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Bäcker Discher in Öhringen schließt: Droht ein Bäckereien-Sterben in Hohenlohe?

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Die Bäckerei Discher in Öhringen schließt zu Ende August. Viele Kunden bedauern das Aus. In der Branche geht die Angst vor dem Beginn eines Bäckereien-Sterbens auf dem Land um: Es kursieren bereits weitere Namen


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Die Bäckerei Discher schließt zu Ende August: Diese Schlagzeile sorgte vor wenigen Tagen für Aufregung in Öhringen. Bäckermeister Andreas Discher steigt aus dem Geschäft aus, schließt neben den beiden Häusern in Öhringen auch seine Filialen in Hardthausen und Langenbrettach. Wie kommt diese Nachricht bei den Kunden an? Die Redaktion hat sich vor dem Stammhaus in der Öhringer Poststraße umgehört.

Stammkunde von Bäcker Discher trauert: Nirgends sei es günstiger

„Es ist einfach schade“, findet Heinrich Brehm aus Neuenstein. Obwohl er schon seit Jahren nicht mehr in Öhringen wohnt, kommt Brehm noch fast jeden Tag per Rad oder Bahn in die Stadt, um seinen Stamm-Bäcker zu besuchen. „Ich kannte die Bäckerei schon unter Adolf Hammel“, dem Vorbesitzer, „mit dem war ich in der Feuerwehr“, schwelgt Heinrich Brehm, der auch Heimatreporter auf meine.stimme.de ist, in Erinnerungen.

Discher sei „ein nettes, kleines Café“, richtig gemütlich: „Hier ist nicht so ein Trubel wie bei anderen Bäckern.“ Und vor allem: „Hier ist es am preisgünstigsten. Preislich ist Discher sehr gut.“ Er habe noch eine Kundenkarte, auf der er für 50 Euro Einzahlung 55 Euro Guthaben erhalten habe. Die muss Brehm nun schnell aufbrauchen: „Aber keine Sorge, die kriege ich weg!“

Gelegenheitskäufer sagt: Schade für Vielfalt, aber es gibt trotzdem noch viele Bäcker

Felix Keim sieht das Ganze nicht ganz so emotional. Er ist aus Bad Friedrichshall nach Öhringen zugezogen, teilt nicht die Nostalgie der Eingesessenen. Natürlich sei es schade um jeden Laden, der schließe: „Damit geht ein Stück Vielfalt verloren. Jeder Bäcker hat so seine Spezialität.“ Bei Discher sei vor allem die Seele sehr gut. Gleichzeitig sei Öhringen mit so vielen verschiedenen Bäckern gesegnet, dass es beinahe „Luxus“ sei. So viele Back-Handwerker gebe es in Bad Friedrichshall nicht.

Als Nachfolger von Adolf Hammel ist Bäckermeister Andreas Discher eine Institution in Öhringen. Doch zu Ende August 2025 schließt er alle Filialen und zieht sich aus dem Geschäft zurück.
Als Nachfolger von Adolf Hammel ist Bäckermeister Andreas Discher eine Institution in Öhringen. Doch zu Ende August 2025 schließt er alle Filialen und zieht sich aus dem Geschäft zurück.  Foto: Büchele, Torsten

Keim schaut auch, dass er diese Vielfalt honoriert, indem er regelmäßig zu einem anderen Bäcker gehe: „Ich schaue, dass ich gut durchmische.“ Diese Unterstützung fürs Handwerk vor Ort sei ihm wichtig, denn „das Bäckerhandwerk ist nichts, was man digitalisieren kann“. Man könne Backwaren nicht im Internet kaufen wie so viele andere Dinge. „Ich wäre auch nicht bereit, mir meine Brötchen aus einem Automaten herauszulassen.“ Sorgen macht sich Felix Keim vor allem um die Nahversorgung in Gochsen und Langenbrettach: „Dort hat es ja sonst nichts außer den Bäcker.“

Nach Bäcker-Schließung in der Stadt: Droht ein Bäckereisterben auf dem Land? 

