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Analyse: Empörung über Vorgehen bei Notfallversorgung

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Viele Fragezeichen gibt es nach dem Bundestagsbeschluss, der offenbar kurzfristig an die Pflegereform angehängt wurde. SLK-Chef Weber kritisiert das Vorgehen und die "schlechte Kommunikation".

Wer künftig in eine Notaufnahme kommt, soll auch dort behandelt werden.
Wer künftig in eine Notaufnahme kommt, soll auch dort behandelt werden.  Foto: Julian Stratenschulte

Vordergründig befasste sich der Bundestag am Freitag mit einem Gesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), das die Pflegeversicherung vorerst bis 2025 finanziell absichern soll. Das Vorhaben war lange bekannt.

Für Empörungsstürme in Teilen der Branche sorgt jedoch ein Passus, der offenbar sehr kurzfristig an das Gesetz gehängt worden ist und dem der Bundestag ebenfalls zustimmte. Darin geht es um die Notfallversorgung an Kliniken. Die nun beschlossene Änderung sieht verkürzt gesagt vor, dass Patienten, die in die Notaufnahme eines Krankenhauses kommen und kein Notfall sind, künftig nicht mehr an Vertragsärzte und medizinische Versorgungszentren (MVZ) verwiesen werden dürfen. Das betrifft zum Beispiel Menschen, die mit Schmerzen an Gelenken ins Krankenhaus kommen, deren Ursache lange bekannt und nicht bedrohlich ist.

 


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Die Reaktionen sind heftig

Die Reaktionen von Haus- und Fachärzteverbänden fallen heftig aus. "Hier wird ein Ausbluten der ambulanten Strukturen billigend in Kauf genommen, um unsinnige Doppelstrukturen aufzubauen", wird Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vize-Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, im "Ärzteblatt" zitiert. Auch Karsten Braun, Vorsitzender der Kassenärzte im Land (KVBW) wird deutlich: "Völliges Unverständnis herrscht bei uns, dass bei Patientinnen und Patienten, die ungesteuert eine Krankenhausnotaufnahme aufsuchen, die Option einer Weiterleitung in die ambulante Regelversorgung nun nicht mehr vorgesehen ist", so Braun in einer Mitteilung. Das konterkariere sämtliche Bemühungen der vergangenen Jahre um eine Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser. Der Berufsverband der Orthopäden und Unfallchirurgen spricht von einem "Lehrstück für Realitätsferne".

Rätselraten über genaue Bedeutung des Beschlusses

Einige aus der Branche werden von der Nachricht kalt erwischt, so auch SLK-Geschäftsführer Thomas Weber. Das Zustandekommen dieses Passus eingebettet in ein Pflegegesetz sei schon kurios, sagt er unserer Redaktion. Auch inhaltlich bleibt für ihn am Freitagnachmittag vieles unklar. Es sei nicht ersichtlich, ob die Änderung zusammen mit anderen Reformplänen in diesem Bereich gedacht sei oder unabhängig davon, sagt Weber.

 


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Im Rahmen eines anderen Vorhabens sei schon länger im Gespräch, in Krankenhäusern einen integrierten Notfalltresen von Klinik und niedergelassenen Ärzten zu schaffen, der 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr besetzt ist. Dort sollen Patienten triagiert, also medizinisch ersteingeschätzt und dann an die richtige Anlaufstelle weitergeleitet werden - also zum niedergelassenen Arzt, der im Krankenhaus Dienst tut, oder in die Notaufnahme. "Wenn das zusammen gedacht wäre, würde sich für die Kliniken nichts ändern", sagt Weber. Aber er wisse es nicht: "Die Kommunikation ist schlecht."

Wo sollen die ganzen Ärzte herkommen, fragt der Hausärzteverband

Auch die Frage, wo die niedergelassenen Ärzte sind, die künftig womöglich 24-Stunden-Dienste in einer an ein Krankenhaus angegliederten Notfallpraxis machen, ist offen. "Wo sollen die Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin schon Mangelware sind, herkommen?", fragte Buhlinger-Göpfarth. Hausärzte, die in einer Notdienstpraxis arbeiteten, könnten nicht gleichzeitig Patienten in ihrer eigenen Praxis versorgen.

 


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Thomas Weber vermisst Gesamtstrategie

Thomas Weber bewertet die Nachricht als Einstieg in die Aufhebung der Trennung zwischen niedergelassenem Bereich und Kliniken. Ratlos macht ihn das Vorgehen: Eigentlich müsse man das doch in eine Gesamtstrategie einbetten, meint er: "Das kann man doch nicht still und heimlich mit der Notfallversorgung beginnen."

Doris Reinhardt, Vize-Vorsitzende der KVBW, stellt die Frage, die viele aus der Branche an diesem Tag umtreibt: "Was soll das? Das ist nicht mehr nachvollziehbar." Das Ärzteblatt titelt: "Notfallversorgung: Ampel nimmt Vertragsärzte und MVZ aus dem Ring."

 


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