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Daten des Unfallfahrzeugs ausgewertet
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Heilbronner Raser-Prozess: Todesfahrer bei Aufprall zwischen 97 und 105 km/h schnell

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Am vierten Verhandlungstag sprechen Sachverständige über den Zustand des Unfallfahrzeuges. Außerdem will die Anwältin den Reifegrad ihres Mandanten feststellen lassen. Er könnte dadurch womöglich nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.

Im Februar verursachte der Angeklagte in der Heilbronner Wollhausstraße einen schweren Autounfall, bei dem ein Familienvater starb. Er war viel zu schnell unterwegs.
Im Februar verursachte der Angeklagte in der Heilbronner Wollhausstraße einen schweren Autounfall, bei dem ein Familienvater starb. Er war viel zu schnell unterwegs.  Foto: Seidel/Kunz, Montage: HSt

Als der Notarzt am 12. Februar am Unfallort in der Heilbronner Wollhausstraße eintraf, konnte er nur noch den Tod des 42-jährigen Familienvaters feststellen. "Es war nichts mehr zu machen", sagte der Mediziner am Mittwoch beim vierten Verhandlungstag im sogenannten Raser-Prozess vor der zweiten Großen Jugendkammer des Heilbronner Landgerichts. Zuvor war der damals noch 20 Jahre alte Angeklagte mit seinem Auto mit rund 100 Stundenkilometern in das Fahrzeug der Familie gerast, die gerade aus einer Einfahrt in die Wollhausstraße fahren wollte. Dafür muss sich der Heilbronner seit August unter anderem wegen Totschlags und dreifachen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten.

 


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Beim Heilbronner Raser-Prozess gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtsgebäude

Unter großem Interesse hat am Mittwochnachmittag der vierte Verhandlungstag im Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht begonnen. Vor dem Gerichtsgebäude bildete sich lange vor der Verhandlung eine Schlange. Nicht alle fanden Platz im Saal. Der Zutritt war nur unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen möglich. Gegenstände mussten abgegeben werden. Hinein durfte nur, wer sich ausweisen konnte. Eine halbe Stunde vor Prozessbeginn waren alle Plätze besetzt.

Hass und Drohungen im Internet gegen den Angeklagten

Die Familie des Angeklagten erhalte inzwischen Briefe mit leeren Blättern. Auch ein Fahrzeug sei bereits zerkratzt worden. Im Internet machten Hass und Häme gegen den Beschuldigten und dessen Familie die Runde, so die Anwältin des Angeklagten, Anke Stiefel-Bechdolf. Im Fall ihres Mandanten sei die Grenze weit überschritten worden. Dass im Internet unter anderem mit Blutrache gedroht werde, "ist nicht hinnehmbar. Alles hat seine Grenzen", sagte die Anwältin. Sie beantragte deshalb ein Ermittlungsverfahren gegen die Urheber dieser Drohungen einzuleiten. Richter Alexander Lobmüller verwies auf die Polizei und die Staatsanwaltschaft.

 


Verteidigerin Stiefel-Bechdolf greift Anwältin der Nebenklage an

Emotional ging es im Gerichtssaal weiter. Anke Stiefel-Bechdolf griff eine Anwältin der Nebenklage an. Diese habe am vorangegangenen Prozesstag gegenüber einem Journalisten erklärt, der Angeklagte habe sich im parallel laufenden Zivilprozess für unschuldig erklärt. "Verbreiten Sie in diesem aufgeladenen Prozess keine Unwahrheiten", sagte Stiefel-Bechdolf. Die Gescholtene sagte gegenüber der Stimme, sie könne sich an den Wortlaut nicht mehr genau erinnern. Aber in den Briefen, die der Beschuldigte aus dem Gefängnis heraus geschrieben habe, ginge genau dieser Inhalt hervor, so Rechtsanwältin Elisabeth Unger-Schnell.

Vertreter der Nebenklage lehnen Antrag für  psychiatrischen Gutachten ab

Dass die Richter den Reifegrad ihres Mandanten beurteilen können, stellte Stiefel-Bechdolf am Mittwoch infrage. Die Anwältin beantragte deshalb, einen psychiatrischen Gutachter zu beauftragten, um den Reifezustand ihres Mandanten zu untersuchen. Nur ein erfahrener Gutachter könne ermitteln, ob ihr Mandant als Erwachsener zu beurteilen ist oder nicht, so die Anwältin. Sollte der zu dem Ergebnis kommen, dass der Angeklagte entwicklungsverzögert ist, müsste das Urteil nach Jugendrecht gesprochen werden. Vertreter der Nebenkläger signalisierten, dass ein solches Gutachten nicht notwendig sei.

 


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Gehört wurden am vierten Verhandlungstag auch zwei Sachverständige, die die elektronischen Daten des Unfallfahrzeugs des Angeklagten ausgewertet haben. Demnach war er nach Abzug der Toleranz mit zwischen 97 und 105 Kilometern pro Stunde gefahren, als der Aufprall passierte.

 


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Frage nach dem Ölstand taucht immer wieder auf

Der Richter und die Anwälte fragten auch immer wieder nach dem Ölstand des Unfallfahrzeugs nach. Der Gutachter vom Landeskriminalamt konnte dazu keine eindeutigen Angaben machen. Es habe eine Fehlermeldung in der Elektronik gegeben. Ob das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt wirklich zu wenig Öl hatte, könne er nicht beantworten. Dem Vernehmen nach schien den Prozessbeteiligten diese Frage wichtig, weil die Beifahrerin des Angeklagten bei ihre polizeilichen Vernehmung gesagt haben soll, dass sie und ihr Freund an diesem frühen Februarabend losgefahren seien, um Öl für das Fahrzeug zu kaufen. Während der Zeugenvernehmung am dritten Prozesstag hatte sie dazu keine Angaben gemacht.

Jugendrecht

Die Anwältin des mutmaßlichen Todesfahrers in der Heilbronner Wollhausstraße hat beantragt, den Reifegrad ihres Mandanten von einem psychiatrischen Gutachter überprüfen zu lassen. Sie will damit die Möglichkeit eröffnen, dass der Angeklagte womöglich nach Jugendstrafrecht verurteilt wird. Das wäre möglich, weil der Beschuldigte zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls noch 20 Jahre alt war. Damit gilt er im Sinne des Gesetzes als Heranwachsender. Und deshalb wird der Prozess vor der zweiten Großen Jugendkammer verhandelt.

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