Kürzung bei Arzt-Honoraren: Gesundheitsminister Lucha schreibt Brandbrief an Regierung
Die Empörung über die rückwirkenden Budgetkürzungen bei Hausärzten ist weiter groß. Das Signal sei "äußerst fatal", sagt auch der Heilbronner Kinderarzt Hans Ulrich Stechele.

Die Hausärzte im Land bekommen rückwirkend zum vierten Quartal 2023 nicht mehr alle ihre medizinischen Leistungen voll vergütet. Das hatte die Kassenärztliche Vereinigung in Stuttgart (KVBW) ihren Mitgliedern am 7. März bekannt gegeben. Der Grund: Die Töpfe sind leer.
Die Empörung über die Maßnahme ist groß: bei Ärzten, die um ihre finanzielle Situation bangen, und bei Patienten, vor allem bei solchen, die einen neuen Hausarzt suchen und nun fürchten, von keiner Praxis mehr aufgenommen zu werden. Zahlreiche Zuschriften besorgter Leser haben die Heilbronner Stimme erreicht.
Lucha wendet sich mit mahnendem Brief an seinen Berliner Kollegen Lauterbach
Am 14. März hat sich Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) in die Diskussion eingeschaltet. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), welcher der Heilbronner Stimme vorliegt, beschreibt er die Situation als „nicht zu vermitteln“. Über 900 Hausarztsitze im Land seien nicht besetzt, heißt es in dem Schreiben.
Von den finanziellen Kürzungen seien vor allem Praxen betroffen, die Patienten neu aufgenommen haben, weil deren Hausarzt in den Ruhestand gewechselt habe: „Es sind also die Praxen betroffen, die in der Vergangenheit auf einen Aufnahmestopp verzichtet haben und deshalb an der Belastungsgrenze arbeiten und nun zum Teil wirtschaftliche Einbußen befürchten müssen.“
Politisch angekündigt, aber nicht umgesetzt
Schon mehrfach sei auf Bundesebene eine Entbudgetierung versprochen worden, sie sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben und „zuletzt im Januar 2024 von Ihnen im Gespräch mit der Ärzteschaft angekündigt und im Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung skizziert“ worden, schreibt Lucha.
Aber geschehen sei nichts: „Einen Gesetzentwurf und einen Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens dafür gibt es hingegen immer noch nicht. Das ist mehr als enttäuschend und angesichts der aktuellen hausärztlichen Versorgungssituation längst nicht mehr hinnehmbar.“
Lucha fordert seinen Kollegen in Berlin „mit Nachdruck“ auf, „das Gesetz nunmehr so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen und insbesondere auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende echte Entbudgetierung zum Jahresbeginn 2024 zu schaffen“. Nur so könne „weiterer Schaden von der für die Menschen so wichtigen und für unser Gesundheitssystem zentralen Versorgungsebene der hausärztlichen Versorgung abgewendet werden“.
Bei den Kinderärzten ist die Budgetierung auf Bundesebene schon abgeschafft
Im kinderärztlichen Bereich gilt schon seit mehreren Monaten die bundesweite Entbudgetierung, verordnet von Karl Lauterbach. Das heißt: Alle erbrachten medizinischen Leistungen werden in voller Höhe und ohne Abschläge vergütet.
De facto sei das im Land auch zuvor schon der Fall gewesen, sagt der Heilbronner Kinderarzt Hans Ulrich Stechele. „Die Töpfe waren voll.“ Diese volle Vergütung sei wesentlich für die Bereitschaft, mehr Kinder zu behandeln, so Stechele. „Das ist auch ein gutes Signal für neue, junge Kollegen, die sich eine Niederlassung überlegen.“
Es fehlen noch immer viele Behandlungsplätze
Doch der Mangel an Behandlungsplätzen ist nach wie vor groß. Immer wieder erreichen die Heilbronner Stimme Klagen verzweifelter Eltern, die Dutzende Kinderärzte abtelefonieren und teils lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen, um mit ihrem Nachwuchs bei einem Kinderarzt unterzukommen.
Es gebe weiter nicht genügend Behandlungskapazitäten im kinderärztlichen Bereich, bestätigt Stechele. Er kritisiert, dass sich auch andere mit der Politik besprochene Veränderungen wie die Weiterbildungsförderung seit Monaten verzögerten. „Das verschleppt sich.“ So zahle er weiter selbst das volle Gehalt für künftige Kollegen, die in seiner Praxis eine Weiterbildung absolvierten. „Das sind 5000 Euro und mehr im Monat, das macht richtig was aus.“
Stechele sagt, den nun von den Kürzungen betroffenen hausärztlichen Kollegen gelte seine volle Solidarität: „Das Signal an die Hausärzte ist äußerst fatal.“ Er geht davon aus, dass diese nun darum kämpften, dass die Mengenbegrenzung wieder aufgehoben wird.