Sparzwang in Neckarsulm: Gewerbesteuer bricht dramatisch ein
Rückgang nach Rekordergebnis: Der Neckarsulmer Gemeinderat deckelt Investitionen und verordnet einen umfassenden Sparzwang. Der große Einbruch kommt dann im Jahr 2027.

Schon jetzt ist klar, dass die Gewerbesteuer 2027 in Neckarsulm auf die Hälfte einbrechen wird. Nach dem Rekordergebnis in diesem Jahr von über 100 Millionen Euro werden in zwei Jahren die Umlagen deutlich steigen, das weiß Kämmerer Matthias Herrmann jetzt schon sicher.
Wegen „struktureller Veränderungen bei den Haupt-Gewerbesteuerzahlern“ werden sich die Einnahmen mittelfristig auf einem niedrigeren Niveau von etwa 54 Millionen Euro einpendeln. „Damit wird sich das Gewerbesteueraufkommen 2027 im Vergleich zum laufenden Haushaltsjahr nahezu halbieren.“
Wegen schwächelnder Konjunktur geht die Gewerbesteuer in Neckarsulm zurück
Dies liege nicht nur an einem Hauptzahler, sondern an mehreren Industriebetrieben, stellt Oberbürgermeister Steffen Hertwig auf Nachfrage klar. „Jetzt trifft’s auch Neckarsulm.“ Zwar wären in anderen Kreisstädten auch solche Gewerbesteuerzahlungen noch über dem üblichen Niveau, aber man habe in Neckarsulm eine Infrastruktur und auch einen Personalstand, der überproportional hoch sein.
Im Kindergartenbereich, das stellt Hertwig klar, gebe es zwar einen Einstellungsstopp, es seien aber auch nahezu alle Stellen besetzt. Für alle Stellen in der Verwaltung soll künftig eine viermonatige Wiederbesetzungssperre gelten. Man habe deshalb einen hohen Personalstand, weil nahezu alle Kitas in städtischer Trägerschaft sind, und es mit Musikschule, Volkshochschule, Mediathek und den Museen weitere eigene Institutionen gibt.
Die Vorgabe des Gemeinderates, 15 Prozent der Sach- und Dienstleistungen einzusparen, gelte für alle Bereiche. „Es muss alles auf den Prüfstand gestellt werden“, betont der OB. Schon dieses Jahr werde man trotz der Rekordeinnahmen ein negatives Jahresergebnis von voraussichtlich sechs Millionen Euro verzeichnen.
Neckarsulmer Haushalt für 2026: Investitionen werden auf 20 Millionen Euro gedeckelt
Im Neckarsulmer Haushalt für 2026, der im Dezember eingebracht wird, werden die Investitionen auf 20 Millionen Euro gedeckelt. Ob es die geplante Sanierung der Ballei treffen wird oder andere Maßnahmen, wird jetzt noch nicht verraten. Zum Vergleich: Allein der Bau des Sportbads hat ebenfalls 20 Millionen Euro gekostet.
Auch in Neckarsulm ist von „Standards“ die Rede. „Wir können nicht mit Vollgas weiterfahren.“ Baubürgermeisterin Suzanne Mösel erklärt: „Wir haben eine umfangreiche Infrastruktur, die auch unter engeren Rahmenbedingungen erhalten und unterhalten werden muss.“ 50 Gebäude sind es genau in Neckarsulm. Alleine die Energiekosten schlagen mit jährlich fast drei Millionen Euro zu Buche.
Sparpläne in Neckarsulm: Auch das Streichen von Aufgaben gehört dazu
„Das komplette Streichen von Aufgaben wird in Betracht gezogen“, sagt Hertwig, ohne konkret zu werden. Man wolle die „Krise als Chance nutzen, schneller und effizienter zu werden“. Die Kernfelder bleiben Bildung, Klimaschutz und Mobilität, Digitalisierung und Infrastruktur. Aber, so der OB, man könne nicht alles über das Sparen erledigen, „es geht auch um Gebühren und Steuern“.
Noch habe man „etwas auf dem Speck“, die zur Verfügung stehenden Mittel werden aber von aktuell 120 auf unter vier Millionen Euro im Jahr 2029 sinken, so der Kämmerer. „Wir werden jedes Jahr ein Minus von 28 Millionen Euro haben.“ 2028 steht erstmals wieder eine Schuldenaufnahme von 15 Millionen Euro im Raum.
Mehr Ausgaben als Einnahmen: Die Kommunen stehen vor dem Kollaps
Viele Kommunen werden den Haushaltsausgleich nicht mehr schaffen und stehen vor dem finanziellen Kollaps. So weit wird es in Neckarsulm nicht kommen. Auch mit reduzierten Einnahmen werde das Steueraufkommen immer noch 30 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegen. Aber man müsse zeitnah die Maßnahmen ergreifen, damit sie in zwei, drei Jahren auch wirken.
„Ein Grund für die schwierige finanzielle Situation in nahezu allen bundesdeutschen Städten und Gemeinden ist die Praxis, dass Bund und Land immer mehr Aufgaben an die Kommunen übertragen“, kritisiert OB Steffen Hertwig. „Ich fordere Bund und Land auf, die Kommunen von überbordender Bürokratie und ständig neuen Aufgaben zu entlasten und sie finanziell besser auszustatten.“
Kommentare öffnen
Stimme.de
Kommentare