Beschleunigte Verfahren werden vor allem bei Diebstählen angewendet
Mit dem Modellprojekt zum beschleunigten Verfahren sind in Heilbronn nach der Verurteilung eines Mannes Hoffnungen geweckt worden. Erfahrungen der Staatsanwaltschaften anderer Großstädte zeigen, was auch für Heilbronn zu erwarten sein könnte. Der Erfolg wird unterschiedlich bewertet.
Der 30-jährige Tunesier hatte in der Silvesternacht auf dem Markplatz Polizisten angegriffen - und wurde vier Tage später zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. In Mannheim, Karlsruhe und Freiburg läuft das Projekt bereits länger. Die Erfahrungen sind überall ähnlich.
In Mannheim werden nach Angaben der dortigen Staatsanwaltschaft hauptsächlich Diebstähle abgeurteilt - einfache Ladendiebstähle, gewerbsmäßige Diebstähle, Diebstähle mit Waffen. Aber auch Gewaltdelikte - Körperverletzungen bei häuslicher Gewalt oder tätliche Angriffe auf Polizeibeamte -, Beleidigungen, Bedrohungen, Urkundenfälschungen und Waffendelikte.
Staatsanwaltschaft Mannheim zieht positive Zwischenbilanz
"Wir haben gute Erfahrungen mit dem beschleunigten Verfahren gemacht", sagt Pressesprecher Dr. Marc Schreiner. Die Abläufe zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Mannheim hätten sich sehr gut eingespielt. Das sehe man an den Zahlen. 2020 wurden 65 Personen im beschleunigten Verfahren abgeurteilt, 2021 waren es 96, 2022 sogar 102. "Die Täter werden nachhaltig beeindruckt", sagt Schreiner, gerade wenn bei vermeintlich kleineren Delikten unmittelbar eine Verhandlung mit Urteil folge.
Bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ist das Projekt im August 2022 gestartet. Seitdem habe es 16 beschleunigte Verfahren gegeben, sagt Sprecher Dr. Matthias Hörster. Bislang sei nur ein Polizeirevier Teil des Projekts. "Schrittweise sollen immer mehr Polizeidienststellen eingebunden werden." In einem Fall sei ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte verurteilt worden, bei allen anderen Fällen handelte es sich um Diebstahlstaten, insbesondere Ladendiebstähle. Hörter: "Die Verurteilungsrate beträgt bislang 100 Prozent." In der Hälfte der Fälle seien Freiheitsstrafen verhängt worden, ansonsten Geldstrafen.
Freiburg hat ein Problem mit Diebstahldelikten
Aus Freiburg berichtet die dortige Staatsanwaltschaft ebenso: vor allem Diebstahldelikte würden beschleunigt verhandelt. Wie Sprecher Eckart Berger schildert, beträfe dies im südbadischen Grenzgebiet in vielen Fällen Menschen, die unerlaubt nach Deutschland eingereist sind - häufig Nordafrikaner. Inwiefern diese von beschleunigten Verfahren beeindruckt sind, sei unterschiedlich. Manche berühre eine Geldstrafe offenbar überhaupt nicht. Es lasse sich in Freiburg leider belegen, dass manche beschleunigt Verurteilte "drei Tage später" erneut wegen Diebstahls vor Gericht stünden, so Berger.
Justiz-Insider spricht von Täuschung
In Justizkreisen gibt es unterschiedliche Ansichten über die aktuellen Projekte. Denn: Das beschleunigte Verfahren ist seit mehr als zwei Jahrzehnten verankert. Auch Schulungen wurden bereits vor Jahren justizintern angeboten. Von einem "neuen Hilfsmittel" zur Bekämpfung der Kriminalität zu sprechen, sei daher eine Täuschung, sagt ein Insider. Bundesweit sei es bisher aus unterschiedlichen Gründen wenig bis gar nicht eingesetzt worden.
Das Verfahren kann nur bei einfachen Sachverhalten und klarer Beweislage durchgeführt werden. Es dürfen außer Geldstrafen nur Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt und als einzige Maßregel die Fahrerlaubnis entzogen werden.