Vor 50 Jahren: Start für erste Fußgängerzone in Heilbronn
Der verkaufsoffene Samstag am 2. Oktober 1971 brachte der Heilbronner Innenstadt eine kleine Sensation: Zum ersten Mal gab es eine Fußgängerzone. Was zunächst als Experiment geplant war, wurde zum Vorbild für weitere autofreie Zonen. Wir werfen einen Blick zurück.
Am 2. Oktober 1971 gab es zum ersten Mal eine Fußgängerzone in Heilbronn. Probeweise zwischen 9 und 18 Uhr wurde die Fleiner Straße zwischen Deutschhofstraße und Kiliansstraße für den Autoverkehr gesperrt. Das Wort Fußgängerzone setzte die Heilbronner Stimme in Anführungszeichen, so unvorstellbar war es damals, die Autos aus der Stadt auszusperren.
Weil man zunächst Erfahrungen mit der neuen Regelung sammeln wollte, sollte das Fußgängerzonen-Experiment 1971 an den Samstagen bis Weihnachten wiederholt werden und zudem noch an mehreren Tagen im Dezember. Zur Erinnerung: Läden mussten unter der Woche um 18.30 Uhr schließen. Erst seit 1960 durfte an Adventssamstagen bis 18 Uhr eingekauft werden.
Kiliansplatz war damals noch Verkehrsknotenpunkt
Der Erfolg des Experiments im Herbst vor 47 Jahren ließ nicht nicht lange auf sich warten, und die Verwaltung reagierte prompt: Die Fleiner Straße blieb bereits im November jeden Tag vom Autoverkehr verschont. Anfangs nahmen Passanten ihre neue Zone eher zaghaft in Besitz, wie die Stimme berichtete, doch schon bald hatten sich die Bürger daran gewöhnt, sich auf der ehemaligen Fahrbahn unbehindert bewegen zu können. Der Kiliansplatz war zu diesem Zeitpunkt noch Verkehrsknotenpunkt in der Innenstadt. Der Verkehr rollte dreispurig, am Rand wurde geparkt.
"Selten wurde im Heilbronner Gemeinderat ein bedeutendes Projekt so einmütig befürwortet wie der endgültige Ausbau der Fußgängerzonen Fleiner Straße und Sülmerstraße", schrieb die Stimme im Jahr 1975. Einstimmig befürwortete das Gremium den 3,45 Millionen D-Mark teuren Ausbau der Fußgängerzone - die von der Kaiserstraße zerschnitten blieb. 25.000 Fahrzeuge rollten täglich auf der Achse. Schon damals plante man, die Kaiserstraße für den Individualverkehr zu sperren.
Was geschah, bis die Kaiserstraße autofrei wurde
Das war nicht nur das Ansinnen der Verwaltung, auch die damalige "Heilbronner Werbe- und Parkgemeinschaft" plädierte zumindest in Teilen Anfang der 70er Jahre, die Kaiserstraße so bald wie möglich zur Fußgängerzone zu machen. "Was dort geschieht, ist kriminell", zitierte die Stimme einen Einzelhändler. Während der Hauptverkehrszeiten herrsche eine "Katastrophensituation". Die Gehwege waren schmal, Passanten würden bei Regen nassgespritzt, hieß es in dem Text.
Doch auch die andere Seite kam zu Wort - mit den Argumenten, die bis heute gelten. "Bei aller Liebe zu den Fußgängern dürfen wir doch die Autofahrer nicht vergraulen", kam Juwelier Hans Luithle zu Wort. Debattiert wurde schon damals sehr grundsätzlich. Die Befürworter der Fußgängerzonen sahen eine Attraktivitätssteigerung der Innenstadt. Die Gegner fürchteten negative Auswirkungen auf die Umsätze der Händler.
Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis die Autos endgültig aus der Kaiserstraße ausgesperrt wurden. Beim Einzelhandel war das Fazit nach ein paar Monaten wenig euphorisch. 70 Prozent ihrer Kunden seien unzufrieden, ließen die Händler vermelden und sprachen von sinkender Frequenz - einhergehend mit konjunktureller Krisenstimmung und einer zunehmenden Konkurrenz für die Innenstadtläden durch neue Einkaufsmöglichkeiten auf der grünen Wiese. Über Umsatzverluste bei den Geschäften und Wochenmarkthändler von bis zu 40 Prozent berichtete die Heilbronner Stimme im Sommer 1996.
Wie sieht es gut 25 Jahre später in der Kaiserstraße aus? Einige Traditionsgeschäfte wie das Schuhhaus Walch und Intersport Saemann sind verschwunden, aber auch neue haben eröffnet. Dass der Handel dort besser dastehen würde, wenn die Kaiserstraße noch von Autos befahren wäre, das dürfte kaum jemand glauben.
Hinweis der Redaktion: Die Inhalte dieses Textes stammen aus einem archivierten Artikel aus dem Jahr 2018.



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