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Hausverbot für Politiker: Plakat-Aktion eines Ludwigsburger Wirts sorgt für Aufsehen

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Ein Gastronom aus Ludwigsburg erteilt Olaf Scholz und anderen Mitgliedern der Bundesregierung Hausverbot. Ein Wirt aus Bad Rappenau springt dem Kollegen zur Seite. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Sorgt mit seiner Aktion für Aufsehen: Ralph Wagner, Wirt im Brauhaus Ludwigsburg.
Sorgt mit seiner Aktion für Aufsehen: Ralph Wagner, Wirt im Brauhaus Ludwigsburg.  Foto: Alexander Hettich

Erst der Kleine Kiepenkerl in Münster, jetzt auch Lokale in Baden-Württemberg: Wirte, die Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen Mitgliedern der Bundesregierung Hausverbot erteilen, gehen gerade durch die Presse. Zu besonders drastischen Worten greift dabei Ralph Wagner vom Brauhaus Ludwigsburg und dem Applaus in Kornwestheim. Am Ludwigsburger Brauhaus hängte er ein Plakat mit den Bildern von Politikern und dem Titel "Haus und Bewirtungsverbot" auf. Dazu die Formulierung: „Aufgrund von asozialem Verhalten und der Vernichtung von Existenzen und Arbeitsplätzen.“ Wagner erklärt seine Aktion gegenüber der Stimme: "Auf gut Deutsch: Die verarschen uns." 

 

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Was Gastronomen aktuell so wütend macht, ist, dass der Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants 2024 wieder auf 19 Prozent steigt. Während der Corona-Pandemie senkte die Politik den Satz auf sieben Prozent. Dieser ermäßigte Satz gilt weiterhin für Speisen zum Abholen. Auch diese Ungleichbehandlung erzürnt Wirte. "Mich stört zum Beispiel die Kurzfristigkeit", sagt Wagner. 2024 ist nicht mehr fern. "Das hat ja auch etwas mit Arbeitsaufwand zu tun, wir müssen zum Beispiel Kassen umstellen." Der Großteil der EU-Länder hätte zudem einen geringeren Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie. 


Mehrwertsteuer für Speisen im Restaurant wieder bei 19 Prozent: Wirt genervt vom "Rumgeeiere" 

Martin Kübler, Heilbronner Dehoga-Kreisvorsitzender, hat zwar kein Hausverbot für Politiker ausgesprochen, doch er äußert Verständnis für den Kollegen aus Ludwigsburg. "Wenn Scholz oder seine Kabinettsmitglieder meine Mitarbeiter wären, würde ich ihnen kündigen. Wenn ich betrogen und angelogen werde, dann ist das keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit." 

Kübler bezieht sich auf eine Aussage von Scholz aus dem September 2021, als der damalige Kanzlerkandidat über die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes sagte: "Das schaffen wir nie wieder ab." Der 61-Jährige erkennt nun seitens der Politik "ein Rumgeeiere wie zur Corona-Krise", als Lokale kurzfristig schließen mussten, "obwohl Essen für die Reservierungen von Gästen längst eingekauft war". 

Auch für Wagner ist die Scholz-Aussage Stein des Anstoßes. "Der Bundeskanzler verspricht etwas und schafft es dann doch nicht. Mich stört die Ungerechtigkeit. Andere Branchen werden subventioniert mit Millionen und Milliarden." Der 56-Jährige fürchtet, dass sich Gäste einen Restaurantbesuch irgendwann nicht mehr leisten können. "Dann bleibt die Gastronomie-Branche auf der Strecke. Dabei sollte man dieses Kulturgut doch pflegen."  


