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Wie man eine Fahrradstraße baut am Beispiel Konstanz

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Bei einer Tagung des Deutschen Instituts für Urbanistik drehte sich alles um die Frage, was Städte und Gemeinden beachten müssen, wenn sie eine Fahrradstraße anlegen wollen. Als Best-Practise-Beispiel diente die Stadt Konstanz.

Sieht so die perfekte Fahrradstraße aus?
Sieht so die perfekte Fahrradstraße aus?  Foto: Thomas Frey (dpa)

Fahrradstraßen sollen Radfahrern mehr Platz einräumen, ohne den Autoverkehr zu verdrängen. Deshalb gelten sie in vielen deutschen Städten als ideale Zwischenlösung. Doch weil Fahrradstraße nicht gleich Fahrradstraße ist, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) am vergangenen Mittwoch ein Webinar für kommunale Entscheider veranstaltet, mit der Frage: Wie sieht die perfekte Fahrradstraße aus?

"Der allerwichtigste Punkt ist, dass man in einer Fahrradstraße Durchgangsverkehr vermeiden sollte", sagt Tobias Klein, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsbereichs Mobilität am Difu. Die Fahrbahn sollte mindestens 4 bis 4,5 Meter breit sein, damit Radler problemlos überholen können. Bei dieser Breite sei das Radeln sogar dann noch angenehm, wenn genauso viele Radfahrer wie Autofahrer auf der Fahrradstraße unterwegs sind, erklärt Klein.


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Generell seien Fahrradstraßen sehr sicher. "Die wenigen Unfälle, die passieren, sind Dooring-Unfälle." Gemeint sind damit Unfälle, bei denen Radfahrer durch eine unachtsam geöffnete Autotür stürzen und verletzt werden. Um solche Unfälle zu vermeiden, rät der Experte zu gestrichelten Trennstreifen, die etwas Raum zwischen parkenden Autos und Radfahrern schaffen.

Poller, Vorfahrt für Radfahrer und Einbahnstraßen helfen, den Autoverkehr zu reduzieren

Um den Autoverkehr zu reduzieren, gebe es viele Möglichkeiten, erklärt Klein. So sei es sinnvoll, Seitenstraßen entlang der Fahrradstraße mit Pollern abzusperren oder sie mit einem durchgezogenen Bordstein abzutrennen. Außerdem erhöhe es die Sicherheit, wenn die Fahrradstraße für Autos zur Einbahnstraße gemacht wird.

Ebenfalls wichtig: Radfahrer sollten auf der Fahrradstraße Vorfahrt haben. Das gilt nicht automatisch: Ohne Schilder muss auch in der Fahrradstraße rechts vor links beachtet werden. "Am besten ist die Beschilderung Vorfahrtsstraße", sagt Klein. Das Schild "Vorfahrt an der nächsten Kreuzung" gehe auch, darf aber nur drei Mal hintereinander aufgestellt werden. Wenn die Fahrradstraße an einer Querstraße endet, brauche es gute Möglichkeiten für Radfahrer und Fußgänger, diese zu überqueren.

Tempo 30, Vorfahrt für Radfahrer und Überholen mit Sicherheitsabstand sind vorgeschrieben

An der Farbe scheiden sich die Geister, wie mehrere Teilnehmer in dem Webinar berichten. In der Regel werden Fahrradstraßen rot markiert, grün und blau wird aber ebenfalls mancherorts verwendet. Für den Experten ist das nicht entscheidend. "Wichtig ist, dass man erkennt, dass man sich auf einer besonderen Straße befindet." Dabei helfe es, das Piktogramm "Fahrradstraße" großflächig auf den Asphalt zu drucken.

Für Anwohner und Autofahrer sei es sinnvoll, die Regeln zu erklären, die in der Fahrradstraße gelten, etwa durch Plakate oder Postwerbung. In Fahrradstraßen gilt nämlich generell Tempo 30, außerdem dürfen Radfahrer nicht gefährdet werden. Nebeneinander fahren ist dort ebenfalls erlaubt. Überholt werden darf, wie überall, nur mit 1,5 Meter Seitenabstand.


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In Konstanz zieht sich eine Achse aus Fahrradstraßen durch die Stadt

Wie der Ausbau von Fahrradstraßen funktionieren kann, erklärt Gregor Gaffga, Radverkehrsbeauftragter der Stadt Konstanz. Die Stadt am Bodensee hat ihre Verkehrsverteilung zwischen 2007 und 2018 deutlich verändert: Der Autoverkehr ist um elf Prozent gesunken, während sich der Radverkehr um zehn Prozent erhöht hat. Laut Gaffga liegt das auch an den Fahrradstraßen, die Konstanz seit den 1990er-Jahren anlegt.

Inzwischen zieht sich eine 2,1 Kilometer lange Achse mitten durch die Stadt, auf der Radfahrer Vorfahrt haben. "Konstanz ist wirklich eine Fahrradstadt geworden", berichtet Gaffga. "Es wird zu allen Jahreszeiten Rad gefahren und es fahren Menschen allen Alters und aller Einkommensschichten Rad."

Das Schild "Anlieger frei" wirkt laut Experten nicht, Absperrungen jedoch schon

Die Petershauser Straße, auf der nun Zweiräder dominieren, war früher eine Hauptverkehrsachse mit drei Spuren, erzählt Gaffga bei einer virtuellen Fahrt durch Konstanz während des Webinars. "Wir haben sie im Bestand umgebaut." Jetzt sind Radfahrer in beide und Autofahrer nur noch in eine Richtung unterwegs. An einigen Stellen seien Parkplätze gestrichen worden, damit die Fahrbahn mit rund 4,5 Metern breit genug ist. "Außerdem haben wir reines Anwohnerparken in der Fahrradstraße und damit keinen Parksuchverkehr."

Solche Maßnahmen seien wirksamer als das Schild "Anlieger frei", das nach Gaffgas Einschätzung "nicht viel bringt". Dem stimmt Tobias Klein zu: "Es wird nicht kontrolliert und man kann sich immer rausreden." Allerdings muss die Stadt Konstanz trotz Absperrungen dafür kämpfen, dass sich Autofahrer an die Durchfahrtsverbote halten. "Einen Poller mussten wir immer wieder ersetzen, weil er von Autofahrern umgefahren wurde."

Für bessere Fahrradstraßen müssen Parkplätze in Konstanz weichen

Wie es mit den Fahrradstraßen in Konstanz weitergehen soll, ist noch unsicher, berichtet Gaffga. Zum einen habe die Stadt beschlossen, die Zahl der Parkplätze bis 2035 zu halbieren, zum anderen soll das nur passieren, wenn der Wegfall anderswo kompensiert wird. Ein Spagat, der kaum machbar ist: "Quartiersgaragen bauen sich nicht von heute auf morgen und viele Brachflächen haben wir nicht."

Zudem müssten Parkplätze dort wegfallen, wo es bereits wenige Autos und viele Fahrräder gibt. Dennoch ist Gaffga optimistisch, dass das Radnetz wachsen wird. "Wir haben eine sehr fahrradfreundliche Politik und das nimmt die Bevölkerung auch wahr."

 


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