Laut Statistik von Frank Sautter habe es zuletzt 1435 produzierende Bäckerbetriebe in Württemberg gegeben, mit rund 31,5 Beschäftigten pro Betrieb. Anfang der 2000er-Jahre seien es noch rund 2300 Betriebe gewesen - aber mit nur rund 21 Beschäftigten pro Betrieb. Daraus ergibt sich ein vergleichsweise geringer Personalrückgang von rund 48.000 Beschäftigten in der Branche auf rund 45.000 - bei gleichzeitigem Rückgang der Bäckereibetriebe um mehr als ein Drittel.
Zahl der Bäckerei-Betriebe sinkt seit Jahren: "Ein Stück Individualität geht verloren"
Das bevorstehende Aus der Öhringer Bäckerei Discher bewegt die Menschen. Droht das Ende des traditionellen Backhandwerks? Gar ein Bäckereien-Sterben? Der Landesinnungsverband ordnet die Lage ein.

Das bevorstehende Aus für die Bäckerei Discher in Öhringen zieht immer größere Kreise: Selbst überregionale Medien wie der SWR und sogar der Münchener Merkur berichten mittlerweile darüber, wie der 53-jährige Bäckermeister mit vier gut gehenden Filialen in Öhringen, Hardthausen-Gochsen und Langenbrettach-Brettach das Handtuch wirft, weil er nach eigenem Bekunden die gestiegenen Kosten, überbordende Bürokratie und den Personalmangel nicht mehr stemmen kann. Ende August soll der Ofen ausgehen.
Bäckerei Discher in Öhringen schließt – und noch mehr Betriebe?
Mehrere weitere Bäcker in Hohenlohe haben seitdem in Gespräche in unserer Redaktion mitgeteilt, dass sie ebenfalls mit dem Gedanken spielen, über kurz oder lang aufzuhören. Einen Nachfolger hat bis dato keiner von ihnen gefunden, weil es nicht zuletzt an Nachwuchs in der Branche fehlt.
Warum häufen sich Bäckerei-Schließungen derzeit? Ist das ein spezielles Problem in der Region? Oder ist es symptomatisch für eine große Bäcker-Krise im ganzen Land, was das Interesse überregionaler Medien an Öhringen erklären könnte? Die Hohenloher Zeitung hat mit dem Geschäftsführer des Landesinnungsverbands für das Württembergische Bäckerhandwerk gesprochen und ihn gefragt: Droht ein Bäckereien-Sterben?
Zahl an Bäckerei-Betrieben sinkt – dafür sind es immer mehr Beschäftigte pro Betrieb
„So kann man das nicht sagen“, weist Frank Sautter Gerüchte über das drohende Ende einer Handwerkszunft zurück. Um gleich darauf zuzugeben: „Ja, es gibt einen Konzentrationsprozess.“ Die Zahl der Bäckerbetriebe nehme seit Jahren kontinuierlich ab, und das sei keine gute Entwicklung, denn „damit geht ein Stück Individualität verloren. Weil jeder Backwaren macht, die sonst kein anderer auf die gleiche Weise backt.“ Nicht zuletzt verschwänden mit den Filialen auch Nahversorger und soziale Treffpunkte, was besonders bedauerlich sei, wenn der letzte Bäcker im Dorf zumache.
Gleichzeitig zitiert Frank Sautter aus Statistiken, die zeigten, dass die Mitarbeiterzahl pro Betrieb sogar zunehme. Soll heißen: Größere Betriebe füllten in vielen Fällen die Lücke, die durch Betriebsschließungen entstünden. Oftmals übernähmen Ketten oder regionale Betriebe zumindest einen Teil der Filialen, belieferten diese aus ihrer Backstube heraus und beschäftigten zumindest das Verkaufspersonal weiter.
Probleme im Bäckerhandwerk: „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“
Das ändere freilich nichts an den Problemen, unter denen das Bäckerhandwerk leide: „Wir haben derzeit ein relativ großes Personalproblem.“ Dazu kämen in den vergangenen Jahren gestiegene Kosten in der Produktion, von Rohstoffen über Energie bis Personalkosten. Der Preisdruck habe sich zwar etwas abgeschwächt, „er ist aber immer noch da“.
Bürokratie als Belastung hingegen kenne man „schon seit Jahren“. Diese habe kontinuierlich zugenommen und das Maß dessen, was an Kontrolle und Regulierung nötig sei, weit überschritten. Als „unnötig“ bezeichnet Sautter einen Großteil der Auflagen: „Während man eigentlich in der Backstube jede Hand braucht, verbringt der Bäckermeister viele Stunden im Büro.“ Schon seit Jahren arbeiteten Lebensmittelhandwerker unter diesen Belastungen, aber verbunden mit dem Personalmangel sei dies nun für viele der „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.
Wobei bei Bäckern, die schließen, häufig mehrere Gründe für ihre Entscheidung zusammenkämen: Das Alter der Inhaber zum Beispiel oder ihre Gesundheit. „Bei Betriebsaufgaben kommen immer mehrere Faktoren zusammen“, weiß Frank Sautter.
Droht das Ende des Bäckerhandwerks? Innungs-Chef hat eine klare Meinung
Ist damit das Ende des traditionellen Bäckerhandwerks gekommen? Mitnichten, findet der Geschäftsführer des Landesinnungsverbands. Das Bäckerhandwerk habe sich in der Vergangenheit immer wieder neu erfunden und werde das mit Sicherheit auch in der Zukunft tun. Viele Betriebe „fahren mehrgleisig“ mit einem Café, Frühstück oder einem Gastro-Zweig oder hätten „Nischen, die sonst niemand betreibt“. Manche beschäftigten mittlerweile extra angeworbene Fachkräfte aus Indien oder Vietnam.
Manch ein Bäcker wie der Großbetrieb Mack aus Westhausen bei Ellwangen verkauft seine Backwaren nicht nur in eigenen Filialen in Öhringen, sondern dort auch in Discountern. Vor letzteren hat Sautter ohnehin keine Angst, auch wenn schon lange der Tod des Handwerks durch die Backindustrie vorhergesagt werde: „Handwerksbäcker bedienen mit regionalen Produkten eine ganz andere Schiene“ und höben sich nicht zuletzt durch Qualität vom Industrieprodukt ab. Die Discounter hätten zwar „großen Schäden“ fürs Handwerk angerichtet, aber die Befürchtungen hätten sich „nicht bewahrheitet“. Daher schließt Frank Sautter optimistisch: „Ich habe durchaus Hoffnung, dass auch in Zukunft das Handwerk mit guten Betrieben und tollen Produkten bestehen wird.“

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