Werbekampagne des Landes löst heftige Reaktionen aus − Lehrer sind erzürnt
"Keinen Bock auf Arbeit morgen?" Die Plakatwerbung des Kultusministeriums, um Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen, wird kontrovers diskutiert − genau das ist das Ziel. Die Reaktion der Lehrer fällt gleichermaßen heftig aus.

Einem pensionierten Lehrer aus Stuttgart ist dieses Plakat am Flughafen beim Ausstieg aus dem Flugzeug sofort aufgefallen. In großen lilafarbenen Lettern steht auf gelbem Grund "Hurraaa!" Links oben kleiner: "Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen?" Die Antwort findet sich dann rechts unten: "Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in". Natürlich sei die Botschaft provokant, findet Wilhelm Rückert. "Aber das muss sie ja auch sein, um auf unseren schönen Beruf aufmerksam zu machen. Ich finde das sehr gut gemacht." Der 79-Jährige fügt hinzu: "Endlich mal was Pfiffiges."
Lehrerverband: "Wieviel Blödheit passt auf ein Plakat"
Karin Broszat, Vorsitzende des baden-württembergischen Realschullehrerverbands, findet das Plakat "skandalös". Deutlicher und niveauloser könne man die Geringschätzung des Lehrerberufs in Baden-Württemberg nicht ausdrücken, sagte sie in einer ersten schriftlichen Stellungnahme am Dienstag, nachdem ein Junglehrer ihr ein Foto davon geschickt hatte. "Die Verantwortlichen sollten sich in Grund und Boden schämen. Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wieviel Blödheit auf ein einziges Plakat passt."
Auch am Tag danach ist Broszat am Telefon noch sehr verärgert. "Ich war tatsächlich entsetzt, das war nicht aufgesetzt", gibt die Schulleiterin der Realschule Überlingen zu. Die Botschaft sei für den Ernst der Lage völlig unangemessen." Wie andere Bundesländer sucht auch Baden-Württemberg händeringend nach neuen Lehrkräften, im vergangenen Schuljahr konnten etwa 400 Stellen nicht besetzt werden. Deshalb wirbt das baden-württembergische Kultusministerium nun verstärkt um Quereinsteiger.
Karin Broszat: Bild des faulen Lehrers wird verfestigt
Ihre deftige Wortwahl findet Broszat noch immer angemessen. "Die Lehrer aller Schularten kommen auf dem Zahnfleisch daher und unserem Dienstherrn fällt nichts anderes ein als auf die vielen Ferien anzuspielen. Das wird das Bild des faulen Lehrers wieder verfestigen, was nach Corona viel besser geworden war." Unterstützung erhält sie von den übrigen Bildungsverbänden.
Pensionär Rückert rät indes zur Gelassenheit: "Man muss das Plakat mit Humor nehmen und darauf hoffen, dass sich viele Menschen beim Kultusministerium melden."
Kampagne funktioniert
Dem ist so, wie ein Ministeriumssprecher bestätigt. Seit dem Start der Kampagne am 17. Juli in den sozialen Medien habe es schon mehr als 8000 Weiterleitungen auf die Webseite zur Lehrkräfteeinstellung gegeben. 33 Prozent interessieren sich dabei für den Direkteinstieg. "Das ist genau die Zielgruppe, die wir dabei im Blick haben." Auffällig sei zudem, dass es einen Anstieg an Registrierungen im Vertretungspool Online gebe. "Wir haben in diesem Jahr gegenüber dem gleichen Zeitraum im vergangenen Jahr 370 und damit 270 mehr zu verzeichnen", betont der Sprecher.
Und eines ist ihm noch wichtig: Die Kampagne suggeriere keineswegs, dass Lehrkräfte faul seien. "Das ist selbstredend. Wir wissen um die Leistungen unserer Lehrkräfte. Wir wollen mehr Personen für diesen attraktiven Beruf gewinnen − und diese gute und erfreulicherweise auffallende Kampagne ist ein Mittel dafür."


Stimme.de