Wie Stimme-Leser die Proteste der „Letzten Generation“ beurteilen
Mit Straßenblockaden sorgen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ für öffentliche Aufmerksamkeit. Damit wollen sie auf den drohenden Klimakollaps hinweisen und Politiker zu mehr Klimaschutzmaßnahmen zwingen. Wir wollten von unseren Lesern wissen, ob sie diese Proteste für angemessen halten. Hier kommen Ihre Meinungen.
Seit Anfang 2022 sorgen Mitglieder der „Letzen Generation“ mit Straßenblockaden bundesweit für Aufmerksamkeit. Dabei kleben sie sich meist mit den Händen auf der Straße fest und legen damit den Autoverkehr lahm. Immer gut sichtbar sind ihre Transparente, die auf eine bevorstehende Klimakatastrophe hinweisen. Die Organisation kündigte am Mittwoch (19.04.) an, den Verkehr in großen Teilen Berlins lahmzulegen. Die Sprecher der „Letzten Generation“ betonen stets, friedlich zu protestieren – niemand solle zu Schaden kommen.
Die Organisation legte im Februar und im März diesen Jahres die Neckarsulmer Straße in Heilbronn lahm. Darauf folgte am Montag (17.04.) die Verurteilung mehrere Mitglieder wegen Nötigung durch das Heilbronner Amtsgericht.
Welche Forderungen stecken hinter den Protesten?
Die Protestierenden sehen sich nach eigenen Angaben gezwungen, mit Blockaden auf den drohenden Klimakollaps vor Augen zu führen und die Politik zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Konkret gehe es darum, "einfache Maßnahmen" wie ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern umzusetzen, sagt Lina Johnsen, Pressesprecherin der "Letzten Generation". Ziviler Ungehorsam, um den dringend notwendigen Klimaschutz zu erzwingen.
Wie beurteilen die Stimme-Leser die Proteste der „Letzten Generation“?
Wir wollten in einer Umfrage von Stimme-Lesern wissen, wie sie die Proteste der „Letzten Generation“ beurteilen. Viele beteiligten sich an der Umfrage. Von „Straftaten durch Terroristen, die hart zu sanktionieren sind“ bis „absolut angemessen“ ist alles vertreten.
Schauen wir zunächst auf die Argumente jener, die die Proteste verurteilen. Viele Kommentierende wollen anonym bleiben. „Straftaten sind nicht mit Klimaschutz zu rechtfertigen“, schreibt ein Leser. Ein anderer ist der Meinung, mit dieser Art des Protests werde genau das Gegenteil erreicht. „Das eigentliche Thema gerät in den Hintergrund. Die Mehrheit der Bürger hat mit den Auswirkungen des Protest kein Verständnis. Es spaltet die Gesellschaft.“
Dabei sind die Gründe für die meisten Kommentierenden nachvollziehbar. So schreibt Heidi Bänsch: „Es bedarf massiver Proteste und Aktionen, ja. Aber sie sollten die treffen, die es zu entscheiden haben und zwar im Rahmen demokratischer Möglichkeiten.“ Ähnlich formuliert es ein anderer Stimme-Leser: „Richtig ist, dass der Verkehrsminister Wissing nichts unternimmt, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Ein Tempolimit von 120/130 Stundenkilometern bundesweit wäre in Ordnung." und weiter "Die letzte Generation ist linksextrem und gehört vom Verfassungsschutz überwacht".
Ein Kommentator ist der Meinung, die Ziele würden eben nicht jegliche Mittel rechtfertigen. Gedanklich sei das "der Ursprung von Totalitarismen und Diktaturen“.
Ein Leser bewertet die Proteste wie folgt: „Wir leben zum Glück in einem Land, in dem es möglich ist, seinen Protest oder Zustimmung auf unterschiedliche Art zu artikulieren. Das ist weltweit eine echte Errungenschaft. Diese Freiheit zulasten anderer Menschen einzusetzen, sie belehren zu wollen und ihre Freiheit bewusst einzuschränken, entspricht nicht unserer Demokratie. Das ist unsozial und sollte nicht geduldet werden - nicht durch uns und den Staat".
Simon Kober schreibt: „Die Aktivisten aktivieren damit allerhöchstens den Zorn der Mehrheitsgesellschaft und torpedieren damit das eigentliche Ziel. Das sollte sein, möglichst viele davon zu überzeugen, dass wir uns alle mehr anstrengen und unser Verhalten anpassen, bevor die Umwelt mit Dürren und anderen Extremen uns dazu zwingt“.
Marcel Wurst gibt den Klimaaktivisten in der Sache Recht, die Proteste sieht er kritisch: "Klimaschutz ist wichtig und für unsere Politik ist Klimaschutz immer nur ein Nebenschauplatz. Energiekrise und plötzlich sorgt eine Regierung mit grüner Beteiligung dafür, dass Kohlekraftwerke hochgefahren werden und die Laufzeit von AKWs verlängert wird. Der Umweltschutz steht hinten an. Aber sich deshalb auf die Straße kleben halte ich für die falsche Methode. Besser wäre es, sich an Regierungsgebäude oder Politiker direkt zu kleben".
Unterstützer
Einige Leser pflichten der „Letzten Generation“ bei. Eine Leserin schreibt: „Die Beweggründe reichen definitiv für den Protest aus. Die Politik bricht Gesetze und setzt sich über das Bundesverfassungsgericht hinweg“. Sie vergleicht die Proteste mit den Warnstreiks im öffentlichen Verkehr: „Als die Busse und Bahnen vor Kurzem bestreikt wurden, kam kein Aufschrei, obwohl mehr Menschen genötigt oder gefährdet wurden - wegen mehr Geld. Man muss sich hier vor Augen führen, weswegen hier jeweils demonstriert wird. Ob nun das Mittel geeignet ist, kann diskutiert werden. Fakt ist aber, dass Demos wie FFF offensichtlich weder bei der Politik noch der Bevölkerung was bewegten. Der Glaube an die Vernunft der Menschen und der Politik ist offensichtlich vergeblich".
Ähnlich argumentiert Thomas Frieder: „Sie (die Klimaaktivisten) setzen sich mit ihren Protestaktionen dafür ein, dass von der Regierung eingegangene Verträge eingehalten werden. Diese Einhaltung einzufordern ist eigentlich die Aufgabe aller gesellschaftlich Verantwortlichen. Es ist skandalös, dass dies nicht passiert und stattdessen die Protestaktionen selbst und nicht die Inhalte aufgegriffen werden.“
Ein Leser zeigt auf Protestformen anderer Gruppen und wundert sich, weshalb da der öffentliche Ärger deutlich ruhiger ausfällt: „Kein Protest ist angenehm, denn genau darum geht es. Wenn die DB streikt, fahren keine Busse und Züge, wenn die Bauern streiken, bleiben die Regale leer, wenn Klinikpersonal streikt, leidet die Patientenversorgung darunter. Wenn Aktivisten für das Klima streiken, sind die Straßen blockiert. Wieso gibt es hierfür Haftstrafen und so starken Gegenwind? Werden Bahnfahrer zu hohen Geldstrafen oder Haftstrafen verurteilt, wenn ich nicht zur Arbeit komme? Eher nicht. Wieso also bei Klimaaktivisten, die Straßen blockieren? In meinen Augen wird hier nur vom eigentlichen Thema abgelenkt und die Situation verdrängt“.