Viele Corona-Teststellen, kaum Kontrolle
Ein Öhringer versucht, eine Million Euro mit Corona-Tests abzuzocken - und fliegt auf. Laut Kassenärztlicher Vereinigung ein seltener Fall. Die Polizei indes sieht Mängel bei der Kontrolle von Teststellen.

Corona-Testzentren schießen wie Pilze aus dem Boden. Sie versprechen vermeintlich schnell verdientes Geld. Der Aufwand scheint gering, die Materialkosten sind niedrig. Die Vergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dagegen ist vergleichsweise hoch. Das lockt dubiose Gestalten an. Ein Millionen-Betrug, wie er einem Öhringer vorgeworfen wird, ist laut Polizei und KV selten. Es ist jedoch fraglich, wie effektiv diese Einrichtungen kontrolliert werden.
Betreiber: Es herrscht Goldgräberstimmung
Container, Partyzelt, Bauwagen oder Bretterbude - an jeder Straßenecke, so der Eindruck, können sich Menschen auf das Coronavirus testen lassen. "Es herrscht im Moment eine Goldgräberstimmung", sagt Michael Wieland, Geschäftsleiter der Little Pinguin Medi & Secure Services. Zusammen mit seiner Frau Ramona Wieland-Müller betreibt der 50-Jährige zehn Teststationen in Öhringen und anderen Kommunen im Hohenlohekreis und im Raum Heilbronn.
Einige glaubten, eine Teststation sei leicht verdientes Geld, macht Wieland die Erfahrung. "Aber es sollte einfach auch ein Interesse gegeben sein, ein Testzentrum zu betreiben und sich mit dem Thema zu beschäftigen." Er habe knapp 130 Mitarbeiter angestellt. "Fast nur medizinisches Personal, und eine Ärztin unterstützt uns."
28-Jähriger rechnet Zehntausende Tests zu viel ab
Das schnelle Geld wollte offenbar ein Öhringer machen. Der 28 Jahre alte Mann steht laut Polizei im Verdacht, in einer Shisha-Bar Corona-Tests gemacht und diese falsch abgerechnet zu haben. Schaden: mehr als eine Million Euro. Der Beschuldigte soll fast 90.000 Abstriche bei der KV abgerechnet haben, obwohl er lediglich etwa 5000 vorgenommen hat. Weil die Untersuchung des Falls noch läuft, hält sich die Polizei mit weiteren Informationen zurück. Die Kripo des Heilbronner Polizeipräsidiums beschäftigt sich außerdem mit einem weiteren Fall im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums, teilt Sprecher Gerald Olma mit.
Früheres Vergehen spielt bei Ermittlungen keine Rolle
Die ins Visier geratene Shisha-Bar in Öhringen ist kein unbeschriebenes Blatt. Dort soll es im Sommer zu einem Corona-Ausbruch gekommen sein. Das Landratsamt und das Öhringer Ordnungsamt hatten dem Betreiber vorgeworfen, eklatant gegen die vorgeschriebene Kontaktdaten-Erfassung verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf spiele bei den Ermittlungen zum Millionen-Betrug keine Rolle, sagt Olma. Für derartige Ordnungswidrigkeiten ist nicht die Kripo zuständig, sondern das Ordnungsamt. Zu Betrügereien komme es, da in den Teststationen und bei der Abrechnung "keine oder nur rudimentäre Kontrollmechanismen" greifen.
Kassenärztliche Vereinigung meint, es seien Einzelfälle
"Eine effektive Kontrolle der eingereichten Abrechnungen ist nicht zu leisten", sagt Kai Sonntag, Sprecher der KV Baden-Württemberg. Der Betrugsfall in Öhringen sei der KV nicht bekannt. Sonntag geht davon aus, dass relativ selten jemand versuche zu betrügen. 3,4 Millionen Abstriche machten die Betreiber von Teststationen im Land allein im November 2021 geltend. Die KV zahlte dafür 27,3 Millionen Euro aus. Nicht enthalten in den Zahlen sind die von Ärzten in den Praxen vorgenommenen Corona-Tests. Die Zahl der Betrugsfälle, denen Polizei und Staatsanwaltschaften nachgehen, liegt laut Sonntag im einstelligen Bereich.
Fehler in der Vergangenheit
Zurzeit kostet ein Test-Kit etwa zwei Euro. Die KV zahlt einen Sachkostenbeitrag von 3,50 Euro pro Kit und acht Euro für jeden Abstrich. Betreiber Wieland zufolge fallen weitere Kosten an - etwa für Container, Desinfektionsmittel, Handschuhe, Miete, Verbrauchsmittel, Personal oder die Computersoftware. Was mögliche Betrügereien und Kontrolle der Teststationen angeht, seien in der Vergangenheit Fehler gemacht worden, kritisiert er. "Das ist inzwischen besser geworden." So seien die Tests durch den Einsatz von Software nachvollziehbarer geworden. Schwarze Schafe werde es wohl immer geben.
23 Anbieter betreiben 27 Stationen
Das Gesundheitsamt gehe jeder Beschwerde und jedem Hinweis zu einer Teststelle nach, teilt Sascha Sprenger, Sprecher des Landratsamts im Hohenlohekreis, mit. Außerdem gebe es regelmäß stichprobenartige Kontrollen. Bislang seien zwei Teststellen geschlossen worden, weil die erforderliche Hygiene unzureichend war oder fehlte. Im Hohenlohekreis gibt es zurzeit 27 Teststellen mit Beauftragung des Gesundheitsamts mit 23 verschiedenen Anbietern, sagt Sprenger. Dazu kämen die Angebote der Ärzte, Apotheken und Hilfsorganisationen. Sie alle zusammen meldeten dem Gesundheitsamt im Dezember etwa 82.500 Testungen.
Vorgehen beim Eröffnen einer Teststation
Wer eine Teststelle eröffnet, muss dies dem Gesundheitsamt melden und Unterlagen wie ein Hygienekonzept vorlegen. Der Betreiber erhält eine Registriernummer, die er an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für die Abrechnungen weitergibt. Die Zahl der vorgenommenen Tests meldet der Betreiber ans Gesundheitsamt und an die KV. Die nimmt stichprobenartig eine Plausibilitätsprüfung vor.