Kosten, Personalmangel, Bürokratie: Discher nennt viele Gründe, warum kleine Lebensmittelhandwerker es heutzutage schwer haben. Der Obermeister der Metzgerinnung Harald Hohl sprach kürzlich gegenüber stimme.de von einem regelrechten „Metzgersterben“. Droht nun analog dazu ein Bäckersterben, besonders auf dem Land? Der Obermeister der Bäckerinnung Hohenlohe, Eberhardt Glück aus Schwäbisch Hall, möchte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern - man merkt, dass es für ihn ein heikles Thema ist. Nur so viel gibt er preis: Nach Schätzungen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks werde die Zahl an Bäckerbetrieben in Deutschland in den nächsten fünf Jahren deutlich abnehmen.

Discher jedenfalls befürchtet ein Bäckereien-Sterben auch in der Region – und nennt als Beispiele für Bäcker, die ebenfalls ans Aufhören dächten, seine Kollegen Jutta und Klaus Gockner in Niedernhall sowie Martin Diefenbacher in Unterheimbach bei Bretzfeld.

Klaus Gockner in Niedernhall bestätigt, dass er in absehbarer Zeit seinen Ruhestand vorbereite. Ein Datum will er auf Nachfrage nicht publik machen. Die Sorgen der Niedernhaller Bäckerei, die es seit 80 Jahren gebe: Man bekomme kein Personal mehr, „selbst wenn man mehr zahlt“, und eine stark gestiegene Pacht. „Es liegt nicht daran, dass wir nicht schaffen wollten“, sagt seine Frau. Doch ihr Mann werde bald 60 und arbeite seit 44 Jahren sechs Tage die Woche in der Backstube. Er müsse an seine Gesundheit denken. Sollte der Vermieter auf hohen Pachtforderungen bestehen, dürfte es für ihn schwierig werden, Nachfolger zu finden.

Sollte der Vermieter auf seine hohen Pachtforderungen bestehen, dürfte es schwierig werden, einen Nachfolger zu finden – ein Rückschlag fürs Kocherstädtchen, das zu Jahresbeginn das Ziel ausgerufen hatte, den Einzelhandel im „Städtle“ wiederzubeleben.

Das sind die Probleme der kleinen Läden auf dem Land

Martin Diefenbacher in Unterheimbach gibt sich am Telefon auskunftsbereit - und teilt seine Sorgen, dass im 1100-Seelen-Dorf am Fuße des Schwäbisch-Fränkischen Waldes irgendwann der letzte Händler schließt. Zwei Metzger und einen weiteren Bäcker habe er im Dorf schon gehen sehen, Post und Bank, und nun ist seine Bäckerei mit kleinem Lebensmittelladen das letzte Geschäft in Unterheimbach. Diefenbacher ist über 60, wie mittlerweile viele Inhaber kleiner Bäckereien, und ein Nachfolger sei nicht in Sicht. „Und ich mache das nicht bis 75“, kündigt er an.

Seine Probleme: Die Leute kauften heute fast ausschließlich in den Discountern weiter unten im Brettachtal. Ihm fehle es aber nicht nur an Kunden, sondern er finde auch kaum noch einen Lieferanten für diese Kleinmengen an Ware, die er abnehme: „Die großen Firmen wollen große Gebinde verkaufen.“ Sollte ein Mindestlohn von 15 Euro kommen, stünde er alleine in seinem Geschäft: Das könne er ihn nicht bezahlen. Diefenbachers Betrieb laufe deshalb noch, weil sich Bäckerei und Dorfladen quersubventionierten. Dass jemand diese spezielle Konstellation übernehme, wenn er sich zur Ruhe setze, da macht sich Diefenbacher keine Illusionen: „Ich sehe ja selbst, dass das nicht mehr funktioniert“. Dass dann auch ein Stück Dorfkultur sterbe, ein Ort wo man sich austausche, das sieht er nicht ganz so: Ein Großteil des Dorfes komme ja eh nicht mehr zu ihm. Dieses Stück Dorfkultur sei also bereits tot. Warum Martin Diefenbacher trotzdem immer noch täglich hinter der Kasse seines Dorfladens steht? „Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen.“ Wir lange er es noch tun kann oder will? Darauf gibt er keine konkrete Antwort.

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