RKI-Studie: Das sind die Erkenntnisse für den Hohenlohekreis
Die Reaktionen auf die ersten Ergebnisse der lokalen Corona-Studie des Robert-Koch-Instituts sind fast durchweg positiv. Der Hohenlohekreis kann daraus wichtige Erkenntnisse für seine künftigen Corona-Planungen ziehen. Wie geht es jetzt weiter?
Die ersten Eckdaten der Kupferzeller Corona-Studie liegen seit Freitag vor. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte sie in der Carl-Julius-Weber-Halle vorgestellt. Was bedeuten die Ergebnisse für die Bewertung des bisherigen und die Planung des künftigen Corona-Managements im Hohenlohekreis?
Drei Erkenntnisse sind für den Landrat prägend
Für Landrat Matthias Neth sind drei Erkenntnisse besonders wichtig. Erstens: "Wir hatten in Kupferzell einen geschlossenen Infektionskreis und keine weiteren Infektionsherde, die wir übersehen haben. Wir wissen jetzt, dass der Weg, den wir im März eingeschlagen haben, offensichtlich richtig war und dass die Maßnahmen gegriffen haben mit einer sehr konsequenten Kontaktverfolgung, um weitere Neuinfektionen zu verhindern." Das Kirchenkonzert in Eschental am 1. März ist damit eindeutig als Haupttreiber identifiziert.
Erleichterung über geringe Dunkelziffer
Zweitens zeigt sich Neth "sehr erfreut, dass die Zahl der tatsächlich Infizierten mit dem Faktor 3,9 in der Höhe liegt, die wir ungefähr erwartet haben". Im März oder April sei hingegen der Eindruck entstanden, "dass die Dunkelziffer unglaublich hoch ist". Drittens nennt Neth die 16,8 Prozent der positiv auf Antikörper Getesteten, die keinerlei Symptome zeigten. Angesichts dessen werde der Kreis weiter sehr wachsam sein, "wie massive Ausbruchsgeschehen auf Großveranstaltungen verhindert werden können und wie wir mit Reiserückkehrern umgehen".
Das sagt der Bürgermeister
Bürgermeister Christoph Spieles sagt, "zum Glück ist die Dunkelziffer nicht ganz so hoch, wie wir unter Umständen zu befürchtet gehabt hätten". Er dankt allen Bürgern, die RKI-Studie "sehr positiv aufgenommen" zu haben. Kupferzell sei von Corona stark getroffen worden, dadurch sei aber auch die Gemeinschaft enorm gewachsen. Gleichzeitig mahnt er: "Denken Sie daran: Abstand und Hygieneregeln sind weiterhin unabdingbar."
RKI-Vizepräsident mahnt zur Wachsamkeit
Diese Botschaft immer wieder zu bekräftigen, und die Bevölkerung auf die Einhaltung aller Regeln und Empfehlungen einzuschwören, ist auch RKI-Vizepräsident Lars Schaade angesichts erneut steigender Fallzahlen in ganz Deutschland sehr wichtig: "Die Maßnahmen lohnen sich, und sie schützen einen überwiegenden Teil der Bevölkerung" - wie die Kupferzeller Studie gezeigt habe. "Als wir bei Ihnen getestet haben, gab es keine aktuellen Infektionen mehr. Das ist eine sehr gute Nachricht und zeigt, dass man damit die Virusübertragung in der Bevölkerung unterbrechen kann" - wenn das Virus sehr heftig wüte, aber auch dann, wenn es nicht mehr so stark zirkuliere.
Land bescheinigt dem Hohenlohekreis "fast vorbildlichen" Job
"Das ist die erste repräsentative Corona-Studie in Baden-Württemberg", betont Stefan Brockmann, Leiter des Referats Gesundheitsschutz und Epidemiologie beim Landesgesundheitsamt. "Die Ergebnisse decken sich gut mit denen kleinerer Untersuchungen, die nicht repräsentativ sind." Am meisten freut Brockmann, "dass die Dunkelziffer ungefähr mit dem zusammenpasst, was wir vermutet haben". Dies zeige, dass Baden-Württemberg bei der Corona-Bekämpfung gut aufgestellt sei. "Jetzt bin ich auf weitere Details der Studie gespannt." Dem Hohenlohekreis bescheinigte er, bisher einen "fast vorbildlichen" Job gemacht zu haben. "Es ist an der Zeit, den Hohenlohekreis und Kupferzell als Hotspot zu begraben."
Es gibt auch Kritik
Jürgen Maurer aus Feßbach, Chef des hiesigen Bauernverbands, war unter den Zuhörern. Er ist "froh, dass die Dunkelziffer so gering ausgefallen ist". Kreisrat Ernst Kern aus Künzelsau kommentierte: "Das ist ein bisschen spärlich." Der Kupferzeller Kreis- und Gemeinderat Peter Lemke kritisierte, man hätte die Studie vom Infektionsherd Eschental aus weiter fassen müssen bis in den Kreis Schwäbisch Hall hinein: "Wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Dann wäre etwas ganz anderes herausgekommen."
