"Seepferdchen reicht nicht aus": Schwimmschule Ente in Neckarsulm hat eine Mission
Immer weniger Kinder können schwimmen. Ein Zusammenschluss aus Neckarsulmer Vereinen möchte dem entgegenwirken. Rund 500 Kinder pro Jahr lernen bei der Schwimmente das Schwimmen – und es könnten noch mehr sein.

Während der Pandemie waren Schwimmbäder geschlossen, Kurse fielen aus. Ein noch größerer Stau bei der Wartezeit auf Plätzen in Schwimmkursen für Kinder baute sich auf. Weil parallel an immer weniger Grundschulen regelmäßig Schwimmstunden angeboten werden, verschlechtert sich die Schwimmfähigkeit bei Kindern weiter. Eine Entwicklung, der ein Zusammenschluss aus Neckarsulmer Vereinen etwas entgegensetzen will. Seit September 2021 bietet das Bündnis unter dem Namen Schwimmschule Ente Kurse für Kinder ab fünf Jahren an. Uwe Schuster ist einer der Organisatoren.
Wie kommen die Kinder in den Kursen an?
Uwe Schuster: Vielen fehlt der Umgang mit Wasser. Das liegt auch daran, dass sich manche Eltern komplett auf Sportvereine und Schulen verlassen, wenn es ums Schwimmen geht. Das reicht aber nicht, auch nicht, wenn bei uns Kurse belegt werden. Kinder müssen sich regelmäßig mit Wasser beschäftigen. Als sicherer Schwimmer gilt ein Kind erst, wenn es auf dem Niveau des Schwimmabzeichens in Bronze ist, das Seepferdchen reicht nicht aus.
Wie viele Kurse gibt es pro Jahr bei der Schwimmente?
Schuster: Wir bieten drei Kursreihen à zehn Einheiten mit je zehn Kindern pro Kurs. In dieser Woche hat eine neue Kursreihe begonnen mit insgesamt 17 Kursen. Pro Jahr lernen also über 500 Kinder bei uns schwimmen. Wir würden gerne noch mehr Kurse anbieten und hätten auch noch Wasserfläche zur Verfügung, aber uns fehlen die Übungsleiter. Um dieses Pensum anzubieten, brauchen wir 15 bis 20 Übungsleiter, die sich für mindestens eine Kursreihe verpflichten.
Wie gelingt es, so viel Personal zu organisieren?
Schuster: Das ist nur gelungen durch die Kooperation der drei Neckarsulmer Wassersportvereine, der Schwimmer, Triathleten und der DLRG mit dem Aquatoll. Unsere Schwimmtrainer sind in der Regel selbst Sportler, am Anfang hat uns auch Personal aus dem Aquatoll unterstützt, inzwischen sind einige Externe dazugestoßen. Eine Turntrainerin aus Heilbronn, Schwimmer aus anderen Vereinen, die beruflich in die Region gezogen sind, Schüler. Trotzdem ist die Nachfrage nach Schwimmkursen so groß, dass wir weitere Trainer suchen. Zwei Kurstage in dieser Runde konnten wir nicht besetzen.
Wie finanziert sich das Angebot?
Schuster: Durch Kursgebühren und die Stiftung Schwimmente. Ein Kurs kostet pro Teilnehmer 115 Euro unter der Woche und 145 am Wochenende, damit ist auch der Eintritt fürs Aquatoll abgedeckt. Die Kursleiter bekommen eine Aufwandsentschädigung. Die Stiftung kommt für ihre Ausbildung, Materialien und Versicherungen auf, die kooperierenden Vereine unterstützen mit der Organisation und anderen Leistungen. So kann man zum Beispiel als Kursleiter kostenfrei das Rettungsschwimmabzeichen in Bronze bei der DLRG ablegen und einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Beides braucht man mindestens als Schwimmente-Kursleiter.
Woher kommen die Teilnehmer der Kurse?
Schuster: Unser Fokus gilt Kindern aus Neckarsulm, Heilbronn und den angrenzenden Gemeinden. Aber wir haben auch Teilnehmer von weit her, wie Buchen, weil das Angebot an Schwimmkursen offenbar so gering ist.
Wie ist die Nachfrage nach den Kursen?
Schuster: Das ist sehr unterschiedlich. Unmittelbar nach der Pandemie hatten wir 300 Kinder auf der Warteliste. Die aktuelle Kursreihe war kurz nach Freischaltung des Angebots auf unserer Homepage fast komplett ausgebucht. Bei der letzten Reihe, die wir vor Weihnachten ausgeschrieben haben, lief es so schleppend, dass wir zum ersten Mal in Kindergärten Werbung gemacht haben. Generell merken wir, dass wir durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Aktionen wie den Schwimmabzeichentag, den wir einmal jährlich veranstalten, immer bekannter werden. Und wir lernen selbst dazu und versuchen uns immer professioneller aufzustellen.
Was bedeutet das?
Schuster: Am Anfang ging es in erster Linie darum, möglichst viele Kinder ins Wasser zu bekommen und ihnen irgendwie das Schwimmen beizubringen. Inzwischen haben wir einen Kursplan mit festen Zielen für jede Kursstufe entwickelt. Wir schicken unsere Schwimmtrainer außerdem zur Ausbildung in die Sportschule nach Stuttgart, tauschen uns mit anderen Vereinen aus und lernen auch von deren Vorgehensweise.
Lässt sich das alles noch ehrenamtlich stemmen?
Schuster: (lacht) Wir sind drei Haupt-Organisatoren von Stiftung, den Neckarsulmer Schwimmern und der DLRG und teilen uns das untereinander auf. Wir stecken schon sehr viel Zeit in die Organisation und Abwicklung. Aber ich glaube auch, dass da noch Potenzial schlummert. Wenn sich die Heilbronner Wassersportler auch auf ähnliche Weise zusammenschließen würden, könnten wir gemeinsam noch mehr in der Region erreichen, davon bin ich überzeugt.
Braucht es künftig andere Strukturen?
Schuster: Das Ehrenamt ist am Aussterben, immer weniger Menschen sind bereit, ihre Freizeit einzubringen. Gleichzeitig denken viele Eltern, ein Sportverein sei wie ein Fitnessstudio, wo man einen bestimmten Betrag zahlt, dann seine Kinder abgibt und sich um nichts mehr kümmern muss. Diese Entwicklung wird in unserem Verein generell viel diskutiert und wir müssen dem irgendwie Rechnung tragen.
Zur Person: Uwe Schuster (66) ist Abteilungsleiter der Schwimmer der Sport-Union Neckarsulm (SUN). Beruflich war er Ingenieur im Kernkraftwerk in Neckarwestheim. Seit der Pensionierung "habe ich viel Zeit für meinen Verein", sagt er. Gemeinsam mit Steffen Rettstatt und Michael McQuirt managt er die Organisation der Schwimmschule Ente, das Kursprogramm kommt von den Trainern. Infos im Internet unter schwimmschule-ente.de vbs






Stimme.de