Protesttage gegen Lidl in Heilbronn: so verlief die Podiumsdiskussion
Linke Aktivisten haben in Heilbronn zu Protesttagen gegen Lidl und die Machtkonzentration im Einzelhandel aufgerufen. Im Sozialen Zentrum Käthe fand dazu eine Podiumsdiskussion statt – mit welchen Resultaten?
Jan-Felix Thon, Gemüsebauer und Vorstand der Kooperativen Landwirtschaft Leipzig, hat es mal ausgerechnet. „Um das Vermögen von Dieter Schwarz in Pistazieneis zu verbrauchen, müsste ich jeden Tag 1,5 Millionen Kugeln essen.“ Dass ein einzelner Mensch so viel Geld hat wie die unteren 20 Prozent der Bürger in Deutschland, „geht einfach nicht mehr klar“. Die Kampagne „Unser Lidl“ hat zum Auftakt der Protesttage gegen Lidl in Heilbronn zu einer Podiumsdiskussion ins Soziale Zentrum Käthe eingeladen. Das Thema: „Lidl lohnt sich – aber für wen eigentlich?“.
Zu viel Macht bei Lidl und Co.? Podiumsdiskussion in Heilbronn
„Herzlich willkommen in der Dieter-Schwarz-Stadt“, begrüßt Moderatorin Hanna Fuhrbach die gut 70 Gäste, die gekommen sind, süffisant. Letztlich wird es um viel mehr als den Discounter gehen, nämlich allgemein um die problematische Machtkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), um Lebensmittelverschwendung, hohe Mieten, Arbeitsbedingungen in der Produktion und im Handel sowie die Idee, wie durch eine Vergesellschaftung, etwa durch Genossenschaften, die Verteilung von Lebensmitteln und Erträgen gerechter verteilt werden kann.
Auf dem Podium sitzen dazu Florian Vollert, Kreissprecher der Linken, Sozialwissenschaftler und ehemaliger Supermarktmitarbeiter Matthias Neumann, Lebensmittelretterin Stefanie Tyson und eben Jan-Felix Thon. Der stellt fest, dass Bauern schon immer über die schlechten Preise jammern.
Die Ursache dafür sieht er in der Handelsstruktur, der Macht weniger Konzerne inklusive der verarbeitenden Industrie. „Die machen im Vorjahr Verträge, dann musst du liefern, egal wie, dabei kommt der Mensch unter die Räder, von der Ökologie ganz zu schweigen.“ Deswegen wird denn auch das meiste Gemüse auf dem Acker fortgeworfen, da jeder Landwirt zur Sicherheit mehr anbaut.
Macht von Lidl und Co.: Mehr Mitbestimmung im Lebensmittelhandel als Lösung?
Die Märkte selber sind inzwischen viel zu effizient, als dass da verschwendet wird, betont auch Matthias Neumann. Effizienter Wareneinsatz, inklusive der Mitarbeiter, ist das höchste Gut, um im Wettbewerb bestehen zu können. Dadurch entstehe ein hoher Arbeitsdruck.
Stefanie Tyson schweift in Richtung Bäckersterben ab, dessen Grund mit in den Backstationen der Märkte liege. Die Zahl der Bäckerei-Betriebe sinkt seit Jahren. „Es ist halt praktisch, dann wird auch gekauft.“ Durch die wohl auch aufgrund der großen Arbeitgeber in Heilbronn stark gestiegenen Mieten müssten Bäckergesellen inzwischen 47 Prozent ihres Lohns fürs Wohnen ausgeben. „Das ist nicht gerecht.“
Mehr Mitbestimmung, etwa in Form von Räten und Genossenschaften ähnlich wie Koop in Schweden, kann sich Thon als Ausweg vorstellen, eine Art Ökosozialismus. Als zwei Zuhörer ihre Zweifel an der Funktionalität anmelden, werden sie von den anderen regelrecht niedergebügelt.
Florian Vollert landet denn wieder bei Dieter Schwarz und dessen Stiftung, die zwar viel Geld in Heilbronn investiere, durch die Ansiedlung etwa des Ipai womöglich aber die Mieten nach oben treibe. „Da findet noch keine Diskussion statt“, bemängelt er. Bei Überreichen und ihren Stiftungen brauche es generell andere Besteuerungen und Regularien. Wie Händler und Bürger vom Ipai profitieren können, war jüngst tatsächlich Thema beim Stimme-Forum „Im Fokus“ im Wertwiesenpark.
          
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