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Kommunen in finanzieller Not: Fallen jetzt freiwillige Leistungen weg?

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Kommunale Spitzenverbände sehen die Städte, Gemeinden und Kreise in einer dramatischen finanziellen Lage. Sie fordern von der neuen Bundesregierung eine Wende in der Migrations- und Sozialpolitik.


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„Uns fehlt schlicht die Perspektive“, sagt Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und seit September 2024 Präsident des Deutschen Landkreistages, im Interview mit der Heilbronner Stimme. Stand die kommunale Ebene in Deutschland 2022 noch relativ gut da, so verzeichneten Städte, Gemeinden und Kreise 2024 laut Brötel ein Defizit von 25 Milliarden Euro. Grund sei, dass immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt würden, ohne dass Bund und Land ausreichend Geld bereitstellten. 

Kommunen in finanzieller Not: Landrat vom Neckar-Odenwald-Kreis befürchtet Wegfall von Buslinien

Konkret fordern die Spitzenverbände, also Städte-, Gemeinde und Landkreistage, eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer von bisher zwei auf sechs Prozent. Landkreistag-Präsident Brötel fürchtet, dass sonst freiwillige Leistungen eingeschränkt werden, dass etwa Buslinien wegfallen und dass besonders der ländliche Raum unter der Entwicklung leide.

Bad Liebenzell im Nordschwarzwald hält einen ungeliebten Rekord: Es haben sich dort pro Einwohner mehr Schulden angehäuft als in allen anderen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg.
Bad Liebenzell im Nordschwarzwald hält einen ungeliebten Rekord: Es haben sich dort pro Einwohner mehr Schulden angehäuft als in allen anderen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg.  Foto: Marijan Murat (dpa)

Hier sei viel erreicht worden, um in Stadt und Land für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. „Meine Sorge ist aber, dass wir durch die finanzielle Not jetzt wieder in die 60er-Jahre zurückgeworfen werden“, so Brötel. 

Landkreistag-Präsident Brötel: Gute Ansätze in der Migrationspolitik 

Der Landkreistag hat einen Forderungskatalog an die neue Bundesregierung gerichtet. Dazu gehören Änderungen in der Sozialpolitik, etwa Sanktionsmöglichkeiten für Bürgergeldempfänger, die Termine schwänzen. Die Karenzzeiten, durch die Leistungsempfänger für eine Übergangsfrist auch unangemessen teure Wohnungen vom Jobcenter bezahlt würden, gehörten laut Brötel abgeschafft. „Das ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Solidarität.“

In der Migrationspolitik sieht der Spitzenfunktionär gute Ansätze in dem, was die neue Bundesregierung angekündigt hat, etwa verschärfte Grenzkontrollen. „Wir können nicht mehr so viele Menschen aufnehmen wie bisher“, betont er. Seit Jahren beklagen Kommunen, dass die Belastungsgrenze überschritten sei.

Chef des Hohenloher Kreisverbands vermisst konkrete Lösungsvorschläge

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD enthält Maßnahmen, die auf eine stärkere Steuerung und Begrenzung abzielen. „Auch hier gilt: Entscheidend ist nicht das Papier, sondern die konkrete Umsetzung – und ob die Maßnahmen vor Ort in den Kommunen tatsächlich spürbar wirken“, sagte auch Klaus Holaschke, Eppinger Oberbürgermeister und Vizepräsident des baden-württembergischen Gemeindetages, gegenüber der Heilbronner Stimme

Den Kommunen ist im Koalitionsvertrag ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Es geht vor allem darum, sie finanziell zu entlasten. Sind das wieder nur leere Versprechungen? „Positiv ist, dass die angespannte Lage ausdrücklich benannt wird und erkannt ist, dass es hierfür tragfähige Lösungen braucht. Wie diese konkret aussehen sollen, bleibt jedoch offen“, sagt Forchtenbergs Bürgermeister Michael Foss, Chef des Hohenloher Kreisverbands des Gemeindetags.

Gemeindetag: Staat muss klarstellen, was noch möglich ist 

Der Staat müsse nun die Frage beantworten, „was er noch leisten kann und was nicht mehr möglich ist“. Im Koalitionsvertrag werde dezidiert angekündigt: „Wer bestellt, bezahlt.“ Also, im Wortlaut des Papiers: „Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen.“ Es sei laut Foss damit „erstmalig gelungen, das Konnexitätsprinzip in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene zu verankern“. Das sei ein „entscheidender Erfolg, wenn er umgesetzt und gelebt wird“.

„Die Absicht, einen Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen abzuschließen, ist natürlich begrüßenswert“, erklärt Ian Schölzel, Landrat des Hohenlohekreises. „Allerdings müssen verfassungskonforme Wege gefunden werden, das Prinzip ‚Wer bestellt, bezahlt‘ auch umsetzen zu können, da Transferleistungen – insbesondere für Verwaltungs- und Personalausgaben – zwischen Bund und Ländern – mit Ausnahme von Geldleistungsgesetzen – grundsätzlich untersagt sind.“

Hohenloher Landrat Ian Schölzel will „großen Wurf“

Tiefgreifende Reformen seien unabdingbar. Nur so könne die Haushaltskrise überwunden werden, die nicht nur konjunkturell, sondern vor allem strukturell begründet sei. Der Hohenloher Landrat fordert: „Mit Trippelschritten kommen wir nicht weiter. Es braucht einen großen Wurf und den Mut zur Veränderung. Wir müssen gesamtgesellschaftlich akzeptieren, dass nicht alles zu hundert Prozent regelbar ist.“

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