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Starkregen-Ereignisse im Frühjahr
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"Wenn Unwetter angekündigt ist, schlafe ich nicht": Hochwasser-Folgen in Region noch spürbar

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Die Schlammflut in Gemmingen und das Hochwasser an den Flüssen in der Region Heilbronn-Hohenlohe sind nun ein halbes Jahr her. Viele betroffene Anwohner haben noch immer mit den Folgen zu kämpfen.

Im Mai 2024 hatte eine Starkregen-Zelle Überflutungen in Gemmingen verursacht (links). Ralf Stoll streicht Stühle neu, die damals von Wasser und Schlamm in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Im Mai 2024 hatte eine Starkregen-Zelle Überflutungen in Gemmingen verursacht (links). Ralf Stoll streicht Stühle neu, die damals von Wasser und Schlamm in Mitleidenschaft gezogen wurden.  Foto: Archiv/Hoffmann, Montage: stimme.de

Im Mai und Juni dieses Jahres haben Starkregen-Ereignisse und Hochwasser von Flüssen einige Städte und Gemeinden in der Region stark getroffen. Mancherorts dauerten Sanierungsarbeiten bis vor Kurzem an – zum Beispiel in Gemmingen und Lauffen. In Künzelsau haben Anwohner bis heute mit den Folgen der Überflutungen zu kämpfen.

Besonders unerwartet hatte es Mitte Mai Gemmingen getroffen. Ein lokaler Starkregen prasselte über den Feldern nieder und schoss als Schlammflut aus mehrere Richtungen in den Ort. Auf den Straßen blieb eine Zentimeter dicke Schicht an Schlamm zurück und drang in einige Häuser ein. Ralf Stoll in der Straße Meierei gehört zu den Betroffenen. Noch heute ist er mit kleineren Arbeiten beschäftigt. Aktuell streicht er im Keller eine Garnitur Stühle. Das Ausmaß des Starkregens hat ihn stark belastet. „Noch heute ist es so: Wenn ein Unwetter angekündigt ist, schlafe ich nachts nicht“, sagt Stoll. 


Schlammflut in Gemmingen: Rentner war glücklicherweise gegen Elementarschaden versichert

Der 67-Jährige hat die Bilder noch vor Augen, wie sich die Schlammflut den Weg zu seinem Haus bahnte. Er habe seiner Frau noch zugerufen „Da kommt was auf uns zu“, und dann sei Schlamm und Wasser auch schon im Keller gestanden. Der finanzielle Schaden ging in die Zehntausende Euro. Zum Glück sei er gut versichert gewesen, blickt Stoll zurück. Auch gegen Elementarschaden habe er sich abgesichert – ein Glücksfall, wie sich herausstellen sollte. Etwas mehr als 20000 Euro habe er von der Versicherung bekommen. Selbst geringe Stundenlöhne an Helfer habe er auszahlen können.

„Die am schlimmsten Betroffenen werden sicher bei starken Regenfällen immer noch ein ungutes Gefühl haben“, ist sich auch Gemmingens Bürgermeister Timo Wolf bewusst. „Einen Schutz vor einem Ereignis wie im Mai kann es leider nicht geben“, sagt er. Es sei nicht vorhersehbar, wo auf der Gemarkung eine Gewitterzelle 20 Minuten stehen bleibe. „Wir liegen sowohl in Richtung Leintal als auch in Richtung Massenbach direkt an der Wasserscheide und haben daher eigentlich eine extrem niedrige Gefahr für so etwas.“ Um ein solches Ereignis zu 100 Prozent zu verhindern, müsse man auf dem engsten Raum der Gemminger Gemarkung vermutlich fünf zusätzliche Hochwasserrückhaltebecken bauen. Wolf: „Das ist nicht möglich.“


Nach Neckar-Hochwasser: Stadt Lauffen möchte Schutz erhöhen

Anfang Juni, ein paar Wochen nach dem extremen Starkregen in Gemmingen, traten dann die Flüsse in der Region über die Ufer – auch In Lauffen. Viele Anwohner kennen dieses Szenario aus der Vergangenheit und wissen sich entsprechend zu schützen. Besonders hart traf es allerdings das Restaurant Klostergartenlaube. In den vergangenen Wochen war wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Am kommenden Sonntag öffne man wieder, sagt Pächter Sebastian Renner. Er hoffe, dass die Zaber nicht so schnell wieder über die Ufer trete und sich ein solches Hochwasser in dieser Dimension die nächsten Jahre nicht wiederhole, sagt der 31-Jährige. Wobei er schon befürchte, dass man sich aufgrund des Klimawandels in Zukunft öfter auf so etwas einstellen müsse. 

Lauffens Bürgermeisterin Sarina Pfründer sagt, man arbeite daran, das Schutzkonzept „Kies“ mit einem Wall weiter umzusetzen. Sobald die Kommune um den Kiesplatz herum Grund erwerben könne, plane man das finanziell ein. Der Kiesplatz laufe immer als erstes mit Neckarwasser voll. Ein Teilstück des Walls stehe bereits. An einem Grundstück sei man gerade dran, weitere fehlten aber noch, so Pfründer. Bis ein solches Projekt umgesetzt sei, dauere es Jahre. In Lauffen seien die Menschen an Hochwasser gewöhnt, im Juni habe Pfründer deren „Routine und Erfahrung“ gespürt.


Grundstück am Kocher überflutet: Garten wieder in Ordnung

„Kaum zu glauben, dass das Hochwasser schon wieder ein halbes Jahr zurückliegt“, sagt Oliver Bertsch aus Neuenstadt-Kochertürn. Sein Grundstück, nahe am Kocher gebaut, war stark vom Hochwasser betroffen. Die neue Terrasse und der Pool im Garten waren überschwemmt.

Bertsch nahm das Geschehen dennoch mit Fassung – wie Anwohner in Lauffen auch kennt er die Problematik schon lange. „Bis auf ein paar Kleinigkeiten im Garten ist alles wieder in bester Ordnung“, sagt Bertsch. Der Großteil der Instandsetzung habe sich auf die Fassade sowie die Außenanlage bezogen.

Betroffene sehen auch Flächenversiegelung als Problem

Präventiv seien für ihn persönlich keine weiteren Schutzmaßnahmen mehr möglich. Aber natürlich mache er sich seine Gedanken, gerade vor dem Hintergrund von Starkregen-Ereignissen wie kürzlich in Spanien. „Bedenklich stimmt mich auch die Entwicklung bei uns“, sagt er: „Immer mehr Fläche wird ohne Ausgleich versiegelt.“

Das ist auch ein Kritikpunkt von Ralf Stoll aus Gemmingen – das Thema Flächenversiegelung. „Es hängt nicht alles mit dem Klimawandel zusammen“, meint er. Die zunehmende Bebauung in Gemeinden und die Erweiterung an Ortsrändern verstärke die Problematik, so seine Überzeugung. Stoll ist erleichtert, nun einen Großteil der Sanierung hinter sich zu haben. Nur noch die Reparatur eines Autos steht an. An Silvester will er wieder im Partyraum im Keller mit Familie und Freunden feiern können. „Jeder wartet darauf“, sagt er.

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