Todesfahrt in Heilbronn: In welchen anderen Prozessen es Mordurteile gegen Raser gab
Die Staatsanwältin erhebt nach dem tödlichen Unfall in der Wollhausstraße Anklage unter anderem wegen Totschlags. Der Vorsitzende Richter gibt allerdings einen Hinweis, dass Mordmerkmale vorliegen könnten. Der Bundesgerichtshof bestätigte 2020 erstmals ein Mordurteil wegen Rasens.
Unter großem öffentlichen Interesse hat am Dienstagvormittag vor dem Landgericht Heilbronn der Prozess gegen den 21-jährigen Heilbronner begonnen, der im Februar dieses Jahres in der Wollhausstraße mit beinahe 100 Stundenkilometer einen Verkehrsunfall mit einem Toten und mehreren Verletzten verursacht haben soll.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter anderem Totschlag und dreifachen versuchten Totschlag vor. Richter Alexander Lobmüller wies aber bereits zum Verhandlungsauftakt darauf hin, dass sich im Laufe der Beweisführung auch Merkmale für Mord und dreifachen versuchten Mord ergeben könnten.
Bundesgerichtshof bestätigte Mordurteil gegen Raser in Berlin
Seit 2020 können nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) Raser, die einen tödlichen Unfall verursacht haben, wegen Mordes verurteilt werden. Dabei muss ihnen das Gericht allerdings einen Vorsatz nachweisen. Der vierte Strafsenat des BGH bestätigte damals ein Urteil des Berliner Landgerichts, das im sogenannten "Berliner Raser-Fall" auf dem Kurfürstendamm erstmals in Deutschland einen Angeklagten wegen Mordes verurteilte, der einen tödlichen Unfall verursacht hat.
Da das Berliner Landgericht die Mordmerkmale der "Heimtücke und der Tötung aus niedrigen Beweggründen" rechtsfehlerfrei nachgewiesen habe, bestätigte der BGH das Urteil wegen Mordes. Zwei Jahre später bestätigte das oberste Gericht ein Urteil wegen Mordes nach einem tödlichen Raser-Unfall in München. Derzeit ist seit Juni ein Mann in Wiesbaden des Mordes angeklagt, weil der einen Raserunfall verursacht haben soll, bei dem ein Mensch gestorben ist.
Heilbronner Richter gibt Hinweis auf Mordmerkmale
Im Heilbronner Prozess vor der zweiten Großen Jugendkammer kann sich die höchstrichterliche Entscheidung ebenfalls auswirken. Zwar wirft Staatsanwältin Christiane Triaa dem Beschuldigten unter anderem Totschlag und versuchten Totschlag vor. Wenn die Richter bei der Beweisführung während des Prozesses aber zu der Überzeugung gelangen, dass der Beschuldigte bei seiner Fahrt heimtückisch gehandelt hat, könnte am Ende auch ein Mordurteil herauskommen. Einen entsprechenden Hinweis erteilte Lobmüller am Dienstag an die Prozessbeteiligten.
Laut Staatsanwältin hat der damals 20-jährige türkische Staatsbürger mit seinem BMW beim Einbiegen von der Allee in die Wollhausstraße sein Fahrzeug zunächst auf rund 70 Kilometer pro Stunde beschleunigt und dabei eine Fußgängerin auf einem Zebrastreifen gefährdet. Die Passantin hatte das zu schnell fahrende Auto des Angeklagten auf sich zukommen sehen und sei dann gerannt, um noch ausweichen können.
In Wollhausstraße ungebremst in herausfahrenden Mercedes gekracht
Unbeeindruckt davon und obwohl auf der Wollhausstraße Tempo 40 gilt, habe der Beschuldigte laut Anklageschrift sein Fahrzeug weiter beschleunigt und sei mit "mindestens 97 Stundenkilometer" ungebremst in einen Mercedes gekracht, der gerade aus einer Tiefgaragenausfahrt mit laut Staatsanwältin angemessener Geschwindigkeit in die Wollhausstraße einfuhr.
Der vom heranrasenden BMW nichts ahnende Fahrer des Mercedes starb am Unfallort. Seine Frau und die beiden Kinder trugen unter anderem Knochenbrüche und Gesichtsverletzungen davon. Die Witwe sowie die Mutter und die Geschwister des getöteten Familienvaters treten bei dem Prozess als Nebenkläger auf.
Warteschlage vor dem Gerichtsgebäude in Heilbronn
Bereits eine halbe Stunde vor Verhandlungsbeginn bildete sich am Dienstagvormittag vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes eine Warteschlange. Nicht alle Besucher fanden einen Platz im Großen Saal des Landgerichts. Zuhörer mussten abgewiesen werden. Die Justizvollzugsbeamten hatten zudem bei der Einlasskontrolle erhöhte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, weil es laut Richter Lobmüller Verdachtsmomente wegen einer Bedrohungslage gegen den Angeklagten gebe.