Was der Impfstopp in den USA für die deutsche Impfkampagne bedeutet
Die USA stoppen die Impfung mit dem Vakzin von Johnson & Johnson. Der Schwaigerner Impfarzt Ulrich Enzel erklärt, was das für die deutsche Impfkampagne bedeutet. Er fordert, möglichst vielen Menschen eine Erstimpfung zu verabreichen.

Am Montag erst bestätigte die EU-Kommission, dass der Hersteller Johnson&Johnson mit den Impfstoff-Lieferungen an die EU begonnen hat. Am Dienstag kamen dann ernüchternde Nachrichten aus den USA: Die Behörden dort haben die Aussetzung von Impfungen mit dem J&J-Vakzin empfohlen, nachdem es zu Blutgerinnseln bei Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren gekommen war. Der Schwaigerner Arzt Ulrich Enzel ordnet die Lage ein.
Beim Impfstoff von Astrazeneca ist es zu ähnlichen Vorfällen gekommen. Das Produkt von Johnson&Johnson ist auch ein Vektorimpfstoff. War also mit solchen Problemen zu rechnen?
Ulrich Enzel: Die Vermutung ist, dass die Fehlregulierungen bei den Blutplättchen, die in Zusammenhang mit den Astrazeneca-Impfungen aufgetreten sind, mit dem Vektor zusammenhängen. Insofern macht es schon Sinn, dass beim Vektorimpfstoff von J&J dieselben Probleme beobachtet werden. Das könnte übrigens auch für den russischen Impfstoff Sputnik V gelten, der aus zwei Vektoren besteht. Aber an Daten aus Russland ist derzeit kaum ranzukommen.
Zur Person: Dr. Ulrich Enzel (73) war Kinderarzt in Schwaigern. Er engagiert sich heute bundesweit in Sachen Impf-Aufklärung.
Was bedeuten die Nachrichten aus den USA für die Impfkampagne in Deutschland?
Enzel: Nichts Gutes. Die USA wollten auch unter ihrem neuen Präsidenten Joe Biden unbedingt mit einer schnellen Impfung punkten. Ein hohes Tempo ist auch notwendig, denn die USA melden derzeit enorm viele Neuinfektionen – 68?000 waren es am Montag. Wenn dieses Land also jetzt die Verimpfung des in den USA produzierten Impfstoffs stoppt, ist das absolut ernst zu nehmen. Zumal die amerikanischen Zulassungsbehörden meist längst nicht so kritisch sind wie die deutschen.
Bis Ende Juni sollten 50 Millionen Dosen des J&J-Präparats an die EU geliefert werden.
Enzel: Ja, und der Impfstoff versprach durchaus Vorteile – er ist leicht zu lagern und zu transportieren und man braucht nur eine einzige Dosis. Insofern ist er eigentlich ideal für die Verimpfung in Arztpraxen geeignet.
Die Ständige Impfkommission wird auf die Nachrichten aus den USA reagieren müssen. Womit rechnen Sie?
Enzel: Ich bin mir sicher, dass die Stiko-Verantwortlichen alarmiert sind und schnell reagieren werden. Wir haben zwei klare Risikozuordnungen: weiblich und jung.
Was muss Ihrer Meinung nach nun geschehen?
Enzel: Wir müssen so schnell wie möglich impfen und dafür alle vorhandenen Impfdosen einsetzen. So viele Menschen wie möglich sollten die erste Impfung bekommen. Denn auch nach der ersten Dosis ist ein gewisser Schutz vorhanden. Den brauchen wir angesichts der dritten Welle dringend. Die Briten haben das so gemacht – und jetzt öffnen sie wieder bei Inzidenzen unter 35.
Die Briten hatten auch mehr Impfstoff zur Verfügung.
Enzel: Das ist so ärgerlich! Wir könnten auf demselben Stand wie Großbritannien sein, wenn Deutschland und die EU nicht so viele Fehler gemacht und so zögerlich gehandelt hätten – zum Beispiel in Sachen Produktionshilfen für Biontech.