So wird in Rotterdam der Heilbronner KI-Park Ipai geplant
Im Büro von MVRDV arbeiten junge Architekten aus aller Welt an Lösungen für das Wohnen und Arbeiten der Zukunft. Beim Besuch der Stimme-Redakteurin erzählen die Mitarbeiter, was sie antreibt.

Der Hauptsitz des niederländischen Architekturbüros MVRDV kommt unscheinbar daher. Wenige Querstraßen von Rotterdams pulsierendem Zentrum um Markthalle und Kubushäuser entfernt, liegt es in einem ruhigen Wohngebiet aus der Nachkriegszeit. Kleine Wohnungen und gemütliche Cafés säumen die Straßen, Bäume umschatteten einen zentralen Platz mit Spielgeräten und Bänken.

Direkt dahinter, an der Straße Achterklooster, steht ein niedriger Bau, der auf den ersten Blick an eine Industriehalle erinnert und tatsächlich ein modern hergerichtetes nationales Denkmal aus den 1950er Jahren ist. MVRDV prangt in großen Lettern über dem Eingang, rechts und links davon parken Fahrräder in mehreren Reihen.
Rotterdam ist bei Architektur-Liebhabern beliebt
Hier ist es, das Büro, das den Zuschlag für den Bau des Heilbronner KI-Parks Ipai bekommen hat und das seit Jahren Architekturfans weltweit mit seinen visionären und gewagten Entwürfen in den Bann zieht. Die Markthalle und das Kunstdepot Boijmans van Beuningen, das im Herbst 2021 unter großer internationaler Aufmerksamkeit in Rotterdams Museumspark eröffnet wurde, sind zwei davon.
Der Architektur-Tourismus habe von beiden Bauten immens profitiert, sagen die Verantwortlichen der Stadt. Immer mehr Menschen aus aller Welt pilgern nach Rotterdam. Auch wegen anderer großer Namen der Szene wie dem Büro OMA von Rem Koolhaas ist die Stadt zum Hotspot für Design-Liebhaber geworden.
An diesem sonnigen Nachmittag kommen immer wieder Gruppen junger Leute aus dem MVRDV-Office, die meisten mit Kaffeetasse in der Hand. Sie stehen zusammen, reden, lachen, manche rauchen. Niederländisch, Englisch, Italienisch, Französisch und Sprachen aus dem asiatischen Raum sind zu hören.
Runde 30 Mitarbeiter arbeiten am Ipai
Im Inneren des Gebäudes herrscht konzentrierte Ruhe. Hinter einer gläsernen Wand sitzen Dutzende Menschen an langen Tischreihen, über Computer gebeugt, ins Gespräch vertieft. "Der Entwurf für diese Tische ohne Tischbeine in der Mitte stammt von uns", erklärt Partner Jacob van Rijs bei einem Rundgang. So könne man leicht einzeln und getrennt arbeiten, Teams könnten sich ohne größere Umbauten neu formieren, Mitarbeiter hin und her wechseln. Dann deutet er auf zwei Tischreihen, an denen ungefähr 30 Leute sitzen. Dort und im Berliner Büro von MVRDV werde der Ipai geplant.
In der Wettbewerbsphase sei es eine Herausforderung gewesen zu entscheiden, wie viele Mitarbeiter von anderen Arbeiten abgezogen und mit diesem Projekt betraut werden sollen, erklärt van Rijs. Schließlich wisse man nie, ob man den Zuschlag bekomme. Seit das klar ist, sei das Team weiter aufgestockt worden. "Wir haben Leute neu eingestellt und umgeschichtet. Mehrere Projektteams arbeiten jetzt an Gebäuden im ersten Bauabschnitt."
In den kommenden Tagen sehe man sich gemeinsam mit den Auftraggebern aus Heilbronn in Rotterdam und Amsterdam bereits umgesetzte Beispiele an - für Holzbauten, Restaurants, Fahrradabstellmöglichkeiten in Gebäuden, um herauszuarbeiten, was möglich und was gewünscht ist. "Das ist ein spannender Moment, es passiert recht viel", sagt van Rijs. In dieser Phase sei es hilfreich, einen "breiteren Blick" auf interessante Ideen zu haben, nichts auszuschließen. Erst später werde herausgearbeitet, was nicht geht.
Das Team bei MVRDV ist jung und divers
32 Jahre sei das Durchschnittsalter bei MVRDV, sagt er. Die Diversität unter den Mitarbeitern fällt auf. Dort sitze das Team für den französischen Markt, so van Rijs und deutet nach rechts. Links geht es zu einem großen Raum, in dem viele junge Leute aus dem asiatischen Raum sitzen und für diesen Teil der Welt planen.

In einem kleinen Büro daneben sitzt Yayun, 34, am Computer. "Er ist eines unserer vielversprechendsten Talente aus China", sagt van Rijs. Yayun ist selbst Architekt, hat an der Universität im niederländischen Delft studiert und ist in den Niederlanden geblieben. Er plant keine Gebäude, sondern versucht mithilfe von KI den Design-Prozess seiner Kollegen zu unterstützen und zu beschleunigen, wie er erklärt. Gerade probiert er an einem virtuellen Gebäude verschiedene Fassaden-Optionen aus.
KI hilft im Designprozess
Auch an einer Lampenkollektion von MVRDV arbeitet er. Quietschbunte Reststücke von Aluminiumschienen werden dafür zusammengesetzt. Die KI hilft, das effizient zu tun - und produziert dabei ein beinahe unendliches Repertoire an Formen. "Ich bin sowas wie ein Problemlöser", sagt Yayun und lacht gut gelaunt. Ihm sei es bei seiner Arbeit wichtig, "einen Unterschied zu machen" und etwas Sinnvolles zu tun, auch deshalb arbeite er so gern an dem Lampen-Recycling-Projekt.
Der Umgangston ist überall locker und freundlich, gern geben die Mitarbeiter Auskunft über ihre Arbeit, ohne von Partner Jacob van Rijs gebremst zu werden. Nur mit Fotos müsse man vorsichtig sein, sagt der Architekt. Schließlich sei noch nicht alles veröffentlicht, Mitbewerber sollen keinen Einblick in die Arbeit bei MVRDV bekommen. Denn die nächsten großen internationalen Wettbewerbe stehen bereits an. Auch für sie wollen die Kreativen von MVRDV wieder Vorschläge machen, die die Grenzen des Möglichen ausreizen.