Welche Ergebnisse fehlen und wie die lokale Corona-Studie im Verhältnis zu anderen Untersuchungen gesehen werden muss
Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders von Corona-Infektionen betroffen? Welche individuellen Belange spielen eine Rolle? Welche sozialen Faktoren deuten darauf hin? Welche Vorerkrankungen sind relevant? Und wie spielt das Gesundheitsverhalten insgesamt mit hinein? Allesamt spannende Fragen, die nach der ersten Auswertung der Kupferzeller Corona-Studie noch nicht beantwortet werden können. Die 2203 Teilnehmer waren ja nicht nur per Rachenabstrich und Blutabnahme auf akute Erkrankungen und Antikörper untersucht worden, sondern mussten auch einen umfangreichen Fragenkatalog zu ihrem persönlichen Lebensumfeld beantworten.
Noch in diesem Jahr soll Nachschub kommen
Wann ist mit diesen Ergebnissen zu rechnen? "So bald wie möglich", sagt Dr. Claudia Santos-Hövener - und schiebt nach: "Noch in diesem Jahr wollen wir das fertig haben." Bislang ist nur bekannt, dass bei Frauen mit 8,7 Prozent etwas häufiger Antikörper nachgewiesen wurden als bei Männern mit 6,7 Prozent. Und: Die wenigsten Fälle waren unter den 18- bis 34-Jährigen (6,3 Prozent), und die meisten unter den über 80-Jährigen (16,7 Prozent).
Insgesamt vier Testorte
Claudia Santos-Hövener leitet nicht nur die Kupferzeller Studie, sondern ist auch verantwortlich für die Untersuchungen in drei anderen Kommunen, die von der Pandemie besonders betroffen sind. Das Projekt läuft beim Robert-Koch-Institut unter dem Titel "Corona-Monitoring lokal" und ist Teil einer umfassenderen Strategie. Der zweite Studienort heißt Bad Feilnbach im Landkreis Rosenheim, dort ist die Untersuchung abgeschlossen, erste Ergebnisse werden Ende August erwartet. Ab 8. September wird ein weiteres Testzentrum im niederbayrischen Straubing eingerichtet. "Der vierte Standort steht noch nicht fest. Das entscheiden wir nach der dann aktuellen Infektionslage", erklärt Santos-Hövener.
Das sind die anderen Studien
Die Studien in den vier Corona-Hotspots sollen einerseits lokal klar abgrenzbare Rückschlüsse ermöglichen, die nur repräsentativ für diese Bereiche sind, andererseits aber auch im regional vergleichbaren Zusammenspiel aussagekräftige Erkenntnisse zeitigen. Hinzu kommen weitere Ergebnisse, die das RKI über eine Blutspende- und Kita-Studie erzielen möchte. Um am Ende dann ganz Deutschland in den Blick zu nehmen in einer breit angelegten Untersuchung, deren Schwerpunkte auf sozioökonomischen Fragen liegen wird. "Daran sollen 30.000 Einwohner in 14.000 Haushalten teilnehmen", sagt Santos-Hövener. Der Startschuss für diese umfassendste Studie könnte im Oktober oder November fallen.
Aktuelle Lage im Hohenlohekreis
Innerhalb einer Woche sind im Hohenlohekreis sechs bestätigte Coronafälle dazugekommen. "Es sind alles Reiserückkehrer", erklärt Landrat Matthias Neth. Stand 13. August gibt es damit insgesamt 798 Fälle im Kreis. In Kupferzell sind bislang 117 Fälle bestätigt. Nach den Ergebnissen der RKI-Studie liegt die tatsächliche Zahl 3,9 mal höher.
Kommentar: Es bleibt spannend
Von Yvonne Tscherwitschke
Je nach Perspektive reden die Menschen bei einem Wert von 3,9 mal mehr Infizierten von einer hohen oder niedrigen Dunkelziffer. Für die Zeitgenossen, die sich nach hundertprozentiger Sicherheit sehnen, sind fast viermal mehr Infizierte als bekannt eine beängstigende Zahl. Konkret auf Kupferzell bezogen heißt das: Statt der bis dato 117 Registrierten und Getesteten sind es ein rechnerisch 456,3 Menschen gewesen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben.
Für die Experten vom Robert Koch-Institut, die diese Zahl vor dem Hintergrund einer natürlichen Durchseuchung sehen, ist es ein geringer Wert. Einer, der Gesundheitsamts-Leiterin Dr. Antje Haack-Erdmann deutlich zeigt, dass die natürliche Immunität die anrollende zweite Welle nicht bremst. Für sie führt an Impfungen kein Weg vorbei. Für eine Herdenimmunität sind Werte zwischen 60 und 70 Prozent erforderlich. Welche Handlungsempfehlungen lassen sich von der RKI-Studie, die eine von vielen ist, für die zweite Welle ableiten? Interessante Aussagen stecken noch in den Fragebögen. Doch schon jetzt zeigt sich, dass von den Behörden nach Anlaufschwierigkeiten gut gearbeitet wurde, dass die Maßnahmen gegriffen haben. Dazu gehören auch die kleinen Dinge, die jeder tun kann, damit die Region nicht noch einmal zum Hotspot wird.