf politischer Entscheidungen. Der persönliche Verzicht vieler kann dabei helfen, ein Signal an die Politik zu senden und klarzumachen: Wir wollen eine andere Mobilität!
Die Industrie muss effizientere Autos und Geräte bauen, dann brauche ich nichts zu ändern.
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Fakten zum Klimawandel: Welche Folgen hat die globale Erderwärmung?
"Viele Effizienzgewinne wurden auch in der Vergangenheit durch unser Verhalten aufgefressen", sagt Reese. Motoren seien zum Beispiel sparsamer geworden, dafür schleppten sie heute viel größere Autos durch die Städte. Unter dem Strich bedeutet das: mehr Emissionen. Ähnlich verhält es sich mit LED-Geräten und Lampen. Die sind zwar sparsamer als Geräte mit alter Technologie, dafür besitzen die meisten Menschen heute viel mehr technische Geräte und lassen sie länger laufen.
Experten sagen: Ohne Verhaltensänderungen wird es den Deutschen nicht gelingen, ihren vereinbarten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und bis Mitte des Jahrhunderts weitgehend treibhausgasneutral zu werden, wie das im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung festgeschrieben ist.
Die Begrenzung auf zwei Grad Erwärmung ist sowieso nicht mehr zu schaffen.
"Dann müssen wir 2,5 Grad schaffen oder so wenig wie möglich", sagt Reese. Den Kopf in den ohnehin schon viel zu trockenen Sand zu stecken sei jedenfalls keine Lösung.
Klimapolitik ist freiheitsfeindlich, ich will mir nichts verbieten lassen.
Ein Argument, das vor allem die FDP gern vorbringt. Reese sagt dazu: "Freiheit heißt nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Freiheit beinhaltet immer, dass sie die Freiheit und Unversehrtheit anderer mit einschließen muss. Das ist nicht gegeben, wenn man auf Kosten anderer lebt, wie wir das in Deutschland und anderen Industrienationen seit Jahrzehnten tun."

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