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Weinkritiker Knoll im Heilbronner Weindorf: "Württemberg verkauft sich unter Wert"

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Deutschlands bekanntester Weinkritiker und -autor Rudolf Knoll macht einen Abstecher aufs Heilbronner Weindorf. Am Dienstag nimmt er an einer verdeckten Weinprobe teil. Wo steht die Region in der Wein-Bundesliga?

Auf dem Heilbronner Weindorf werden 345 Weine und 25 Sekte ausgeschenkt.
Auf dem Heilbronner Weindorf werden 345 Weine und 25 Sekte ausgeschenkt.  Foto: Seidel, Ralf

Er zählt zu den bekanntesten Weinkritikern und -autoren Europas. Im November erscheint sein Buch über den Wein im Heilbronner Land. An diesem Dienstag schaut Rudolf Knoll im Weindorf vorbei.

 

Herr Knoll, Sie nehmen an der verdeckten Weinprobe teil. Öffentlich. Ist das nicht etwas riskant?

Rudolf Knoll: Nun, verdeckte Weinproben mache ich übers Jahr hinweg seit 30 Jahren sehr häufig. Da geht's dann meistens um Qualität und nicht ums Erkennen von Rebsorten, was etwas schwieriger ist. Wobei es auch darauf ankommt, welche Rebsorten aufgetischt werden. Bei neuen tust du dich schwerer. Bei klassischen Sorten sollte es eine leichte Pflichtübung sein.

 


 

Was machen Sie, wenn Sie am Ende voll daneben liegen würden?

Knoll: Sicher wäre das eine Blamage. Aber man kann ja auch mal einen schlechten Tag erwischen. Ich muss nach Heilbronn ein paar Stunden Auto fahren, kann erschöpft ankommen. Das ist wie beim Fußball. Wenn einer zuletzt nicht in Bestform war, weiß man nicht, wie es ausgeht.

Waren Sie eigentlich schonmal auf dem Weindorf? Wie gefällt es Ihnen, auch im Vergleich zu anderen Festen?

Knoll: Ich bin nicht unbedingt ein klassischer Weinfestgänger. Hier in Heilbronn war ich aber schon einige Male, so zum Durchspazieren, aber auch zum Schauen, was es hier zum Essen gibt. Da hat sich viel getan. Man hat den Mut, Internationales und sogar Exotisches anzubieten. Das tut dem ganzen Fest sehr gut.

 


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Die meisten greifen trotzdem auf die Wurst zurück, was passt dazu?

Knoll: Grauburgunder würde ich sagen oder auch eine rote Cuvée.

 

Und Trollinger?

Knoll: Der würde auch passen, zumindest wenn's ein guter ist, aber da gibt es heute ja viel mehr als noch vor zehn Jahren. Früher war er noch der Massenwein, dann hat man erkannt, dass das nicht mehr verkäuflich ist und sich angestrengt. Wer sich wirklich um Erntereduzierung kümmert und dem Wein viel Sorgfalt im Keller schenkt, kann auch gute, interessante Weine aus Trollinger herausholen.

 


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Was darf eine Flasche Wein kosten?

Knoll: Ein Einstiegswein für sieben, acht Euro und einer vernünftigen Qualität ist seriös. Württemberg verkauft sich unter Wert. Nehmen sie den Trollinger Ursprung von der Genossenschaftskellerei. Der kostet knapp unter sechs Euro und ist deutlich mehr wert.

 

Sie sind der bekannteste Weinautor Deutschlands und bringen im November ein Buch über den Wein im Heilbronner Land auf den Markt.

Knoll: Heilbronn nimmt darin eine Hauptrolle ein, die Weingeschichte, der Weinbau, seine Güter und Besonderheiten. Das hat unheimlich Spaß gemacht, weil ich viele Weingüter kennengelernt habe, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt und feststellen durfte: Die machen ja richtig spannende Weine und haben auch sonst ein gutes, breites und vielseitiges Sortiment.

 

Wo steht die Region in der Wein-Bundesliga?

Knoll: Qualitativ gesundes Mittelfeld, preislich sogar ein bisschen weiter vorn, weil das Preis-Leistungsverhältnis ausgezeichnet ist.

 


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Wie erklären Sie sich, dass das Remstal gegenüber dem Unterland scheinbar die Nase vorn hat?

Knoll: Die sind bei Wettbwerben aktiver und erpicht, möglichst weit vorne zu landen. Da gibt es Betriebe, die andere mitziehen. Solche Lokomotiven gibt es hier zu wenige, da kann man im Heilbronner Land und in Hohenlohe noch mehr brauchen.

 

Wo sehen Sie Defizite, wo Potenzial?

Knoll: Bei der Qualität kann man immer mehr machen, manche dümpeln noch vor sich hin wie vor 20 Jahren. Bei anderen hat sich aber viel getan, weil Junge nachgerückt sind und das Potenzial besser genutzt wird. Auch den Öko-Weinbau kann und muss man weiter forcieren. Heutige Weintrinker werden immer anspruchsvoller. Darauf muss man reagieren.

 


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Viele Winzer klagen derzeit über den stark rückläufigen Weinverkauf, jetzt ist sogar schon von Destillation die Rede, wie denken Sie darüber?

Knoll: Die Destillation von Wein gibt es seit Jahrzehnten, da wir jedes Jahr weltweit 20 Millionen Hektoliter Überschuss produzieren. Betroffen sind Spanier, momentan die Franzosen mit Bordeaux, die Italiener sowieso immer, zuletzt auch die Österreicher. Das ist schade, man müsste schon bei der Ernte ansetzen. Aber ich glaube nicht, dass Deutschland und speziell Württemberg dieses Jahr Kandidat für die Destillation ist, weil die Natur nicht so mitgespielt hat. Es wird wohl viel Fäulnis geben, wodurch die Erntemenge niedriger ausfällt, weil man auch rausschneiden muss, um reintönige Weine zu bekommen.

 

Weinkritiker Rudolf Knoll .
Weinkritiker Rudolf Knoll .  Foto: Dielmann

Wo wird wohl die Reise hingehen, auch angesichts des Klimawandels?

Knoll: Die Politik redet immer nur über Klimaschutz, tut aber nichts, also muss das von den Winzern selbst kommen. Da ist der Bio-Weinbau eine Teillösung, die noch mehr um sich greifen darf.

 

Und für Profile und Bewirtschaftung?

Knoll: Das nächste Jahr kann wieder ganz anders ausfallen. Früher hat man schwierige Jahrgänge regelrecht vergewaltigt. Heute müssen sich Winzer viel mehr kümmern um den Weinbau, aber auch um die Kellerarbeit. Guten Wein zu machen, wird immer aufwendiger.

 


Zur Person: Rudolf Knoll

Rudolf Knoll, Jahrgang 1947, war lange Chefredakteur des Vinum-Magazins, mit dem er den Deutschen Rotweinpreis erfand. In 40 Jahren hat der gebürtige Münchner 60 Weinbücher verfasst, im Herbst folgt ein neues über Wein im Heilbronner Land.

 
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