Klimaaktivisten der "Letzten Generation" halten Training im Heilbronner Gewerkschaftshaus ab
Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" haben im Heilbronner Gewerkschaftshaus ein Training abgehalten - dabei ging es auch ums Verhalten bei Protestaktionen. Unter den Rednerinnen war eine Frau, die in dieser Woche vom Amtsgericht verurteilt worden war. Die DGB-Regionsgeschäftsführerin bezieht gegenüber der Stimme Stellung.

Die sogenannte "Letzte Generation" hat am Dienstagabend einen Vortrag und ein Protesttraining im Gewerkschaftshaus in Heilbronn durchgeführt. Unter den Rednerinnen war auch eine Frau, die am Montag (17. April 2023) vor dem Amtsgericht Heilbronn neben zwei anderen Angeklagten zu einer Haftstrafe von mehreren Monaten verurteilt wurde. Das ist in Deutschland bislang das erste Urteil mit einer verhängten Haftstrafe.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, weshalb das Gewerkschaftshaus die Räume an die "Letzte Generation" vermietete. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wollte sich nicht äußern und verwies auf die Regionsgeschäftsführerin Silke Ortwein. Sie sei über die Zusage an die Aktivisten "todunglücklich". "Ich wollte dabei sein und mit den Teilnehmern ins Gespräch kommen." Aus terminlichen Gründen habe sie die Veranstaltung nicht besuchen können.
Protestteilnehmer sind organisiert
Bei dem einstündigen Vortrag lasen zwei Frauen der "Letzten Generation" über Klimawandel, Kipppunkte, verfehlte Klimaziele und -katastrophen vor. Insgesamt nahmen sechs Interessenten an der Veranstaltung teil.
Nach einer kurzen Pause erklärte ein Aktivist, wie sich Teilnehmer auf eine Protestaktion vorbereiten, wie sie sich verhalten, wenn Autofahrer aggressiv reagieren und was sie tun, wenn sie von der Polizei angesprochen werden und vor einem Richter stehen. Vor Ort sind die Protestteilnehmer organisiert. So gibt es neben den Klebern Ansprechpartner für die Presse und jemanden, der die Gruppenleitung übernimmt.
In praktischen Übungen erklärte der Aktivist, wie man sich mit Sekundenkleber auf die Straße klebt und in welcher Körperhaltung man sich von der Polizei wegtragen lässt. Er wies darauf hin, keine spitzen Gegenstände und kein Handy mitzunehmen. Das Mobiltelefon könne eventuell ausgelesen werden. "Und nichts bei der Polizei unterschreiben", sagte er. Das Protesttraining dauerte gut 90 Minuten.
Die "Letzte Generation" fordert ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für die Deutsche Bahn. Eine Anfrage an die "Letzte Generation" am Mittwochmittag (19. April 2023) zur Veranstaltung am Dienstagabend blieb unbeantwortet.
Unkenntnis über verurteilte Rednerin
Inhaltlich könne sie die Forderungen der Klimaaktivisten gut verstehen, erklärt Ortwein. Die Umsetzung kritisiere sie. Dass unter den Rednerinnen auch eine zu einer Haftstrafe verurteilte Aktivistin dabei war, habe sie nicht gewusst. Die Anfrage sei lange vor der Gerichtsverhandlung an das Gewerkschaftshaus gestellt worden. Dass sie nach dem Gerichtsurteil die Veranstaltung absage, sei für die 60-Jährige nicht infrage gekommen. "Ich stehe zu meinem Wort. Auch, wenn ich nicht glücklich bin damit."
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel (67) erklärt, dass es die Entscheidung des Vermieters sei, an wen dieser seinen Saal vermiete. Er hatte die Klimaaktivisten bislang zwei Mal zu Gesprächen ins Rathaus eingeladen und ihnen angeboten, dass sie ihr Anliegen dem Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbeirat vorbringen können. Eine Rückmeldung stehe allerdings noch aus.
Aktivisten bleiben vorerst auf freiem Fuß
Obwohl einzelne Klimaaktivisten der "Letzten Generation" vom Amtsgericht Heilbronn zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden sind, bleiben sie zumindest vorerst auf freiem Fuß. In erster Instanz ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Verurteilten können innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen. Deren Anwälte müssen die Rechtsmittel innerhalb eines Monats begründen.
Je nachdem, ob sie in Berufung gehen oder Revision einlegen, wird das Amtsgerichtsurteil entweder vor dem Heilbronner Landgericht komplett neu aufgerollt oder vom Oberlandesgericht Stuttgart auf Verfahrensfehler hin geprüft. Erst wenn letztinstanzlich eine Haftstrafe ohne Bewährung ausgesprochen ist, müssen die Verurteilten ins Gefängnis. Bis dahin gelten sie nach deutschem Recht als unschuldig und nicht vorbestraft.
Info: Schon einmal hatte die Redaktion der Heilbronner Stimme versucht, bei einem Protesttraining der sogenannten "Letzten Generation" dabei zu sein. Der Redakteur wurde an der Tür abgewiesen. Die Recherche im Gewerkschaftshaus fand deshalb inkognito statt. Ein Protesttraining ist in großen Teilen öffentlich als Video auf der Internetseite der "Letzten Generation" zu finden.