Was sich beim Führerschein 2024 ändern könnte – Kritik aus der Region
Auf EU-Ebene wird derzeit über neue Führerscheinregeln diskutiert. Die Forderungen sorgten bereits für Wirbel. Auch Experten aus der Region äußern sich kritisch.

Auf EU-Ebene wird derzeit über neue Führerscheinregeln diskutiert. Der Vorstoß der französischen Grünen-Abgeordneten Karima Delli sorgt für Wirbel. Ihrer Meinung nach sollen Fahranfänger künftig nicht schneller als 110 Kilometer pro Stunde fahren sowie keine Fahrzeuge von mehr als 1,8 Tonnen lenken dürfen. Von Nachtfahrverboten sowie verpflichtend medizinischen Tests ist die Rede. Die Reaktionen aus Deutschland sind überwiegend kritisch, auch in der Region.
Verkehrsrechtsexperte Dieter Roßkopf sieht geplante Führerscheinregeln kritisch
„So geht das nicht“, sagt etwa Dieter Roßkopf, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Heilbronn. „Fahren lerne ich nicht, indem ich es nicht darf.“ Auch Fahranfänger sollen normal am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. „Wo kriegen sie sonst die Erfahrung her?“ Möglichst viele Verbote führen nicht automatisch zu mehr Sicherheit, so der Anwalt. Fahranfänger dürfe man nicht ausschließen, im Gegenteil: „Man muss sie unterstützen.“ Mit begleitendem Fahren ab 17 oder Fahrsicherheitstrainings erziele man bereits große Erfolge. Handlungsbedarf sieht Dieter Roßkopf dagegen im Bereich Drogen- und und Alkoholkonsum sowie unangepasster Geschwindigkeiten.
Raser-Prozesse in Heilbronn mit jungen Männern auf der Anklagebank sorgen für Aufregung
Letzteres ist auch in der Region regelmäßig Thema. Im Februar dieses Jahres raste ein 20-Jähriger auf der Heilbronner Wollhausstraße mit rund 100 Stundenkilometern in einen Mercedes. Der Fahrer starb noch an der Unfallstelle. Der junge Mann steht derzeit vor Gericht. Sein Bruder wurde kürzlich wegen eines illegalen Straßenrennens unter anderem zu Freizeitarrest verurteilt. Mit einem Audi S8 (Neupreis: rund 100.000 Euro) soll er unter anderem 230 Stundenkilometer auf der Neckartalstraße von Neckarsulm nach Heilbronn gefahren sein. Erlaubt waren 100.
Wie können sich junge Menschen, die die Schule besuchen oder eine Ausbildung machen, solche kostspieligen Autos leisten? Der Verteidiger des angeklagten Bruders, Konstantin Matzner, sagt: „Häufig ist es so, dass sich Menschen für so ein Auto bis zur Dachkante verschulden.“ Sportwagen dieser Art würden teilweise auch als Statussymbol gesehen. Manchmal seien sie auch ein Geschenk von Eltern an ihre Kinder nach einer Scheidung. „Dann sind die Kinder erstmal ruhiggestellt.“
Menschen werden in Grundrechten eingeschränkt
Von verschärften Regeln für Fahranfänger hält Giovanni Marino, Chef der gleichnamigen Öhringer Fahrschule, wenig: „Da würden Menschen in ihren Grundrechten eingeschränkt.“ Auch praktisch berge das Probleme: „Wenn junge Fahrer keine Autos über 1,8 Tonnen mehr fahren dürfen, bekommen wir ein Problem, wenn wir den Übergang in die E-Mobilität schaffen wollen.“ Elektrische Fahrzeuge seien eben schwerer als vergleichbare Verbrenner.
Wie sollen junge Leute im Winter nach Feierabend nach Hause kommen?
„Nicht ganz durchdacht“ findet Markus Bernhardt die Vorschläge. Er leitet das Fahrlehrerbildungszentrum Heilbronn und ist selbst Fahrlehrer. Im Winter sei es um sechs Uhr früh stockdunkel und abends nicht lange hell. „Wie sollen jungen Menschen dann zur Arbeit oder nach Feierabend nach Hause kommen?“ Mit einem Fahrverbot freitags und samstags ab Mitternacht könnte sich der Fahrerlehrer eventuell anfreunden. Um Unfälle auf dem Heimweg von der Disco zu reduzieren.
Das Polizeipräsidium Heilbronn äußert sich nicht zu den Vorschlägen. Bei Vorträgen des Präventionsteams sollen junge Menschen erkennen, warum Regeln im Straßenverkehr wichtig sind und dass Verstöße gegen diese Konsequenzen nach sich ziehen, erklärt eine Sprecherin. „Jungen Fahrern sollen die problematischen Grenzüberschreitungen und mögliche Folgen vor Augen geführt und damit ein Umdenken erreicht werden.“
So äußert sich die Politik zu den Ideen der Grünen-Politikerin Delli. „Deutschland wird den Vorschlägen in dieser Form nicht zustimmen“, sagt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Sie wettern „gegen individuelle Mobilität“, kritisiert auch CDU-Europaabgeordneter Jens Gieseke. Und Jan-Christoph Oetjen (FDP) sagt: „Wir werden alles daransetzen, dass diese unsinnigen Vorschläge nicht in den Gesetzestext kommen.“


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