"Verantwortliche sollten sich in Grund und Boden schämen": Lehrer erzürnt über Werbekampagne
"Keinen Bock auf Arbeit morgen?" Werbeslogans sollen Aufsehen erregen. So gesehen ist das dem Kultusministerium geglückt, als es mit Plakaten am Stuttgarter Flughafen auf Suche nach neuen Lehrern ging. Diese sind darüber "not amused". Ein Ministeriumssprecher beschwichtigt.

Auf der Suche nach neuen Lehrkräften hat das baden-württembergische Kultusministerium mit einem Werbeplakat den Realschullehrerverband erzürnt. Unter dem Slogan «HURRAAA!» heißt es bei der Werbekampagne vor allem für Quereinsteiger eigentlich: «Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrer*in». Auf einem Großplakat am Stuttgarter Flughafen steht allerdings neben dem auffälligen «HURRAAA!»: «Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in.» Samt Verweis auf die Internetseite zum Bewerben - lehrer-in-bw.de - sowie Logos des Ministeriums und der allgemeinen «The Länd»-Kampagne.
Lehrerin: Werbekampagne drückt Geringschätzung des Lehrerberufs aus
Das brachte die Landesvorsitzende des Realschullehrerverbandes auf die Palme: «Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt», teilte Karin Broszat am Dienstag mit. Hier werde suggeriert, dass es Lehrkräften nur um die Ferien gehe. Diese Unterstellung rücke den Berufsstand in ein unglaubliches Licht. «Deutlicher und niveauloser kann man die Geringschätzung des Lehrerberufs in Baden-Württemberg nicht ausdrücken. Die Verantwortlichen sollten sich in Grund und Boden schämen.»
Kommunikationswissenschaftler hält Werbekampagne für "deutlich missglückt"
Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider hält die neue Werbekampagne des Landes zur Lehrergewinnung für "deutlich missglückt". Es sei schon richtig, dass das Ziel einer Werbekampagne Aufmerksamkeit sei, meint der Professor der Universität Hohenheim. «Wenn ich die Aufmerksamkeit gewonnen habe, muss aber eine Botschaft folgen. Und diese Botschaft ist gar nicht gut.» Es spiele auch keine Rolle, welche Botschaft das Kultusministerium eigentlich vermitteln wolle. «Noch wichtiger, als neue Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen, ist es, die wertzuschätzen, die schon da sind.»
Ministerium beschwichtigt
Ein Ministeriumssprecher erklärte, die Slogans seien bewusst so gewählt worden, um Aufmerksamkeit zu erregen. «Man muss schließlich auffallen, und das tun etwa die Plakate. Das ist gut und es funktioniert auch.» Auf einem kleineren im Ankunfts-/Abflugbereich des Flughafens stehe: «Kein Bock auf Deinen Job? Bloß weg hier? JUHUUU! Mach doch was Anderes und werde Lehrer*in.»
Eine Woche nach Start der Werbekampagne in den sozialen Netzwerken am 17. Juli habe das Ministerium schon 8000 Weiterleitungen über die Kampagnenseite auf die Website www.lobw.de zur Lehrkräfteeinstellung verzeichnet. «Die Kampagne spricht also an und man redet über sie. Das ist wichtig, weil wir Aufmerksamkeit benötigen, damit sich mehr Leute für den Lehrerberuf interessieren», teilte der Sprecher mit.
Die Kampagne richtet sich den Angaben zufolge an «Menschen mit Berufserfahrung und einer geeigneten Bildungsbiografie, die sich vorstellen können, ihrem Leben eine neue Perspektive zu geben». Aus Sicht des Ministeriums suggeriert sie dabei keineswegs, dass Lehrkräfte faul seien. «Wir wissen um die Leistungen unserer Lehrkräfte», erklärte der Sprecher. «Wir wollen mehr Personen für diesen attraktiven Beruf gewinnen - und diese gute und erfreulicherweise auffallende Kampagne ist ein Mittel dafür.»



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