RKI-Studie: 3,9 Mal mehr Menschen mit Coronavirus infiziert als bekannt
Wochenlang haben Mediziner und Forscher mehr als 2000 Menschen im Corona-Hotspot Kupferzell im Zuge einer Antikörperstudie befragt. Am Freitag präsentierte das Robert Koch-Institut (RKI) die Ergebnisse.

Mit Spannung waren die Ergebnisse der Kupferzeller RKI-Studie erwartet worden. Die drei wichtigsten Erkenntnisse des lokalen Monitorings, die die Forscher vom Robert Koch-Institut präsentierten: 85 Prozent der positiv auf Corona Getesteten hatten Symptome entwickelt. Die Dunkelziffer der unerkannt gebliebenen Infektionen lag bei 3,9.
Das heißt: Es hatten 3,9 mal mehr Menschen das Virus als gedacht. Und: Zum Zeitpunkt der Testungen, also ab 20. Mai, war das Corona-Geschehen in der 6000-Einwohner-Gemeinde Kupferzell bereits eingedämmt. Es gab keine weiteren versteckten Infektionsherde.
Die Infektionskette, die Hohenlohe ausgehend von einem Kirchenkonzert am 1. März in Kupferzell-Eschental zum Hotspot gemacht hatte, sei erfolgreich durchbrochen worden. „Die Maßnahmen haben gewirkt“, erklärt Landrat Matthias Neth. Der erste Fall in Kupferzell war am 8. März gemeldet worden. Zu Beginn der Hochphase am 19. März waren es 80 Infektionen, zu Beginn der Studie 111. Derzeit liegt die Gesamtzahl der Infizierten in Kupferzell bei 117. Dort gab es drei Todesfälle, im Hohenlohekreis 47.
Eckdaten der Antikörper-Testergebnisse
Die Eckdaten der Studie, an der sich 2203 Bürger beteiligten: 7,7 Prozent hatten positive Antikörper. Es wurden keine akuten Infektionen festgestellt. Bei Frauen (8,7 Prozent) wurden häufiger als bei Männern (6,7 Prozent) Antikörper nachgewiesen. 16,8 Prozent der Menschen mit Antikörpern hatten keine typischen Krankheitssymptome. 83,2 Prozent hatten mindestens ein Symptom.
Bei 28,2 Prozent der Erwachsenen mit positivem Corona-Test konnten keine Antikörper nachgewiesen werden. Das heiße aber nicht, dass sie nicht immun sind, sagen die Experten, die den Faktor von 3,9 mehr Infizierten als gering bezeichnen. Für Projektleiterin Dr. Claudia Santos-Hövener zeigt der Wert, dass das Gesundheitsamt gut gearbeitet habe.
Die endgültige Auswertung steht noch aus
Santos-Hövener präsentierte die unter Leitung von Professor Thomas Lampert erstellte Studie, an der sich 63 Prozent der Kupferzeller beteiligten. Noch fehlt die Auswertung der Fragebögen. Darin war das (Freizeit-)Verhalten der Probanden während der Pandemie abgefragt worden, auch Bildung, Vorerkrankungen, Lebensstil und Ernährung spielten eine Rolle. So sollen Aussagen zur Verbreitung des Virus und zum Krankheitsverlauf getroffen werden.
Für Lars Schaade, Vizepräsident des RKI, hat sich gezeigt, dass symptomatische Testungen richtig sind. Und: „Selbst wenn das Infektionsgeschehen sehr hoch ist, ist nur ein Teil der Bevölkerung betroffen.“ Die Maßnahmen schützen einen Großteil der Bevölkerung.
2200 Menschen wurden getestet
Für die Studie hatte das Team um Professor Dr. Thoms Lampert im Juni über 2200 Menschen in Kupferzell abgestrichen und das Blut auf Antikörper getestet. Die Probanden waren willkürlich aus dem Melderegister der Gemeinde gewählt worden. An der Studie beteiligten sich 2203 Bürger. Es wurden Rachenabstriche gemacht und Blutproben genommen.
Lampert leitet die Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring. Vor Ort wurde die Studie von Dr. Claudia Santos-Hövener mit einem über 30-köpfigen Team umgesetzt. Wichtiger Bestandteil der Studie waren neben Abstrich und Blutproben die Fragebögen. Hier wurden Vorerkrankungen, das Verhalten während der Pandemie, aber auch die Nutzung öffentlichen Nahverkehrs und Freizeitverhalten abgefragt. Neben Lampert und Santos-Hövener war Professor Dr. Lars Schaade, Vizepräsident des RKI bei der Vorstellung der Studie in Kupferzell, die bundesweit großes Interesse hervorruft. Das zeigte das große Medienaufgebot vor Ort.
Für die Studie waren vier besonders stark von der Pandemie betroffene Gemeinden ausgewählt worden. In Kupferzell im Hohenlohekreis und in Bad Feilnbach im Landkreis Rosenheim sind die Untersuchungen vor Ort bereits abgeschlossen. Als nächster Studienort werden ab 8. September die Untersuchungszentren in Straubing in Niederbayern eingerichtet.







Stimme.de