Was, wenn Olaf Scholz und anderen nun plötzlich bei Kübler im Golfclub-Restaurant in Bad Rappenau anklopfen? "Auch ich bin gerade nicht scharf drauf, dass der Bundeskanzler zu mir zum Essen kommt. Vermutlich würde ich ihn zwar hereinlassen, mich dann aber verabschieden." Explizit erwähnt der Gastronom zudem Ricarda Lang, die kürzlich ebenso wie Scholz in Heilbronn bei einer Stimme-Veranstaltung zu Gast war. Aufgrund ihrer "ideologischen Verblendung" wäre sie nicht gerade Küblers Lieblingsgast. "Ich bin mir sehr sicher, dass kein Wirt diese Menschen gerade gerne empfängt." 

Mehrwertsteuer wieder bei 19 Prozent: Preiseerhöhung in der Gastronomie

Die "unkalkulierbaren Rahmenbedingungen" sind das, was ihm und seinen Kollegen zu schaffen machen. "Jeder hockt da und wartet, welche Kröte wir als nächstes schlucken müssen." Durch die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erwartet Kübler eine Preiserhöhung bei seinen Speisen von 15 bis 20 Prozent. Denn weitere Faktoren spielen beim Preis mit hinein. "Ich habe erste Schreiben von Lieferanten erhalten, die wegen höherer Lkw-Mautgebühren einen Lieferzuschlag verlangen." Angenommen ein Schnitzel kostet aktuell 15 Euro, so wären es im neuen Jahr zwischen 2,25 Euro und drei Euro mehr. Eine pauschale Besteuerung von zehn Prozent, egal ob man im Lokal isst oder die Speise zu Hause verzehrt, hält er für die fairste Variante. 

"Wir Wirte haben keine stabilen Rahmenbedingungen und auch der ganz normale Gast hat aktuell eine unkalkulierbare Kostensituation, zum Beispiel gerade beim Thema Heizen", sagt Kübler. Zunächst einmal müsse das eigene Haus warm sein, dann werden Weihnachtsgeschenke gekauft – wo bleibt da Geld übrig für den Restaurantbesuch, fragt sich der 61-Jährige. In der in diesem Jahr späten und kurzen Adventszeit hat sein Restaurant letztmals am dritten Adventssonntag geöffnet, anschließend geht es in die Winterpause. "Platz hätten wir für die Bundesregierung, möchten sie aber nicht hier haben." 

Hausverbot für Politiker per Plakat verkündet: Gemischte Reaktionen auf Aktion eines Ludwigsburger Wirts

Marco Angas vom Dehoga-Kreisverband Ludwigsburg äußert gegenüber der Stuttgarter Zeitung übrigens eine andere Sichtweise als Kübler. "Im Grunde kann jeder sagen, was er denkt – und jedem Hausverbot geben, dem er will – wir sollten aber konstruktiv bleiben. Wir sollten uns als Branche von Stammtischparolen distanzieren." Auch auf der Facebook-Seite vom Brauhaus Ludwigsburg kommt das Plakat unterschiedlich an. "Hoffentlich folgen noch viele Gastwirte mit diesem Verbot", schreibt einer. "Wenn ich so einen Mist sehe: Jetzt erst recht 19 Prozent", ein anderer. 

Ralph Wagner berichtet gegenüber der Heilbronner Stimme von überwiegend positiven Rückmeldungen auf seine Aktion. "Ein Metzger aus der Gegend ist vorbeigekommen und hat mir als Dank zwei Packungen Maultaschen auf die Theke gelegt." Dass es in den sozialen Netzwerken auch zu Hasskommentaren bekommen ist, "war nie Sinn und Zweck der Sache", betont der Gastronom. "Es gibt immer irgendwelche Idioten, die unter der Gürtellinie schreiben. Ich bin offen und ehrlich, aber bitte mit Niveau." 

Nach einer Woche hat der 56-Jährige das Plakat am Brauhaus abgehängt. "Auf mehrfachem Wunsch, auch von meiner Verpächterin. Und weil ich mein Personal schützen wollte." Seine Meinung zur Bundesregierung hat sich aber nicht geändert. 

 

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