Mit der Kamera in die Kanalisation
Die Heilbronner Kanalisation ist ein 500 Kilometer langes Netz, das so manche Überraschung bereit hält. Unsere Volontäre sind für ihr Projekt "Heilbronn von unten" abgetaucht.
Das Projekt "Heilbronn von unten" ist vollständig zu sehen auf www.hnxvu.de. Es zeigt die Stadt aus neuen Perspektiven. Die Stimme-Volontäre werfen einen Blick unter die Gully-Deckel, steigen ab in die Keller und Schächte. In der Heilbronner Stimme und auf stimme.de erscheinen in einer Serie die Printtexte zu "Heilbronn von unten".
Zu diesem Artikel gibt es auf www.hnxvu.de eine interaktive Grafik mit Videos und Bildern.
Erst wenn es müffelt, ein Rinnsal aus einem Rohr tropft oder Regenwasser nicht in den Gullys verschwindet, wird klar, was eine Kanalisation leistet. Aber was passiert eigentlich, wenn wir an der Toilette den Spülknopf drücken?
Ob in einem rechts- oder linksdrehenden Strudel, Wasser fließt immer nach unten ab. „Abwasserrohre sind im Keller, meist unter der Decke montiert“, erklärt Udo Breuker, Bauingenieur und Sachgebietsleiter Stadtentwässerung bei den Entsorgungsbetrieben der Stadt Heilbronn.
Eine Toilettenspülung mündet über den Hausanschluss im Kanalsystem, das sich in drei bis vier Metern Tiefe erstreckt. Neben Heilbronn sind Flein, Talheim, Ilsfeld-Schozach, Nordheim, Leingarten, Brackenheim, Schwaigern, Stetten, Kleingartach, Massenbach und Massenbachhausen angeschlossen. „Alle Kanäle zusammen sind 500 Kilometer lang, so lang wie das überirdische Straßennetz“, sagt Breuker.
Wassermassen
Die Kanäle müssen einiges aushalten: 100 bis 120 Liter Wasser verbraucht jeder Unterländer am Tag für Haushalt, Pflege, Ernährung. „Vor 30 Jahren waren es 130 bis 140 Liter“, sagt Uwe Hertner, Ingenieur und Leiter der Abteilung Abwassertechnik bei der Heilbronner Versorgungs GmbH.
Die Liter summieren sich: Durch die Kläranlage im Industriegebiet am Neckar fließen pro Jahr 25 Millionen Kubikmeter Wasser: neun Millionen Kubikmeter Abwasser von 170 000 Menschen, acht Millionen Kubikmeter Regenwasser, acht Millionen Kubikmeter Fremdwasser, etwa Grundwasser. Noch mehr wäre möglich: „Beim Bau vor 20 Jahren wurde mit zwei Dritteln Industrieabwasser, einem Drittel Hausabwasser geplant. Industrieabwasser gibt es aber wegen Firmenschließungen oder dem Bau von Firmenklärwerken weniger“, sagt Hertner und erinnert sich, dass damals erklärt werden musste, warum die Anlage nicht größer gebaut wird.
Ferngesteuert
Heute ist die Kläranlage zu zwei Dritteln ausgelastet. Trotzdem dümpelt keine Toilettenspülung tagelang vor sich hin: „Abwasser fließt mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Eine Toilettenspülung aus der Innenstadt erreicht die Kläranlage also nach rund einer Stunde.“ Das war nicht immer so: Noch bis in die 50er Jahre waren nicht alle Gemeinden um Heilbronn an die Kanalisation angeschlossen, „überhaupt hat die Stadt erst seit 1930 eine eigene Kläranlage“, betont Breuker.
Mit einem Team von zehn Arbeitern prüft der Bauingenieur regelmäßig den Zustand der Kanäle. Nach unten führen viele Wege: „Alle 50 Meter gibt es im Heilbronner Netz einen Schachtdeckel, das sind insgesamt 10 000.“ Große Kanäle haben einen Durchmesser von bis zu zwei Metern, kleine von 25 Zentimetern. Was die Männer dort unten finden? „Messer, Handgranaten, Schubkarren und sogar einmal ein lebendes Schaf“, erzählt Breuker. Meistens steht aber die Reinigung im Fokus, etwa wenn sich bei Stark-regen viele der 70 schwimmbadgroßen Regenüberlaufbecken füllen und Schlamm mitbringen. Da merke man den Klimawandel, sagt Hertner, heftige Gewitter gebe es heute viel häufiger als früher.
Was Naturgewalt anrichten kann, wird auch auf Videos festgehalten: In engen Kanälen prüfen ferngesteuerte Kameras den Zustand. Die Bilder, die sie liefern, sind faszinierend: Man schaut die Filme mit Tunnelblick, sieht Schäden, etwa durch eingewachsene Wurzeln, aber auch steinerne Zeugen, die die Zeit überdauert haben: Teile alter Backsteinkanäle sind noch erhalten. Sie wurden von Louis Heuss entworfen. Der Vater des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss war um das Jahr 1890 für die Stadtentwässerung in Heilbronn zuständig.
Alle Print-Beiträge der Serie "Heilbronn von unten":
Der Trend geht zur Feuerbestattung
Immer mehr Menschen lassen sich einäschern und in Urnen beisetzen. Für eine Erdbestattung entscheidet sich nur noch jeder Dritte.
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Totenstille, Fäulnisgeruch, Gänsehaut. Ein Mann alleine mit einer aufgeschlitzten Leiche. Die Pathologie, ein Ort des Grauens? Unsere Volontäre zeigen, was dort unten tatsächlich passiert.
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Manche Kellertreppen führen an magische Orte. Statt auf Gerümpel trifft man auf Kobolde, Guiness-Bier, Folk - und landet in einem privaten Pub.
Eine Generation von Kellerkindern
In den 60ern und 70ern hatten Untergrund-Clubs magische Anziehungskraft auf die Jugend in der Stadt. Unsere Volontäre haben für ihr Multimedia-Projekt "Heilbronn von unten" mit den Kellerkindern von damals gesprochen.
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