Mitglieder der "Letzten Generation" sind zu Haftstrafen verurteilt, sitzen aber nicht im Gefängnis
Staatsanwältin Mareike Hafendörfer erklärt das weitere Verfahren nach den Gerichtsverhandlungen gegen Klimaaktivisten der "Letzten Generation". Den Verurteilten stehen zwei Rechtsmittel zur Verfügung: Berufung oder Revision.

Silke Ortwein, Regionsgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), wollte der sogenannten "Letzten Generation" ein Forum bieten. Deshalb hatte die Hausherrin des Gewerkschaftshauses der Anfrage der Klimaaktivisten zugestimmt und einen Raum zur Verfügung gestellt. "Das kommt nicht gut an. Das ist schlecht gelaufen", sagt die 60-Jährige am Tag danach. Sie habe mit den Mitgliedern diskutieren wollen, aus terminlichen Gründen sei es ihr aber nicht möglich gewesen. Dass die Veranstaltung öffentlich war, habe sie nicht gewusst. Sonst hätte sie nicht zugestimmt, erklärt sie.

Die "Letzte Generation" hatte am Dienstagabend (18. April 2023) im Gewerkschaftshaus einen Vortrag und ein Protesttraining abgehalten. Einen Tag zuvor standen Mitglieder vor dem Amtsgericht in Heilbronn.
Erneut Haftstrafen ohne Bewährung
Bereits am 6. März wurden zwei Klimaaktivisten der "Letzten Generation" zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt. Sie verließen das Gericht dennoch als freie Männer. Noch am selben Tag blockierten sie zum zweiten Mal die Neckarsulmer Straße in Heilbronn. Am vergangenen Montag (17. April 2023) dann sprach Richterin Julia Schmitt (35) erneut Haftstrafen ohne Bewährung gegen drei Mitglieder der Gruppierung aus. Auch sie mussten nicht ins Gefängnis gehen.
"Bei einer Verurteilung durch das Amtsgericht als erste Instanz stehen den Verurteilten grundsätzlich zwei Rechtsmittel zu: Berufung oder Revision", sagt Pressestaatsanwältin Mareike Hafendörfer. Machen die Verurteilten und deren Anwälte davon Gebrauch, geht das Verfahren in die nächste Instanz. Das Urteil des Amtsgerichts ist damit nicht rechtskräftig. Die Verurteilten gelten vorerst weiterhin als unschuldig und nicht vorbestraft.
Prozesse wurden im beschleunigten Verfahren geführt
Im Falle einer Berufung wird der Prozess vor dem Landgericht Heilbronn komplett neu aufgerollt. Wann der Verhandlungstermin angesetzt wird, entscheidet der Geschäftsplan des Gerichts. Beim Amtsgericht wurden die Prozesse im beschleunigten Verfahren geführt. Das bedeutete, dass zwischen der vorgeworfenen Tat und der Verhandlung nur wenige Wochen liegen. Bei einem Landgerichtsprozess gilt das beschleunigte Verfahren nicht mehr. Bis es zu einer Neuauflage des Prozesses gegen die Aktivisten kommt, könnten deshalb mehrere Monate vergehen.
Sollte das Landgericht die Haftstrafen ohne Bewährung bestätigen, müssen die Verurteilten noch immer nicht ins Gefängnis. Denn auch gegen dieses Urteil können sie Revision einlegen. In diesem Fall würde das Oberlandesgericht Stuttgart die Verhandlung auf Verfahrensfehler überprüfen. Dasselbe gilt, wenn die Verurteilten nach dem Richterspruch des Amtsgerichts in Revision gehen würden. Auch dann landet der Fall vor dem Oberlandesgericht, um auf Verfahrensfehler hin überprüft zu werden.
Würden die Aktivisten letztinstanzlich zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt, würden sie trotzdem nicht sofort verhaftet werden. "Ist jemand in Freiheit zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, wird der Verurteilte zunächst von der Vollstreckungsbehörde zum Strafantritt geladen", sagt Mareike Hafendörfer. Vollstreckungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft. "Kommt der Verurteilte dem nicht nach, können Zwangsmaßnahmen wie zum Beispiel ein Vollstreckungshaftbefehl erlassen werden", so die Heilbronner Pressestaatsanwältin weiter.