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Was die Region von der Fahrradstadt Utrecht lernen kann

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Die Infrastruktur muss stimmen, damit mehr Leute vom Auto aufs Rad umsteigen. Die Unistadt in den Niederlanden macht vor, wie's geht.

Der Regenboogfietspad (Regenbogen-Radweg), ein Symbol für Diversität, führt durch den Utrecht Science Park vorbei an den Universitäten der Stadt. Von Straße und Gehweg ist er baulich und optisch getrennt.
Der Regenboogfietspad (Regenbogen-Radweg), ein Symbol für Diversität, führt durch den Utrecht Science Park vorbei an den Universitäten der Stadt. Von Straße und Gehweg ist er baulich und optisch getrennt.  Foto: Privat

Immer mehr Städte weltweit wollen das Klima schützen und gleichzeitig attraktiver und lebenswerter für ihre Bürger werden. Erreichen wollen sie das durch mehr Platz und mehr Grün für Menschen und einen deutlich erhöhten Anteil von Fuß- und Radverkehr.

Größtes Rad-Parkhaus der Welt

Utrecht, mit 350.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt der Niederlande, macht seit Jahren vor, wie dieser Umbau gelingen kann. Jeden Tag sind 125.000 Radfahrer in der Stadt unterwegs, fahren zur Arbeit, zur Uni, zum Einkaufen. Oder an den Bahnhof Utrecht Centraal - an diesem großen Verkehrsknotenpunkt der Niederlande befindet sich das nach Angaben der Stadt größte Fahrrad-Parkhaus der Welt mit 12.500 Abstellplätzen. Insgesamt liegt der Radverkehrsanteil innerstädtisch bei rund 40 Prozent, Utrecht zählt international zu den am besten für den Radverkehr ausgebauten Städten.


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Keine Vorfahrt für das Fahrrad in der Region


Gesunde urbane Mobilität, heißt das Ziel

Doch das reicht den Verantwortlichen im Rathaus nicht. Sie haben das Ziel ausgegeben, "Weltklasse-Fahrradstadt" zu werden. Es sei entscheidend, dass man eine sehr gute Infrastruktur für alle Radfahrer vorhalte, heißt es. "Das ist Teil der nachhaltigen Stadtentwicklung von Utrecht und der Strategie für gesunde urbane Mobilität." Also geht der Stadtumbau voran. Immer mehr Straßen werden umgewidmet zu reinen Fahrradstraßen, Brücken wurden speziell für Radfahrer und Fußgänger konzipiert. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren rund um den Bahnhof 33 000 Abstellmöglichkeiten entstehen, dazu kostenlose E-bike-Ladestationen und Leih-Möglichkeiten für Kinderwagen.

In den 1970er Jahre wehrten sich die Bürger gegen den Ausbau zur Autostadt

Einige Brücken in der Stadt sind ausschließlich für Radfahrer und Fußgänger.
Einige Brücken in der Stadt sind ausschließlich für Radfahrer und Fußgänger.  Foto: Privat

Historisch gesehen hat Utrecht keine andere Entwicklung genommen als andere Kommunen: In den 1950er und 60er Jahren begann die Stadt, eine autofreundliche Zukunft zu planen. Teile des mittelalterlichen Zentrums wurden abgerissen, um Platz für die erwartete Zunahme des Autoverkehrs zu schaffen. Bereits in den 1970er Jahren begannen Bürger dagegen aufzubegehren - wegen des Verlusts an Lebensqualität und dem Abriss von Häusern, aber auch wegen des Anstiegs an tödlichen Unfällen mit Kindern und der Ölkrise.

Doch es dauerte lange, bis zur echten Renaissance des Radfahrens, wie der deutsche Fahrradclub ADFC in seiner Analyse "Innoradquick" vom April 2022 schreibt: Vor allem seien es politische Maßnahmenpakete ab 2010 gewesen, die den Anteil des Radverkehrs entscheidend verändert hätten: "Allein zwischen 2015 und 2020 betrugen die Investitionen in die Radverkehrsinfrastruktur rund 186 Millionen Euro." Beim Verkehrsentwicklungsplan 2010 war einer der Grundpfeiler die Planung von fünf Hauptrouten durch die Stadt. Diese wurden so ausgewählt, dass alle Stadtteile mit dem Fahrrad leicht zu erreichen sind. Weitere Maßnahmen, um Utrecht lebenswerter zu gestalten, waren Verkehrsberuhigung durch autofreie Straßen oder eine fahrradfreundliche Schaltung beziehungsweise der Abbau von Ampeln. Dazu wurden Radfahrer befragt und konnten Vorschläge machen.

