Heilbronner Metzgerlegende "Fittich" Schmidt hängt die Schürze an den Haken
Karl-Friedrich Schmidt, den Freunde und Kunden „Fittich“ nennen, hängt mit 88 Jahren seine Metzgerschürze an den Haken. „Ich habe von Wurst und Fleisch gelebt“, sagt der Menschenfreund, aber auch vom Fußball.
Der mutmaßlich älteste noch aktive Metzgermeister weit und breit, Karl-Friedrich Schmidt, der noch mit 88 Jahren jeden Vormittag scheinbar unverwüstlich an seiner Verkaufstheke in Heilbronn stand, hängt die Schürze an den Haken. Diese Woche war sein letzter Arbeitstag. Etliche der vielen Stammkunden vermissen den stets freundlichen Gentleman jetzt schon.
Heilbronner Metzgerlegende Karl-Friedrich Schmidt geht mit 88 Jahren in Ruhestand
„Also mir tut das richtig weh, da geht eine lange Tradition zu Ende“, meint etwa Willi Schwarz, als er sich am Mittwoch bei seinem Fußballfreund, den alle von klein auf „Fittich“ nennen, zum letzten Mal zwei Rindsrouladen mit Ochsenmaulsalat besorgt. „Er hat mal sowas angedeutet, aber dass es schon jetzt soweit ist, überrascht mich doch sehr“, sagt Stammkundin Regine Losberger, die Fittich auch vom Tennis her als großen Sportsmann kennt. „Wo kauf ich in Zukunft bloß mein Fleischkäsweckle?“, fragt nicht nur Ingrid Dörr, die in der Nachbarschaft eine Boutique betreibt. Prompt ruft es von hinten: „Wir machen ja nicht ganz zu.“

Fittichs Sohn Jürgen Schmidt wird die Traditionsmetzgerei an der Heilbronner Herbststraße weiterführen. Wobei der Juniorchef inzwischen halt auch schon 63 Jahre auf dem Buckel hat und seinen Eintritt ins Rentenalter wohl nicht so lange auf die lange Fleischerbank schieben dürfte wie sein Vater. Der hatte bereits anno 1960 zusammen mit seinem Zwillingsbruder Eberhard die Geschäftsführung von den Eltern Karl und Anna übernommen.
Metzgerei Schmidt in Heilbronn bleibt trotz Ruhestand des Seniors bestehen
„Das Geschäft gibt es jetzt in vierter Generation“, berichtet Karl-Friedrich Schmidt, streicht sich über die weiße Schürze und deutet auf zwei schön gerahmte Fotos, die in seinem Personalraum hängen. Das eine zeigt die Betriebsgründer David und Rosa Schmidt, also seine Großeltern, das andere eine historische Straßenszene mit Oldtimer, Drahtesel und Menschen im Sonntaggewand vor dem damaligen klassizistischen Gebäude an der Herbststraße. „Beim Bombenangriff am 4. Dezember 1944 ist unser Haus zerstört worden, ich war damals sieben Jahre alt“, berichtet Schmidt senior. Es folgt sein typisches „Pass auf!“ „Wenn mein Vater nicht rechtzeitig Alles raus! gerufen hätte“, wäre er wohl wie etliche andere im Luftschutzkeller erstickt.

Der kleine Fittich fand in der Ruinenstadt bald wieder Freude am Leben – und vor allem am Fußball. Vor ziemlich genau 80 Jahren stieß der begnadete Straßenfußballer zum VfR Heilbronn. In der A-Jugend wurde der junge Spielmacher mit der Nummer 10 sogar vom VfB Stuttgart entdeckt. „Aber dann musste ich die Metzgerei übernehmen, das war damals wichtiger. Außerdem ist da ganz schön was gelaufen“, berichtet der tüchtige Geschäftsmann, der damals als einer der ersten Caterer überhaupt „die ganze Hautevolee“ im Heilbronner Osten belieferte, aber auch etliche Vereinsfeste bis hin zum Erlenbacher Weinfest und dem Heilbronner Weindorf, wo er und sein Sohn zwischenzeitlich sogar einen eigenen Imbiss-Stand führten. Nicht zu vergessen: Fittichs legendäre Stadionwurst. Wenn einer zu ihm sagt, er habe sich damals eine goldene Nase verdient, widerspricht der knitze Herr nicht.
Heilbronns ältester Metzgermeister beendet seine Berufslaufbahn: „Bis auf die Salami machen wir alles selber“
Als seine Spezialitäten nennt Karl-Friedrich Schmidt Spießbraten, den er sich im Urlaub bei österreichischen Kollegen „abgeguckt“ habe, aber auch Maultaschen, „die wir wie eigentlich alles bis auf die Salami selber machen“. Am stärksten nachgefragt seien wegen der vielen Schüler und Mittagspäusler naturgemäß Fleischküchle und Fleischkäswecken gewesen. Aber auch der wechselnde Mittagstisch, den Köchin Maria stets frisch zubereitete, sei „gut gelaufen“. Zum Abschied gab es übrigens Hühnergeschnetzeltes mit Nudeln und Gemüse.

Persönlich, so sagt der 88-Jährige, „mag ich eigentlich alles. Man kann sagen: Ich habe nur von Fleisch und Wurst gelebt“. „Einmal hat mir eine Ärztin geraten, wegen der Gesundheit darauf zu verzichten. Da habe ich ihr gesagt, wie alt ich bin. dann hat sie gesagt: Machen sie so weiter.“
Zwischen Tennisplatz, Seniorenheim und Stammtischen: Ruheständler „Fittich“ bleibt aktiv
Warum er denn in der Metzgerei nicht weitermache und was er denn nun den ganzen Tag schaffen wolle? In erster Linie werde er jetzt ganz für seine geliebte Ehefrau Rosemarie (85) da sein, die er bis vor kurzem noch daheim pflegte, ehe er einen Platz im Seniorenheim fand. Dorthin radelt er jeden Tag. Nicht nur das halte ihn fit. Jede Woche spielt er am Trappensee Tennis. „Ich war da früher richtig gut.“
Fit und jung halten ihn nicht zuletzt fünf verschiedene Stammtische, wo er sich am liebsten über alte Zeiten und Fußball austauscht. VfR-Heimspiele im Stadion lässt sich Karl-Friedrich Schmidt ebensowenig entgehen wie den großen Profi-Fußball auf Pay-TV-Sendern. Auf dem Laufenden hält ihn auch dies: Die tägliche Lektüre der Heilbronner Stimme.
Nachwuchsmangel und Bürokratie: Die Fleischerinnung warnt vor Metzgersterben
Immer mehr Metzger hören auf. Manche sprechen sogar von einem regelrechten „Metzgersterben“. So zählt die Fleischerinnung Heilbronn, Hohenlohe und Schwäbisch Hall in dem Gebiet der entsprechenden Stadt- und Landkreise noch insgesamt 78 Betriebe. „Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, waren es noch 180 – damals ohne Schwäbisch Hall“, berichtet Innungsmeister Harald Hohl aus Obersulm. Gründe für den Schwund seien vor allem der Nachwuchs- und Fachkräftemangel. „Wer will schon sieben Tage arbeiten und sich immer mehr mit der Bürokratie rumärgern?“
Aber auch der hohe Kosten- und Konkurrenzdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel, wie etwa der aktuelle Preis-Dumping-Kampf von Lidl und Aldi machten den Metzgern zunehmend zu schaffen. „Dabei laufen die Geschäfte bei den meisten gut“: in den 110 Verkaufsstellen im Innungsgebiet, aber auch durchs Catering für Feste, Firmen und private Gesellschaften.