Großer Bedarf für Long-Covid-Behandlungen
In Bad Rappenau gibt es ein Reha-Angebot für Long-Covid-Patienten, dort wurden bisher 40 Patienten behandelt. Die Ludwigsburger Ambulanz schließt wegen großem Patientenaufkommen vorübergehend.
Bis zu 400.000 Menschen könnten nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vom Long- oder Post-Covid-Syndrom betroffen sein. Es umfasst mehr als 200 Symptome, darunter Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen aber auch Haarausfall oder den Verlust des Geruchssinns. Bis zu 15 Prozent der an Covid-19-Erkrankten entwickeln laut DGP Long Covid. Von Post Covid, also länger als drei Monate andauernden Beschwerden, die nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen sind, sind etwa zwei Prozent betroffen.
Behandlungsstrukturen befinden sich erst im Aufbau
Das Wissen um die Erkrankung sei noch gering, Behandlungsstrukturen befänden sich im Aufbau. "Wir müssen in alle Richtungen aufklären", sagte Christian Gogoll von der Lungenklinik Berlin-Buch bei der Vorstellung einer von der DGP erarbeiteten Patientenleitlinie für Betroffene und Angehörige. Es gehe darum, Hausärzte besser über die Krankheit zu informieren und zusätzlich Netzwerke von Fachärzten zu deren Unterstützung aufzubauen.
"Wir müssen mit Hilfe der Politik Strukturen schaffen, um Patienten wohnortnahe Angebote machen zu können", sagte Christian Taube von der Deutschen Lungenstiftung. Auch die Telemedizin könne dabei hilfreich sein. Etwa 350 Long- und Post-Covid-Ambulanzen gibt es derzeit laut DGP in Deutschland, viele davon im Umfeld von Universitätskliniken oder in großen Städten. Im ländlichen Raum existierten jedoch kaum Angebote, so Taube.
SLK-Kliniken planen derzeit keine Long-Covid-Ambulanz
An den SLK-Kliniken gibt es nach Auskunft einer Sprecherin keine Überlegungen, eine Post-Covid-Ambulanz einzurichten. Die RKH-Kliniken haben ihre Ambulanz am Klinikum Ludwigsburg vorübergehend vom Netz genommen. "Es kamen ungeahnt viele Patienten", sagt ein Sprecher. "Der Bedarf ist definitiv da." Die Kapazitäten der Abteilung mit zwei Ärzten und externen Fachärzten als Kooperationspartner reichten nicht aus, um dem Aufkommen gerecht zu werden.
Patienten müssen Geduld mitbringen
Eine medikamentöse Therapie von Long oder Post Covid existiert bislang nicht, Physiotherapie und Reha-Maßnahmen können jedoch helfen, Beschwerden zu lindern. Bis zu einer Besserung vergehe häufig viel Zeit, so DGP-Präsident Torsten Bauer: "Nach durchgemachter Erkrankung wieder zu genesen kann Wochen dauern." Patienten sollten daher "geduldig sein und die eigenen Ziele nicht zu hoch stecken". Die gute Nachricht: "Die Lunge regeneriert sich in der Regel wieder, das ist nur ein sehr langer Prozess."
Leitlinien für die Reha existieren bislang nicht
Peter Trunzer, Chefarzt der Mediclin-Kraichgau-Klinik in Bad Rappenau, hat früh ein Konzept für die Rehabilitation von Post- und Long-Covid-Patienten entwickelt. 40 Erkrankte waren bislang bei ihm. Es handelt sich um zum Teil erschütternde Fälle: Menschen, die aufgrund ihrer Atemnot nicht mehr sprechen und wegen Muskelschwäche nicht mehr gehen können. Leitlinien für die Reha gebe es noch keine, sagt Trunzer. "Die Erforschung läuft." Er und sein Team profitierten allerdings von ihrer Erfahrung mit Patienten nach Chemotherapie oder mit Fibromyalgie, da gebe es Überschneidungen. Wichtig sei, dass alle Kostenträger die Arbeit der Kliniken würdigen: "Die Deutsche Rentenversicherung hat noch nicht erkannt, das Post und Long Covid eigenständige Erkrankungen sind."
Von den DGP-Experten hieß es, eine vollständige Impfung sei der beste Schutz: Selbst bei Impfdurchbrüchen sei eine Post-Covid-Infektion "mit verschwindend geringem Anteil" zu erwarten.
Studie im Land
Derzeit läuft an den Universitätskliniken im Land eine Studie zu Long Covid. Sie soll mehr über Beschwerden und Behandlungsmethoden herausfinden. Dazu wurden im Raum Tübingen, Heidelberg, Ulm und Freiburg Fragebögen an Menschen verschickt, die an Covid-19 erkrankt waren. Im September wurden die Fragebögen ausgewertet und ausgewählte Betroffene in die Kliniken zur Untersuchung eingeladen. Dabei wurden für die Vergleichbarkeit auch Menschen ohne langanhaltende Beschwerden untersucht. Wann die Ergebnisse vorliegen, ist noch nicht bekannt.