Krise am Bau: Drohen Folgen für die ambitionierten Pläne im Stadtteil Neckarbogen?
Im Heilbronner Neckarbogen sind derzeit 1700 Mitarbeiter von 168 Firmen mit dem Bau von 28 Wohn- und Geschäftshäusern beschäftigt, plus Schule und Parkhaus. Doch die Bauwirtschaft ist von Problemen geplagt. Hat das Auswirkungen auf die ambitionierten Pläne für den Stadtteil?

Vor vier Jahren, am 6. Oktober 2019, ging die Bundesgartenschau zu Ende – und damit ein wahres Sommermärchen. Doch im Winter kippte die Stimmung, nicht nur in Heilbronn. Corona legte die halbe Welt lahm, kaum schien diese Krise überwunden, folgten weitere: Ukraine-Krieg, Energie-Krise, Kostenexplosion. Die Bauwirtschaft liegt mittlerweile am Boden. Selbst starke Firmen kommen ins Trudeln.
Aktuell sorgt die Insolvenz des Projektentwicklers Paulus für Schlagzeilen, zumal er in der Region Heilbronn schwer aktiv ist, auch auf dem einstigen Buga-Gelände, dem Neckarbogen. Dort sollen bis 2030 Wohnraum für 3500 Menschen und 1000 Arbeitsplätze aus dem Boden gestampft werden, plus Josef-Schwarz-Schule und einem Quartiers-Parkhaus.
Krise der Bauwirtschaft: Am Neckarbogen herrscht dennoch Optimismus
Wie wirkt sich die Krise auf die ambitionierten Pläne für diesen Stadtteil der Zukunft aus? Gibt es Abstriche, Abspringer, wie ist der Stand der Dinge, wie geht es weiter? Jan Fries, bei dem als Leiter des städtischen Liegenschaftsamts die Fäden für das Jahrhundertprojekt zusammenlaufen, steht der Stimme Rede und Antwort.
Gleich vorneweg: Die Baustellen für vier Paulus-Häuser laufen laut Fries weiter, weil die hier aktive Paulus-Tochter, zu der auch die Hofkammer gehört, nicht von der Insolvenz betroffen sei. Architekt ist hier der Heilbronner Matthias Müller. Er war wie Paulus bereits im ersten Bauabschnitt aktiv, der mit 23 Musterhäusern für 600 Menschen Teil der Buga-Stadtausstellung war und laut Fries für "Nachhaltigkeit in jede Richtung" steht: gestalterisch, ökologisch, sozial.
Apropos: Trotz angespannter Wirtschaftslage werde an der hohen Sozialquote von 30 Prozent fürs ganze Gebiet nicht gerüttelt, wobei sie je nach Haus zwischen zehn und 80 Prozent liege. Auch die Qualität soll nicht leiden, trotz Lieferengpässen und Kostensprüngen. "Reibungen gehören am Bau zum Alltag, nicht erst in diesen Zeiten." Den Invest pro Gebäude schätzt Fries auf acht bis zwölf Millionen Euro.
Wechsel bei Investoren ist nichts Ungewöhnliches
Stark engagiert waren und sind im Neckarbogen die Firma Kruck und das Architekturbüro Mattes Riglewski Wahl, das dort gar in der selber geplanten "Grünen Ecke" den Firmensitz hat. Das Duo ist kürzlich mit einem weiteren Haus in den zweiten Bauabschnitt nachgerückt: für einen Freiburger Investor, der sich aus finanziellen Gründen andere Prioritäten setzt, wie es heißt.
Für Fries sind solche Wechsel nichts Ungewöhnliches. "Beim ersten Bauabschnitt hatten wir fünf davon, und das war auf dem Höhepunkt der Baukonjunktur." In solchen Fällen greife die Rangliste der - zuletzt 176 - Wettbewerbsteilnehmer. Eine stärkere Fluktuation gibt es wegen steigender Zinsen und Kosten innerhalb mancher privater Baugruppe.
Was wird wohl aus der Hauptstraße im Quartier Neckarbogen?
Derzeit sind im Neckarbogen 22 Investoren und 23 Architekten mit 28 Baustellen beschäftigt, insgesamt sogar 168 Firmen mit 1700 Mitarbeitern. "Das stellt auch logistisch eine große Herausforderung", weiß Fries. Die Baustellenzufahrt führe über die Hafenstraße, also bewusst nicht über die Bleichinselbrücke, die vom Europaplatz her in die Paula-Fuchs-Allee mündet. Über diese "Hauptstraße" des Quartiers sollte ursprünglich der Ringschluss um die Innenstadt zur Hafenstraße hergestellt werden. Ob das so kommt, ist noch offen. Weil die Bahn am Schnittpunkt Hafenbahn eine teuere Unterführung will, meinen manche, ganz auf den Anschluss verzichten zu können. Zum Mobilitätskonzept des Neckabogens würde dies durchaus passen.
Anders als in ersten Entwürfen, ist der neue Zukunftsstadtteil aber nicht ganz autofrei, aber "autoarm", wie Fries sagt. Parkplätze an der Straße sind so gut wie tabu. "Wie gut das der Aufenthaltsqualität tut, haben wir bei der Buga erlebt." Die hauseigenen Tiefgaragen reichen nur für die Hälfte der Bewohner. Gleichzeitig aber bauen die Stadtwerke ein Parkhaus mit E-Lade-Infrastruktur, Sharing-Angeboten, lokaler Energieerzeugung sowie weiterer Service-Leistungen für das Quartier. Anwohner und Besucher können derzeit - was sie zunächst vermissten - einen provisorischen gebührenpflichtigen Schotterplatz an der Jugendherberge nutzen.
Konflikt mit Eltern-Taxis ist vorprogrammiert
Teil des trimodalen Mobilitätskonzepts ist auch die blitzförmige Buga-Brücke für Fußgänger und Radler, die ab 12. Oktober den Stadtteil mit dem Hauptbahnhof verbindet, was auch für bis zu 1500 Schüler der dreizügigen Josef-Schwarz-Schule von Vorteil sein dürfte. Im Oktober sollte die Oberstufe starten, während nebenher der Ausbau für die jüngeren Schüler weiterlaufen sollte. Doch der Einzug wurde um ein Jahr verschoben, damit sich Schüler und Bauleute nicht in die Quere kommen.
Für Kritik sorgt unter Stadträten die Gestaltung der Zufahrtsstraße, weil darin Halteplätze für "Eltern-Taxen" vorgesehen sind, wobei auch hier das letzte Wort nicht gesprochen ist.
Und was bliebt vom Buga-Grün übrig?
Ein Fahrplan zur weiteren Bebauung des Stadtteils soll demnächst dem Gemeinderat vorgelegt werden, wobei an der Fertigstellung bis 2030 - trotz leichter Verzögerungen durch Corona- und Wirtschaftskrise - nicht gerüttelt werden soll. Fest steht: Während die bisherigen Häuser in Blockrandbebauung errichtet wurden, soll der Bereich zwischen den beiden Seen laut Fries "ebenfalls fünfstöckig, aber lockerer bebaut" werden. Hinzu kommen zwei Hochhäuser.
Wenn Buga-Fans beklagen, dass von den Parks nicht mehr viel übrig bleibe, betont Fries: "Erstens ist eine Gartenschau immer temporär. Zweitens war das Konzept immer klar, schließlich herrscht Wohnungsnot. Und drittens bleiben tatsächlich 17 Hektar Grünflächen, plus zwei Seen und einer neuen Neckarpromenade."