Fußgänger und Radfahrer haben Vorrang

Das Fahrradparkhaus beim Bahnhof Utrecht Centraal ist nach Angaben der Stadt das größte der Welt.
Das Fahrradparkhaus beim Bahnhof Utrecht Centraal ist nach Angaben der Stadt das größte der Welt.  Foto: Privat

Der Stadtentwicklungsplan ab 2015 enthält weitere verkehrspolitische Weichenstellungen, zum Beispiel: Der motorisierte Individualverkehr muss, so weit möglich, auf den Autobahnring um die Stadt ausweichen; Radfahrer und Fußgänger haben Vorrang; der öffentliche Verkehr wird verbessert und seine Nutzung gefördert. Außerdem arbeitet die Stadt eng mit dem Umland zusammen, um ein integriertes regionales Fahrradnetz zu entwickeln. Das Ziel: die Pendeldistanz mit Pedelecs und E-Bikes auf bis zu 20 Kilometer erhöhen.

Heute zählt die Stadt über 245 Kilometer geschützter Radwege, 90 Kilometer Radfahrstreifen und 18 Kilometer Fahrradstraßen. Rund 60 Prozent der Menschen nutzen das Fahrrad für die Fahrt ins Stadtzentrum. Knapp die Hälfte aller Strecken, die kürzer als 7,5 Kilometer sind, werden per Rad zurückgelegt.

Die drei größten Radrennen der Welt machen in Utrecht Station

Bis zu 24 Stunden Parken ist kostenlos.
Bis zu 24 Stunden Parken ist kostenlos.  Foto: Privat

Aus seiner Fahrradfreundlichkeit schlägt Utrecht touristisch Kapital. Mit dem Giro d"Italia, der Vuelta und der Tour de France machten in den vergangenen Jahren die drei großen internationalen Radrennen hier Station. Das sei wie ein Schub für die weitere Entwicklung gewesen, heißt es von der Stadt. Jetzt gehe es darum, die Möglichkeiten für den Radtourismus noch weiter zu verbessern. "Wir wollen das Radfahren für unsere nachhaltige touristische Entwicklung nutzen."

Erfolg durch langfristige Strategie pro Rad

Was braucht es, damit der Umbau zu einer Stadt für Menschen statt Autos gelingt? "Wir haben eine langfristige Strategie, um das Rad durch gezielte Stadtplanung zum Verkehrsmittel Nummer eins zu machen", sagt Herbert Tiemens, der für Stadtplanung und Mobilität zuständig ist. Das geschehe im Paket mit Maßnahmen, um den Autoverkehr zu beschränken - wie der Anhebung von Parkgebühren. Entscheidend seien politische Führung und ein klares Ziel, heißt es vom ADFC. Auch ausreichend Personal und die gute Zusammenarbeit der Abteilungen in der Verwaltung seien unabdingbar, "da die meisten Maßnahmen auf eine Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität der Bürgerinnen abzielen" und keine reinen Mobilitätsprojekte seien.

 
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Kommentare

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Gerd Hofmann am 27.05.2022 10:00 Uhr

Heilbronn ist auch hier - wie bei vielen Dingen - eine Lachplatte:

Da hat man sich das Prädikat "Fahrradfreundliche Kommune" geholt und blockiert gleichzeitig die innerstädtische Fahrradroute Nord-Süd mit der höchsten Rad-Frequenz am Tag: Vor über 3 Jahren wurden die Obere und Untere Neckarstraße zur Fußgängerzone (!) umgewidmet, um ein paar Gastronomen - Neckarmeilenchef Aurich sitzt für die sog. CDU im Gemeinderat - Geld in die Taschen zu spülen.

Ein Armutszeugnis auch für die Verwaltung und den sog. Fahrradbeauftragten der Stadt Heilbronn: Seit über drei Jahren redet man von einer Umgehungsstrecke als Ersatz - diese sucht man immer noch vergebens.
Mitverantwortlich für dieses Desaster ist auch Verkehrsbürgermeister Hajek, der im HSt-Interview mal die Glückskeksweisheit: "Es macht Spaß, die Stadt mitzugestalten, vor allem, wenn man sieht, dass es in die richtige Richtung geht". Seine Dienstzeit endet in 34 Tagen...

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