Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen Merken

Heilbronner Klimaaktivisten erneut zu Haftstrafen verurteilt

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Das Amtsgericht Heilbronn hat Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" erneut zu Haftstrafen verurteilt. Im Gerichtssaal war es lautstark und mitunter despektierlich zugegangen. Der neunstündige Prozess drohte zwischenzeitlich außer Kontrolle zu geraten.

Vier Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" mussten sich am Montag wegen einer Straßenblockade vor dem Amtsgericht verantworten.
Vier Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" mussten sich am Montag wegen einer Straßenblockade vor dem Amtsgericht verantworten.  Foto: Kunz, Christiana

Zum zweiten Mal innerhalb von sechs Wochen sind am Montag (17. April 2023) in einem neunstündigen Prozess Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" vom Amtsgericht Heilbronn im Eilverfahren zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Zwei der vier Beschuldigten saßen bereits beim ersten Prozess auf der Anklagebank.

Weil die Aktivisten am 6. März erneut die Neckarsulmer Straße in Heilbronn blockiert hatten, befand Richterin Julia Schmitt die Angeklagten erneut der gemeinschaftlichen Nötigung für schuldig. Die 35-Jährige sprach Haftstrafen zwischen fünf und drei Monaten wegen gemeinschaftlicher Nötigung aus, in drei Fällen ohne Bewährung.


Mehr zum Thema

Vor dem Gerichtsprozess in Heilbronn gegen Klimaaktivisten der "Letzten Generation" ist ein Aktivist mit einem Holzkonstrukt auf der Allee unterwegs.
Stimme+
Heilbronn (dpa/lsw)
Lesezeichen setzen

Aktivisten der "Letzten Generation" erneut vor Gericht - ein Mitglied auf der Allee von Polizisten aufgehalten


Mit dem Urteil vor sechs Wochen wurden bundesweit erstmals Mitglieder der "Letzten Generation" zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich auf die Straße geklebt und damit erhebliche Verkehrsbehinderungen verursacht haben.


Spontanaktion nach dem Urteil

Nur eine Stunde nach dem Richterspruch vom März setzten sich die Verurteilten mit drei weiteren Protestierenden erneut auf die Neckarsulmer Straße und versuchten, sich dort festzukleben. Polizeikräfte vor Ort konnten das zwar verhindern. Die Blockade dauerte trotzdem mehr als eine Stunde lang an. Dadurch bildete sich ein rund 1,5 Kilometer langer Rückstau auf der B27 in Richtung Neckarsulm. Die Richterin wertete "diese Spontanaktion" am Montag auch "als Unmutsbekundung gegen das Urteil", das sie selbst am 6. März ausgesprochen hatte.

Befangenheitsantrag gegen Richterin

Unter anderem deswegen stellten die Rechtsanwälte zweier Angeklagter eingangs der Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen Schmitt. Sie könne gar nicht unvoreingenommen sein, weil sie über eine Aktion urteilen müsse, die sich gegen ihren eigenen Richterspruch richte. "Das ist aus meiner Sicht ein Problem. Denn sie kann ja keine abweichende Entscheidung zu ihrer Entscheidung fällen", so der Frankfurter Anwalt Jonas Ganz in einer Prozesspause. Gegen Mittag wurde der Antrag von einem weiteren Richter des Amtsgerichts abgelehnt. Sie sei laut Geschäftsordnung des Amtsgerichts mit dem Fall befasst, eine Befangenheit liege nicht vor.


Mehr zum Thema

Stimme+
Meinung
Lesezeichen setzen

Klimaaktivisten erreichen das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigen


Immer wieder wurde die Verhandlung unterbrochen, um über Beweisanträge zu befinden und über Stellungnahmen zu diskutieren. Zwischenzeitlich drohte der Prozess außer Kontrolle zu geraten.

Mahnwachen und Lied auf Anklagebank

Während vor dem Gebäude ein Dutzend Sympathisanten die gesamte Verhandlungsdauer über eine Mahnwache abhielten, äußerten Zuschauer im Saal mitunter lautstark Beifalls- oder Unmutsbekundungen. Die Beschuldigten selbst nutzten ihre Stellungnahmen für lautstarke politische und zum Teil despektierliche Äußerungen.

"Hier wird nicht so viel auf Recht und Gesetz gegeben", sagte etwa Moritz Riedacher, einer der Beschuldigten zur Richterin. Als die Zuschauer lautstark applaudierten, während die Angeklagten trotz mehrfacher Ermahnung der Richterin nicht aufhörten das Lied "Have you ever been in jail for justice?" (Warst du jemals für die Gerechtigkeit im Gefängnis) zu singen, ließ Schmitt zwischenzeitlich den Gerichtssaal räumen.


Mehr zum Thema

Bei der Aktion der "Letzten Generation" in Heilbronn ist die Stimmung zu Beginn aufgeheizt. Dann beruhigt sich die Lage, wie dieses Foto zeigt.
Foto: Heike Kinkopf
Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen

Polizei rät: Nicht eigenmächtig gegen Klimaaktivisten vorgehen


Die Anwälte der Angeklagten interpretierten die Aktionen ihrer Mandanten als angemessenen Protest und zivilen Ungehorsam gegen den Rechtsverstoß der Bundesregierung. Diese komme der juristischen Verpflichtung des Pariser Abkommens nicht nach und setze die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht um, im Sinne der Generationengerechtigkeit mehr für den Klimaschutz zu unternehmen.

Richterin: Blockaden als verwerfliche Handlung

Die Richterin sah in der Blockaden dagegen eine verwerfliche Handlung. Die Beschuldigten hätten Grundrechte Dritter eingeschränkt, die ziellos und willkürlich getroffen worden seien, um eigene Interessen durchzusetzen. Haftstrafen ohne Bewährung verhänge sie, weil drei der vier Angeklagten mehrfach betonten, sich von weiteren Aktionen nicht abhalten zu lassen. "Das Strafgesetzbuch stößt an seine Grenzen", so die Richterin. Geld- und Bewährungsstrafen hätten hier keinen Einfluss mehr.

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben