Baden-Württemberg prüft Reaktivierung alter Zugstrecken
Werden stillgelegte Zugstrecken reaktiviert, könnten dadurch in Baden-Württemberg viele neue Verbindungen geschaffen werden. Befürworter sagen, dies sei viel sinnvoller als komplett neue Zugstrecken zu bauen. Hier ein Überblick.

Zwischen den Jahren 1960 und 1990 sind im Südwesten viele Bahnstrecken stillgelegt worden. Aus ökologischen Gründen und wegen voller Straßen will das Land den ÖPNV jetzt aber massiv ausbauen. Daher ist die Reaktivierung alter Bahnstrecken geplant. Ein Überblick über die aktuelle Situation.
Wie geht das Land vor?
Das Land hat zunächst eine Potenzialuntersuchung durchgeführt. Es wurde das Fahrgastpotenzial von 42 stillgelegten Bahnstrecken geprüft. Bei mehr als 30 Strecken kam heraus, dass ein entsprechendes Fahrgastpotenzial vorhanden ist. Von diesen wiederum laufen aktuell für 20 Bahnstrecken Machbarkeitsuntersuchungen − einige davon sind auch schon abgeschlossen. Lediglich eine Strecke wird bereits reaktiviert und befindet sich im Bau. Hier handelt es sich um die Hermann-Hesse-Bahn zwischen Calw und Weil der Stadt (Kreis Böblingen).
Was ist mit den anderen Strecken?
Die Bahnstrecken, bei denen gerade eine Machbarkeitsuntersuchung läuft oder abgeschlossen ist, werden in verschiedene Kategorien eingeteilt: Strecken mit einer vertieften Planung und abgeschlossenen Studien, Strecken mit laufenden Untersuchungen sowie Strecken, bei denen ein Antrag auf die Förderung einer Studie gerade geprüft wird. Für die Studien übernimmt das Land bis zu 75 Prozent der Kosten und hat hierfür insgesamt rund 1,6 Millionen Euro bereitgestellt.
Welche Strecken sind mit den Planungen am weitesten?
Bei zwölf Schienenwegen fänden vertiefte Planungen zur Reaktivierung der Strecken statt, erklärt das Stuttgarter Verkehrsministerium. Hier handelt es sich unter anderem um die Filderbahn (Bernhausen-Neuhausen), die Echaztalbahn (Reutlingen-Engstingen), die Bottwartalbahn (Marbach-Heilbronn), die Zabergäubahn (Lauffen-Zaberfeld) oder auch die Krebsbachtalbahn (Neckarbischofsheim-Obergimpern-Hüffenhardt).
Die Krebsbachtalbahn steht jedoch schon jetzt vor dem Aus, weil der Gemeinderat in Bad Rappenau ihren Ausbau und den Anschluss an die Heilbronner Stadtbahn gekippt hatte. Bei den meisten Strecken im Südwesten, bei denen eine Reaktivierung in Betracht gezogen wird, läuft die Machbarkeitsuntersuchung noch. Hierzu zählt auch die Kochertalbahn (Waldenburg-Künzelsau).
Nach welchen Kriterien wird untersucht, ob eine Strecke reaktiviert werden kann?
Es geht neben dem Fahrgastpotenzial um mögliche Streckenverläufe, um die Kosten bei einem Wiederaufbau, um den Betrieb sowie um den Nutzen für die Region, in der sich die Strecke befindet. Kann die Wirtschaftlichkeit insgesamt für eine Strecke nachgewiesen werden, dann können Bund und Land gemeinsam bis zu 90 Prozent der Investitionskosten fördern. Von den Kommunen oder möglichen regionalen Betreibern müssen dann nur noch zehn Prozent der Investitionskosten finanziert werden.
Laut Ministerium können vor Ort aber noch immer Millionenbeträge − die Summen sind regional unterschiedlich − zu stemmen sein, was in einzelnen Kommunen zu Ablehnungen führt. Ein weiteres Risiko für die Kommunen ist, dass auf der Strecke Mindeststandards erfüllt werden müssen − etwa, dass einmal pro Stunde ein Zug fahren kann. Nur dann übernimmt das Land die Betriebskosten. Werden Standards nicht erreicht, kommen auf Städte und Gemeinden eventuell weitere Kosten zu.
Wie viele Fahrgäste dürften auf reaktivierten Strecken im Südwesten zusätzlich zu erwarten sein?
Das Stuttgarter Verkehrsministerium hatte hierzu 2020 eine Studie in Auftrag gegeben. Dabei kam heraus, dass auf zwölf stillgelegten Strecken mehr als 1500 Fahrgäste pro Schultag zusätzlich die Bahn nutzen würden. Auf zehn weiteren Strecken waren es mehr als 750 Fahrgäste pro Schultag, hinzu kamen nochmal zehn Strecken mit mehr als 500 Fahrgästen. Ob solche Kalkulationen bei Betrieb auch zutreffen, ist jedoch schwer zu sagen.