Deutlich mehr Urteile wegen Kinderpornografie
In Baden-Württemberg gibt es immer mehr Gerichtsurteile wegen Kinderpornografie. Was sind die Hintergründe? Und warum ging die Zahl der Verurteilungen - über alle Deliktarten hinweg - zurück?

Die Zahl der Straftaten in Baden-Württemberg geht zurück. Dies hat zur Folge, dass auch die Gerichte immer weniger Urteile sprechen. Allerdings bereitet trotz des positiven Trends der Justiz ein Thema große Sorgen: Immer mehr Menschen im Land werden verurteilt, weil sie kinderpornografische Inhalte besitzen, kaufen oder verbreiten.
Die Südwest-Gerichte hatten im vergangenen Jahr in diesem Bereich 535 rechtskräftige Urteile gesprochen. Das ist eine Steigerung im Vergleich zum Jahr 2020 um über 40 Prozent. Damals waren es 382 Fälle.
Gentges nennt Gründe
Doch wie kommt diese Zunahme zustande? Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) nennt hierfür zwei zentrale Gründe: Zum einen hat die US-Nichtregierungsorganisation "National Center for Missing an Exploited Children" (NCMEC) im vergangenen Jahr mehr als 2800 Hinweise zu kinderpornografischen Fällen in Baden-Württemberg gegeben, was 1200 Fälle mehr waren als 2020.
Zum anderen dürfte die Zunahme auch mit einer Gesetzverschärfung von Juli 2021 zusammenhängen. Das neue Bundesgesetz stuft den Besitz, Erwerb und die Verbreitung von Kinderpornografie als Verbrechen ein. "Einstellungen wegen Geringfügigkeit oder unter Auflagen und Weisungen sind damit nicht mehr möglich", erklärt Gentges. Die Änderungen bezeichnet sie als "richtig und wichtig". Gentges geht davon aus, dass in Zukunft wegen dieser Rahmenbedingungen noch mehr Fälle von Kinderpornografie bei Gerichten landen werden.
Jugendliche im Fokus
Die Verurteilungen zeigen auch, dass immer mehr Jugendliche wegen des Verbreitens von Kinderpornografie bestraft werden. Auch bei dieser Altersklasse, so Gentges, trage das neue Gesetz dazu bei, dass Einstellungen von Verfahren kaum noch möglich seien.
Anhand der Urteile wird wieder einmal deutlich, dass die Eltern bei der Kinderpornografie oft zum Kreis der Täter gehören. "Die Kinder müssen befreit werden. Es ist erschreckend, wie jung viele dieser Kinder sind. Viele sind unter drei Jahren, viele sogar unter einem Jahr", so Gentges erschüttert.
CDU-Politikerin will mehr Ermittlungsmöglichkeiten
Die CDU-Politikern fordert daher weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten. So sei es dringend nötig, dass Internet-Verbindungsdaten von möglichen Tätern deutlich länger als bisher gespeichert werden könnten. Momentan stünden solche Daten nur sieben Tage zur Verfügung.
"Wenn Ermittler im Internet auf den Austausch kinderpornografischen Materials stoßen, müssen sie herausfinden können, von welcher IP-Adresse das kam, und sie müssen den Inhaber dieser IP-Adresse ermitteln können", sagt Gentges. Ihre Forderung: Der Bund müsse sich an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs orientieren. Die Richter in Luxemburg hatten im April dieses Jahre erklärt, eine längere Speicherung von Verkehrsdaten sei in bestimmten Fällen möglich.
Rückgang bei Gesamtzahl der Verurteilungen
Generell, also alle Deliktsbereiche zusammengerechnet, sind die Verurteilungen rückläufig. Die Zahl nahm um knapp acht Prozent ab von mehr als 103.000 Verurteilungen im Jahr 2020 auf über 95.000 Urteile im vergangenen Jahr. Dies ist laut Gentges der niedrigste Wert der letzten zehn Jahre. Die CDU-Politikerin führt diesen anhaltenden Trend auf die Folgen der Pandemie zurück.
Diese habe das öffentliche und private Leben auch im Jahr 2021 verändert. "Weniger Sozialkontakte, viel Zeit zu Hause, geschlossene Geschäfte, Gaststätten, Bars und Clubs, das macht sich bemerkbar: Verurteilungen wegen Diebstahls sind um 20 Prozent zurückgegangen, wegen Körperverletzungsdelikten um 13 Prozent", erklärt sie. Auch die Schuldsprüche wegen Einbrüchen sind deutlich gesunken.
Einen Anstieg gab es hingegen bei den Urteilen wegen Hass und Hetze. Hier hat das Justizministerium extra eine Sondererhebung durchgeführt. Eine Reaktion: Das Land hat vor einem halben Jahr bei sämtlichen Staatsanwaltschaften Spezialdezernate eingerichtet. Diese bearbeiten alle Ermittlungsverfahren zur Hasskriminalität.