Corona-Beschlüsse sorgen in der Region für Fragezeichen
Wer muss sich wann testen lassen oder eine Impfung nachweisen? Gibt es nun de facto eine Impfpflicht? Viele dieser Fragen sind auch nach dem Corona-Gipfel von Bund und Länder nicht abschließend geklärt.

Die Reaktionen auf die Beschlüsse der vergangenen beiden Tage zur Pandemiebekämpfung fallen unterschiedlich aus. Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel hatte schon vor Wochen gefordert, die Inzidenz nicht mehr als entscheidenden Faktor für die Beurteilung der Pandemie heranzuziehen. "Heilbronn ist das beste Beispiel dafür, dass die Inzidenz im Hinblick auf das Pandemiegeschehen in seinen wesentlichen Auswirkungen nicht umfassend aussagekräftig ist." Er begrüßte nun die Entscheidung.
BDI: Impfen ist die einzige Antwort
Vom Bundesverband der Deutschen Industrie kam hingegen Kritik an den Bund-Länder-Beschlüssen. "Angesichts der nahenden vierten Corona-Welle ist das Treffen einen konkreten, einheitlichen und praxistauglichen Maßnahmenfahrplan schuldig geblieben", kritisierte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Impfen sei die einzige Antwort auf die Virus-Ausbreitung. Echte Impulse zum Zünden des Impfturbos fehlten jedoch. Die Politik lasse die Unternehmen mit Blick auf die Fortführung der Testangebotspflicht für Ungeimpfte im Dunkeln stehen, kritisierte Lang weiter. Wie es aussehe, seien die meisten Unternehmen diesmal von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz nicht betroffen, meint dagegen Tim Stern, Jurist in der Rechtsabteilung der IHK Heilbronn-Franken. "Bei den Hygienekonzepten bleibt alles gleich."
Auch müssen die Unternehmen weiterhin zweimal die Woche Coronatests anbieten. Das dürfte für viele Ungeimpfte die einzige Möglichkeit sein, sich weiter kostenlos testen zu lassen. "Im Detail muss man jetzt allerdings abwarten, wie die Verordnung aussieht", warnt auch Stern. Denn bei den Regelungen zu "Click und Collect" im Handel habe sich die Verordnung dann doch deutlich von dem unterschieden, was in der Bund-Länder-Runde vereinbart worden war.
In Pflegeheimen und Krankenhäusern muss der Impfstatus offengelegt werden
Für den Rechtsanwalt Arnd-Christian Kulow von der Stuttgarter Kanzlei Jordan & Wagner sind derzeit noch viele Fragen offen. Gelten die 3G-Regeln, die für den Besuch in Krankenhäusern und Restaurants bald gelten, auch für Mitarbeiter? "Wir haben nach wie vor keine Impfpflicht. Der Impfstatus ist Privatsache und geht den Arbeitgeber nichts an", sagt Kulow.
Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen medizinischen Einrichtungen müssen ihren Impfstatus jedoch offenlegen, so steht es im Infektionsschutzgesetz.
In diesem sensiblen Bereich seien mitunter auch Maßnahmen wie Versetzungen oder im Ausnahmefall auch Kündigungen denkbar. "Formaljuristisch ist das keine Impfpflicht", sagt Kulow, denn die Impfung könne nicht durchgesetzt werden. Man sei aber de facto gezwungen, sich impfen zu lassen oder Konsequenzen hinzunehmen.
Indirekte Testpflicht für Mitarbeiter in NRW
Eine Pflicht für Mitarbeiter, sich testen zu lassen, gibt es in Baden-Württemberg derzeit nicht. "Der Arbeitgeber darf keinen Test vorschreiben." Anders ist das in Nordrhein-Westfalen: Dort müssen Beschäftigte im Hotel- und Gaststättengewerbe, die fünf Tage in Urlaub waren, einen Testnachweis vorlegen. "Was ist das, wenn nicht eine Testpflicht?"
Für Gäste gilt die 3G-Regel. Wer keinen Nachweis erbringen möchte, darf Restaurants oder Veranstaltungen nicht besuchen.
Erste Lehrer wollen Beruf verlassen
"Wir wissen nicht, wie sich die Beschlüsse für Lehrer auswirken, alle hängen in der Luft", sagt auch Jana Kolberg, die Kreisvorsitzende Main-Tauber/Hohenlohe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie werde im Zweifel Gewerkschaftsmitglieder, die sich nicht impfen lassen wollen, an die Experten vom Rechtsschutz verweisen.
Einige ungeimpfte Lehrer hätten sich schon bei ihr gemeldet und angekündigt, den Beruf verlassen zu wollen, sollten sie künftig gezwungen sein, Corona-Tests selbst zu bezahlen. "Falls eine richtige Impfpflicht kommt, wäre das definitiv schwierig", sagt Jana Kolberg. Sie hofft, dass es dazu nicht kommen wird, schließlich brauche man die Lehrkräfte.