Die AfD färbt den Osten blau, aber sie siegt in ganz Deutschland
Die AfD ist bei der Bundestagswahl in allen fünf ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft geworden. Das ist erschreckend. Aber die Lage im Westen ist nicht viel besser.
Der Osten hat AfD-blau gewählt: Auf rund 34 Prozent kommt die Partei in den neuen Bundesländern, auf der Wahlkarte zeichnet sich das Gebiet der ehemaligen DDR klar ab. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kommt die in Teilen als gesichert rechtsextremistisch geltende Partei sogar auf knapp 40 Prozent.
Ein schockierendes Ergebnis? Ja, aber eines, das nicht überrascht, gewinnen die Extremisten dort seit Jahren doch immer mehr an Boden. AfD-Chef Tino Chrupalla erreicht in seinem Wahlkreis Görlitz, rund um die Europastadt, 48,9 Prozent der Erststimmen und schafft damit den Einzug in den Bundestag über das Direktmandat.
Wahlergebnisse Bundestagswahl: Frust über etablierte Parteien ist im Osten besonders groß
In den vielfach ländlich geprägten Regionen des Ostens, aus denen junge Leute in Scharen abwandern, fühlen sich die Menschen in großer Zahl nicht repräsentiert. Sie sind frustriert über Politiker, die sich gegenseitig verbal attackieren, statt effektive Lösungen für die zahlreichen großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden:

Wie gelingt ein Wirtschaftsaufschwung, wie lässt sich Migration geordnet organisieren, wie reagiert Deutschland auf die Bedrohung von außen? Was tun gegen das Gefühl der sozialen Benachteiligung auf dem Land und gegen die Angst, völlig von den großen Zentren abgehängt zu werden? Der Frust über die Parteien mit ihrer oft wirklichkeitsfernen Politik ist im Osten besonders groß.
Wahlergebnisse in Deutschland: Rechtsruck ist kein Ost-Phänomen
Und doch sollten wir uns nicht täuschen: Der Rechtsruck ist kein Ost-Phänomen. Die AfD ist mit dieser Wahl im gesamten Bundesgebiet so stark geworden, dass sie den Politikbetrieb prägt und dominiert. Das zeigt besonders die Asyldebatte des Wahlkampfs mit der denkwürdigen Abstimmung im Bundestag gemeinsam mit der AfD, herbeigeführt von Friedrich Merz.
Die Union hat die Rechtsaußen-Partei damit weiter in die politische Mitte geholt, die Zusammenarbeit mit ihr in den Augen vieler normalisiert. Aber die schwache Ampel ist verantwortlich dafür, dass die AfD in den vergangenen drei Jahren überhaupt so viel Zulauf bekommen hat. Die wackelige Regierung mit ihrer Unfähigkeit, pragmatische Kompromisse für die Zukunft Deutschlands zu finden, hat den Unmut über die Parteien des demokratischen Spektrums befördert und den Extremisten zu ihrem großen Erfolg verholfen. So liegt die AfD nun bei 20,8 Prozent im Bund, einem erschütternden Wert angesichts der deutschen Geschichte und der Tatsache, dass die Partei immer offener faschistische Positionen vertritt.
Bundestagswahl: Die neue Regierung braucht mehr Pragmatismus und Realitätssinn
Was ist nun zu tun? Das politische Handeln der nächsten Bundesregierung muss deutlich besser werden. Es gilt, rasch eine stabile Regierung zu formen und dann möglichst geräuschlos Kompromisse für die Zukunft Deutschlands auszuhandeln. Die demokratischen Parteien müssen untereinander wieder zu moderateren Tönen zurückfinden, statt die scharfe Eskalations-Rhetorik der Rechten zu übernehmen.
Friedrich Merz ist im Wahlkampf keiner gewesen, der versöhnen konnte, doch ihm als Kanzler wird diese Rolle zufallen. Vieles wird nun davon abhängen, dass er daran wächst. Unbedingt aufhören muss das Einschlagen auf die Grünen. Man muss politische Inhalte der Partei nicht teilen. Die Partei als Quell allen Übels darzustellen und ihren führenden Politikern bei jeder Gelegenheit Kompetenz abzusprechen, wie vor allem CSU-Chef Markus Söder das im Wahlkampf getan hat, ist für die demokratische Kultur kontraproduktiv und spielt den Rechtsextremen in die Karten.
Zweierbündnis in Deutschland nach der Bundestagswahl: Kompromisse dürften leichter fallen
Positiv könnte sich das wahrscheinliche neue Regierungsbündnis aus CDU und SPD auswirken. Unter zwei Partnern Kompromisse zu schmieden, dürfte leichter fallen als in einem Dreierbündnis. Der Mitte muss es nun gelingen, das Land und seine schlingernde Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, ansonsten könnte in vier Jahren das gesamte Bundesgebiet blau eingefärbt sein.

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