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Ist ein Lockdown unvermeidlich?

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Experten rechnen wegen der niedrigen Impfquote erneut mit drastischen Maßnahmen. In Österreich könnte bereits in wenigen Tagen ein Lockdown für Ungeimpfte kommen.

Die Covid-Stationen in Deutschland und vielen Nachbarländern sind voll. Darauf muss dringend reagiert werden, sagen Experten. Foto: dpa
Die Covid-Stationen in Deutschland und vielen Nachbarländern sind voll. Darauf muss dringend reagiert werden, sagen Experten. Foto: dpa  Foto: Fabian Strauch (dpa)

Wie wahrscheinlich sind ein erneuter Lockdown und weitreichende Kontaktbeschränkungen? Politisch werden solche Szenarien bislang nicht laut diskutiert. Allerdings dürfte spätestens die Aussage von Deutschlands bekanntestem Virologen Christian Drosten viele zum Nachdenken gebracht haben. In der "Zeit" bekräftigte er jetzt seine Prognosen aus der jüngsten Folge des NDR-Podcast: "Mangels Alternativen wird man wegen der Ungeimpften wieder in kontakteinschränkende Maßnahmen gehen müssen", das halte er für sicher, sagte Drosten der Wochenzeitung. Das Schließen der Immunitätslücke durch die zu geringe Impfquote in Deutschland - sie lag laut Impf-Dashboard am Donnerstag bei 67,3 Prozent - und der Aufbau des notwendigen Boosterschutzes seien nicht kurzfristig zu erreichen.

Diese Einschätzung teilt eine Gruppe von Forscherinnen um die Erfurter Psychologin Cornelia Betsch und die Göttinger Modelliererin Viola Priesemann. "Eine deutliche Reduktion der Infektionsdynamik wird erst mit Hilfe wirklich flächendeckender Dritt-Impfungen erreicht werden können", schreiben die Wissenschaftler in einem Strategiepapier, das jetzt online beim Science-Media-Center vorgestellt wurde - es geht darin um Strategien zum Bevölkerungsschutz im zweiten Corona-Winter. In dem Papier heißt es: "Bis ein ausreichender Teil der Bevölkerung geboostert und geimpft ist, bedarf es in der aktuellen Situation deutlicher und wirksamer Maßnahmen zur Überbrückung, wenn die Intensivstationen nicht stark überlastet werden sollen."

 


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Konzept des "Not-Schutzschalters": Kurzes, aber konsequentes Herunterfahren des öffentlichen Lebens

Die Gruppe bringt das Konzept eines "Not-Schutzschalters" ins Spiel. Das öffentliche Leben würde demnach mit einigem Vorlauf "kurz und intensiv" heruntergefahren, zum Beispiel während der Ferien, um den gesellschaftlichen Schaden gering zu halten. Den Intensivstationen würde das Luft verschaffen, so die Autorinnen. Im Papier sind als Maßnahmen für eine solche Auszeit genannt: Homeoffice und engmaschige Testpflicht am Arbeitsplatz, verkleinerte Gruppen in Kindergärten und Schulen, teilweise Schließung von Geschäften, Restaurants, Dienstleistungen und Veranstaltungen, sowie generell eine deutliche Reduktion von Kontakten in der Arbeitswelt, der Öffentlichkeit und im Privaten. Schulschließungen dürften aber nur ein letzter Schritt zur Entlastung der Kinder- und Jugendmedizin sein, heißt es darin weiter.

Von einem Teil-Lockdown nur für Ungeimpfte halten die Experten wenig

Von einem Teil-Lockdown, nur für die ungeimpfte Bevölkerung, wie er in Österreich kurz bevorstehen könnte, hält die Münchener Epidemiologin Eva Grill indes nichts: "Die Gesellschaft in zwei Gruppen zu teilen bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Menschen motivieren, sich impfen zu lassen." Im Nachbarland kletterte die Inzidenz unterdessen auf den neuen Rekordwert von 751, den dreifachen deutschen Wert. Die Situation in den Kliniken spitzt sich weiter zu, Österreichs Kanzler Alexander Schallenberg bezeichnete die Impfquote von rund 65 Prozent als "beschämend niedrig".

 


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Ethikrat: Bundesregierung soll Impfpflicht für Beschäftigte des Gesundheitswesen prüfen

Der Deutsche Ethikrat hat der Bundesregierung indes die Prüfung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen empfohlen. Das Expertengremium teilte gestern mit, dass es zu einer "ernsthaften und raschen Prüfung" der Impfpflicht in Bereichen rate, in denen "besonders vulnerable Menschen" versorgt würden - also schwer oder chronisch Kranke sowie Menschen in hohem Alter. Die Impfpflicht könnte dann für Ärzte und Pfleger, aber auch Mitarbeiter sozialer Hilfsdienste gelten. Diese trügen "eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen", heißt es. In Italien gibt es bereits eine solche Impfpflicht für das Gesundheitswesen, in England gilt sie für Heime. Dort dürfen seit gestern Zehntausende ungeimpfte Pflegekräfte nicht mehr arbeiten. Die von der Regierung gesetzte Frist, sich vollständig gegen das Coronavirus impfen zu lassen, war verstrichen. Bis April muss zudem das Personal des öffentlichen Gesundheitsdienstes NHS die vollständige Impfung nachweisen.

Betsch ist dafür, das auch für Deutschland zu diskutieren. Bei einer allgemeinen Impfpflicht ist sie hingegen skeptisch. "Das würde Probleme lösen und welche schaffen." Sie könne sich jedoch vorstellen, so Betsch, dass jeder, der keine Spritze möchte, zumindest verpflichtet wird, das gegenüber seinem Arbeitgeber zu begründen, wenn 3G gilt.

 


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Ein Prozent der Bevölkerung müsste pro Tag geimpft oder geboostert werden

Es sei unerlässlich, das Tempo von Impfen und Boostern sofort deutlich zu steigern, mahnten die Experten. "Impfen ist technisch und epidemiologisch das Sinnvollste", so Eva Grill. Alles andere - Masketragen oder zu Hause bleiben seien "Maßnahmen aus dem letzten Jahrhundert". Priesemann nannte als Zielvorgabe die Impfung von einem Prozent der Bevölkerung pro Tag - im Sommer sei es zeitweilig gelungen, diesen Wert zu erreichen, sagte sie.

Stiko vom medizinischen Nutzen des Boosterns aller Menschen ab 18 Jahre überzeugt

Betsch nahm bei der Online-Konferenz ihren Kollegen Klaus Überla, Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko), in die Pflicht. Um die Einsicht in die Notwendigkeit der Boosterimpfung zu fördern, sei eine allgemeine Impfempfehlung der Stiko notwendig, so Betsch: "Es wäre geschickter, eine allgemeine Impfempfehlung draußen zu haben." Diese würde helfe, die Einsicht in die Notwendigkeit der Boosterimpfung in der Bevölkerung zu fördern, meint sie: "Die fehlende Impfempfehlung ist auch kommunikatives Handeln", so Betsch. Sie wies zudem auf die politische Signalwirkung hin: "Durch die Empfehlung würde sich ein entsprechender Druck aufbauen, mehr Kapazitäten zu schaffen." Überla räumte ein, dass das Gremium vom medizinischen Sinn des Boosterns der Bevölkerung ab 18 Jahre überzeugt sei: "Wenn genügend Impfkapazitäten da sind, wäre das sicher sinnvoll." Die Stiko-Empfehlung sei mit Blick auf die logistischen Engpässe noch nicht erfolgt.


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