Heilbronner Klimaaktivisten erneut zu Haftstrafen verurteilt
Das Amtsgericht Heilbronn hat Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" erneut zu Haftstrafen verurteilt. Im Gerichtssaal war es lautstark und mitunter despektierlich zugegangen. Der neunstündige Prozess drohte zwischenzeitlich außer Kontrolle zu geraten.

Zum zweiten Mal innerhalb von sechs Wochen sind am Montag (17. April 2023) in einem neunstündigen Prozess Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" vom Amtsgericht Heilbronn im Eilverfahren zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Zwei der vier Beschuldigten saßen bereits beim ersten Prozess auf der Anklagebank.
Weil die Aktivisten am 6. März erneut die Neckarsulmer Straße in Heilbronn blockiert hatten, befand Richterin Julia Schmitt die Angeklagten erneut der gemeinschaftlichen Nötigung für schuldig. Die 35-Jährige sprach Haftstrafen zwischen fünf und drei Monaten wegen gemeinschaftlicher Nötigung aus, in drei Fällen ohne Bewährung.
Mit dem Urteil vor sechs Wochen wurden bundesweit erstmals Mitglieder der "Letzten Generation" zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich auf die Straße geklebt und damit erhebliche Verkehrsbehinderungen verursacht haben.
Spontanaktion nach dem Urteil
Nur eine Stunde nach dem Richterspruch vom März setzten sich die Verurteilten mit drei weiteren Protestierenden erneut auf die Neckarsulmer Straße und versuchten, sich dort festzukleben. Polizeikräfte vor Ort konnten das zwar verhindern. Die Blockade dauerte trotzdem mehr als eine Stunde lang an. Dadurch bildete sich ein rund 1,5 Kilometer langer Rückstau auf der B27 in Richtung Neckarsulm. Die Richterin wertete "diese Spontanaktion" am Montag auch "als Unmutsbekundung gegen das Urteil", das sie selbst am 6. März ausgesprochen hatte.
Befangenheitsantrag gegen Richterin
Unter anderem deswegen stellten die Rechtsanwälte zweier Angeklagter eingangs der Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen Schmitt. Sie könne gar nicht unvoreingenommen sein, weil sie über eine Aktion urteilen müsse, die sich gegen ihren eigenen Richterspruch richte. "Das ist aus meiner Sicht ein Problem. Denn sie kann ja keine abweichende Entscheidung zu ihrer Entscheidung fällen", so der Frankfurter Anwalt Jonas Ganz in einer Prozesspause. Gegen Mittag wurde der Antrag von einem weiteren Richter des Amtsgerichts abgelehnt. Sie sei laut Geschäftsordnung des Amtsgerichts mit dem Fall befasst, eine Befangenheit liege nicht vor.
Immer wieder wurde die Verhandlung unterbrochen, um über Beweisanträge zu befinden und über Stellungnahmen zu diskutieren. Zwischenzeitlich drohte der Prozess außer Kontrolle zu geraten.
Mahnwachen und Lied auf Anklagebank
Während vor dem Gebäude ein Dutzend Sympathisanten die gesamte Verhandlungsdauer über eine Mahnwache abhielten, äußerten Zuschauer im Saal mitunter lautstark Beifalls- oder Unmutsbekundungen. Die Beschuldigten selbst nutzten ihre Stellungnahmen für lautstarke politische und zum Teil despektierliche Äußerungen.
"Hier wird nicht so viel auf Recht und Gesetz gegeben", sagte etwa Moritz Riedacher, einer der Beschuldigten zur Richterin. Als die Zuschauer lautstark applaudierten, während die Angeklagten trotz mehrfacher Ermahnung der Richterin nicht aufhörten das Lied "Have you ever been in jail for justice?" (Warst du jemals für die Gerechtigkeit im Gefängnis) zu singen, ließ Schmitt zwischenzeitlich den Gerichtssaal räumen.
Die Anwälte der Angeklagten interpretierten die Aktionen ihrer Mandanten als angemessenen Protest und zivilen Ungehorsam gegen den Rechtsverstoß der Bundesregierung. Diese komme der juristischen Verpflichtung des Pariser Abkommens nicht nach und setze die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht um, im Sinne der Generationengerechtigkeit mehr für den Klimaschutz zu unternehmen.
Richterin: Blockaden als verwerfliche Handlung
Die Richterin sah in der Blockaden dagegen eine verwerfliche Handlung. Die Beschuldigten hätten Grundrechte Dritter eingeschränkt, die ziellos und willkürlich getroffen worden seien, um eigene Interessen durchzusetzen. Haftstrafen ohne Bewährung verhänge sie, weil drei der vier Angeklagten mehrfach betonten, sich von weiteren Aktionen nicht abhalten zu lassen. "Das Strafgesetzbuch stößt an seine Grenzen", so die Richterin. Geld- und Bewährungsstrafen hätten hier keinen Einfluss mehr.