Beschwerden über Corona-Testzentren in der Region
Bürger stellen erhebliche Verstöße in Testzentren in der Stadt Heilbronn und im Landkreis fest. Rufe nach strengen Regeln werden lauter. Die Stadt will Beschwerden nachgehen. Wie sieht es an anderen Orten in der Region aus?

Reiner A. (Name ist der Redaktion bekannt) traute am Samstag seinen Augen kaum. Weil er einkaufen gehen wollte, stellte sich der junge Heilbronner in die lange Schlange an einer Corona-Schnellteststation in der Sülmer-City.
Komplett fehlende Standards
"Es war unglaublich. Da waren Tester im Einsatz, die ohne Maske, ohne Handschuhe und Schutzanzug getestet haben", schildert A. seine Erfahrungen. Tatsächlich zeigt ein Besuch vor Ort, dass das Zelt, das als Teststation gedacht ist, für eine ordnungsgemäße Durchführung ungeeignet ist. Die Fläche bietet kaum Platz, um Abstände einzuhalten, die Tests in Ruhe durchzuführen und Testkits ordnungsgemäß zu lagern, bis das Ergebnis vorliegt.
Doch die Vorwürfe sind noch viel gravierender. So sei nicht einmal ein Ausweis verlangt worden, um sich zu identifizieren. "Die Tester haben mir das Wattestäbchen gerade mal eine Sekunde in die Nase gesteckt. Nach nicht einmal zwei Minuten hatte ich mein Testergebnis in der Hand", berichtet A. von seinen Erfahrungen. Das Testergebnis war handschriftlich auf einem Zettel vermerkt. Ein einwandfrei durchgeführter Test erfordert aber ein Aufklärungsgespräch, eine gründliche Entnahme und Analyse der Probe und die sachgerechte Ermittlung des Ergebnisses, das nach etwa 20 Minuten vorliegt. Schriftlich mit den erhobenen Vorwürfen konfrontiert, reagierte der Betreiber der Schnellteststation bis Montagabend nicht.
Keine Überprüfungen
Auch bei Jochen O. (Name geändert) gab es einige Mängel, als er am vergangenen Freitag einen Schnelltest auf dem Parkplatz bei einem Obi-Markt im Landkreis machte. Dort testen laut Stempel und Unterschrift eine GmbH und eine Arztpraxis aus Düsseldorf in einem VW-Kastenwagen. "Zwei Minuten nach dem Test bekam ich schon das negative Testergebnis ausgehändigt", sagt O. "Einen Nachweis, dass meine persönlichen Angaben stimmen, wollte keiner sehen", berichtet er.
Potentiellen Betrügern wird die Arbeit leicht gemacht. Teststationen müssen nur ein Hygienekonzept und den Nachweis, dass die Tester eine Schulung mitgemacht haben, vorlegen. Überprüfungen sind nicht vorgesehen. Dies könnten die Gesundheitsämter bei der Vielzahl der Anbieter auch gar nicht leisten.
Zahlreiche Anbieter
Im Landkreis Heilbronn gibt es inzwischen rund 100 Zentren, in der Stadt sind es 60, im Hohenlohekreis etwa 40. Die Leistungen rechnen die Anbieter mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab (KV). Bisher sind dort in Baden-Württemberg nicht einmal Nachweise über die Zahl der Testungen vorzulegen. Kein Wunder, dass Hinweise auf Unregelmäßigkeiten inzwischen auch bei den regionalen Gesundheitsämtern angekommen sind. "Es gab zwei Beschwerden bei der Stadt. Denen geht das Gesundheitsamt nun so schnell wie möglich nach", betont die Heilbronner Pressesprecherin Suse Bucher-Pinell.
Bei den Ämtern im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis gab es bisher noch keine Klagen. "Wir haben bisher keine Hinweise aus der Bevölkerung", teilt Mike Weise, Dezernent im Hohenlohekreis mit. Er rechnet in Kürze mit einer Verschärfung der Regeln. Allerdings habe das Sozialministerium des Landes den Umfang der Überprüfung für die Gesundheitsbehörde noch nicht definiert, so Weise.
Ämter am Anschlag
Berichte über Betrügereien und schwarze Schafe gab es in Nordrhein-Westfalen und Bayern bereits Ende vergangener Woche. Angesichts dieses Verdachts bei Corona-Teststellen planen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern nun schärfere Vorgaben. So könnten Teststellen dazu verpflichtet werden, Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Steuer-Identifikationsnummer anzugeben, damit Finanzämter Umsätze abgleichen können. Diskutiert wird auch ein Nachweis aus dem Gesundheitsamt, dass Teststellen ordnungsgemäß testen.
In den Ämtern der Region sind diese Ideen aber noch nicht angekommen. "Wir sind von den Plänen überrascht", sagt Lea Mosthaf, Pressesprecherin im Landratsamt Heilbronn. Dazu habe man eigentlich auch keine Kapazitäten mehr. "Unsere Leute arbeiten seit eineinhalb Jahren am Anschlag", betont Mosthaf. Bei der Stadt Heilbronn ist das nicht anders. "Sowohl Ordnungsamt als auch Gesundheitsamt sind durch die Corona-Pandemie bis zum Anschlag mit Überwachung und Kontrollen beschäftigt", unterstreicht Harry Mergel. Der Heilbronner Oberbürgermeister fordert daher schnelle Hilfe von außen.