Messerangriff auf Polizei in Bad Friedrichshall: Mutmaßlicher Islamist bricht Schweigen
Im Prozess um einen Messerwurf auf einen Polizisten äußerte sich der mutmaßlich radikalisierte Angeklagte aus Bad Friedrichshall zu seinen Beweggründen. Derzeit steht er auch wegen eines anderen Verfahrens vor Gericht.
Eigentlich wollte der Angeklagte – ein mutmaßlicher Islamist, der bis zu seiner Inhaftierung in Bad Friedrichshall bei seinen Eltern und Geschwistern wohnte – im Prozess um einen Messerwurf auf einen Polizisten schweigen. Nach der zweistündigen Aussage seines Bruders im Zeugenstand entschied er sich jedoch, vor dem Landgericht Heilbronn seine eigene Version der Ereignisse zu schildern.
Wortgewandt beschrieb der 25-Jährige, wie seine Eltern die Behörden informierten, nachdem sie nachträglich von seinen gescheiterten Plänen erfahren hatten, über die Türkei nach Syrien zu reisen, um sich als Kämpfer einer Gruppierung ausbilden zu lassen. Die Einreise scheiterte, da der Kontakt zu den Schleusern offenbar nicht zustande gekommen war.
Nach mutmaßlicher Attacke auf Polizisten in Bad Friedrichshall: Drei Schüsse auf Angeklagten
Als Beamte am 3. Mai dieses Jahres zur Durchsuchung der Wohnung kamen, habe er sich eingeengt und von seiner Familie verraten gefühlt. Er habe versucht, mit vier Küchenmessern durch das Küchenfenster zu flüchten. So viele Messer seien unhandlich gewesen. „Ich bin kein Zirkusmesserwerfer“, sagte der Angeklagte vor Gericht zu dem Vorsitzenden Richter Martin Liebisch.
Als einer der Polizisten ihn aufforderte, die Messer abzulegen, habe der Angeklagte aus etwa fünf Metern Entfernung ein Messer in dessen Richtung geworfen, um ihn zu provozieren, Schüsse abzufeuern. Das Messer sei irgendwo auf dem Parkplatz der Nachbarn gelandet, so seine Schilderungen. Da es jedoch zu keinen Schüssen kam, stürmte er mit zwei weiteren Messern auf den Polizisten zu, auch hier – laut Aussage des Angeklagten – um vorzutäuschen, den Beamten angreifen zu wollen.
Der Polizist schoss anschließend – zweimal in sein Bein, einmal in den Arm. Der 25-Jährige erzählte, dass sein Plan gewesen sei, durch die Schüsse des Beamten ins Jenseits befördert zu werden. Im Islam führe Selbstmord in die Hölle, daher habe er den Tod durch fremde Hände gesucht.
Angeklagter aus Bad Friedrichshall über Schulzeit: "Ich war eine mysteriöse Person"
Vom deutschen Staat sei er enttäuscht gewesen. Wegen BAföG-Schulden habe man ihm mit Vollstreckungshaft gedroht. Privat habe er sich die meiste Zeit wie ein Klotz am Bein gefühlt. Medikamente wegen seiner ADHS-Diagnose habe er nicht vertragen.
Schon in jungen Jahren sei er ein Problemkind gewesen und habe mehrmals die Schule gewechselt, weil er immer wieder mit Klassenkameraden angeeckt sei. Er habe seine Ruhe gewollt und sei mit seinem Verhalten im Unterricht oftmals angeeckt. „Ich war eine mysteriöse Person in der Klasse.“ Die Atmosphäre sei daraufhin „ekelhaft“ geworden. Teilweise sei er gemobbt worden.
Beruflich viel ausprobiert - Nichts hat klappen wollen
Beruflich hat er scheinbar vieles ausprobiert: So soll er sich nach seinem Schulabschluss unter anderem bei der Polizei beworben haben; am Schwimmen und seiner ADHS-Diagnose sei die Bewerbung im weiteren Verlauf aber gescheitert.
Anschließend habe er als Erzieher gearbeitet und sei als Springer von Kindergarten zu Kindergarten im Einsatz gewesen. Auch habe er behinderte Menschen betreut, eine Karriere in der IT angestrebt und als Industriemechaniker gearbeitet. Er habe einmal eine Tanzschule gründen wollen. Zuletzt habe er versucht, in der Security-Branche Fuß zu fassen. Gescheitert seien die angestrebten Berufe oftmals daran, dass er kein Freitagsgebet in den Arbeitsalltag integrieren durfte oder weil es Probleme mit Vorgesetzten gab.
Angeklagter aus Bad Friedrichshall muss sich derzeit in weiterem Prozess vor Gericht verantworten
Sein Bruder, der zuvor im Zeugenstand aussagte, berichtete, dass er glaube, sein Bruder sei manisch-depressiv. Es soll Phasen gegeben haben, in denen er völlig von sich überzeugt war, und dann wieder Tage, an denen er kaum aus seinem Zimmer kam. Etwa sechs Monate vor der Tat soll es begonnen haben, dass er im Schnitt einmal die Woche seinem Bruder gegenüber geäußert habe, nicht mehr leben zu wollen. Irgendwann habe er Zuflucht in der Religion gesucht, „was ich anfangs gut fand.“ Aber irgendwann habe eine Spaltung zwischen den Brüdern stattgefunden. Immer wieder sollen Aussagen gefallen sein, die ihn schockierten.
Der Angeklagte stand am Freitag (15. November) nicht zum ersten Mal vor Gericht. Bereits am Morgen fand ein Prozessauftakt vor der 15. Großen Jugendstrafkammer des Heilbronner Landgerichts statt. Der Bad Friedrichshaller sowie zwei weitere Angeklagte hatten offenbar geplant, am 1. Mai dieses Jahres einen Mordanschlag zu verüben. Dabei wollten sie laut Anklage in einer Synagoge in Heidelberg oder Frankfurt am Main mindestens eine Person töten.