Heilbronn
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Der Trend geht zur Feuerbestattung

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Immer mehr Menschen lassen sich einäschern und in Urnen beisetzen. Für eine Erdbestattung entscheidet sich nur noch jeder Dritte.

Von Vanessa Wormer

Das Projekt "Heilbronn von unten" ist vollständig zu sehen auf www.hnxvu.de. Es zeigt die Stadt aus neuen Perspektiven. Die Stimme-Volontäre werfen einen Blick unter die Gully-Deckel, steigen ab in die Keller und Schächte. In der Heilbronner Stimme und auf Stimme.de erscheinen in einer Serie die Printtexte zu "Heilbronn von unten".

Zu diesem Thema gibt es auf www.hnxvu.de eine interaktive Grafik mit interessanten Fakten querbeet durchs Grab.

 

 

Das Heilbronner Krematorium ist das älteste in Württemberg und ging 1905 in Betrieb. Der Entwurf stammt vom Architekten Emil Beutinger. Foto: Stadt Heilbronn
Das Heilbronner Krematorium ist das älteste in Württemberg und ging 1905 in Betrieb. Der Entwurf stammt vom Architekten Emil Beutinger. Foto: Stadt Heilbronn

 

Schwarze Rauchschwaden steigen aus den beiden Schornsteinen des Krematoriums. Sie verschwimmen langsam mit dem Himmel, als wären es die Seelen der Verstorbenen. Die Zeichnung von Emil Beutinger, dem bekannten Heilbronner Architekten und Oberbürgermeister, stammt aus dem Jahr 1901. Und sie kokettiert mit der damaligen Vorstellung der Menschen, was bei einer Einäscherung passiert.

Detailgetreu

Mit der heutigen Wirklichkeit hat das aber wenig zu tun. "Eine solche Rauchentwicklung gibt es nicht", sagt Martin Heier, der als Leiter des Grünflächenamts auf dem Heilbronner Hauptfriedhof arbeitet. Trotz der Überzeichnung wurde der Entwurf fast detailgetreu umgesetzt. Seit 1905 ist das Heilbronner Krematorium in Betrieb − es ist das älteste in Württemberg.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Feuerbestattungen aber noch die Ausnahme. Mittlerweile sind Einäscherungen zur Regel geworden. Knapp zwei Drittel der Angehörigen von in Heilbronn Verstorbenen entscheiden sich dafür. "Der Trend geht eindeutig hin zur Einäscherung", bestätigt Martin Heier. 2012 waren von 1061 Bestattungen auf den Heilbronner Friedhöfen 62 Prozent Feuerbestattungen.

Keine theologischen Vorbehalte

Die Akzeptanz der Feuerbestattung ist kontinuierlich gewachsen. Auch unter Katholiken. "Theologische Vorbehalte gegenüber der Einäscherung gibt es nicht. Gott kann auch aus Asche zu neuem Leben erwecken", so fasst Monsignore Wolfgang Westenfeld von der Heilbronner Deutschordensgemeinde die offizielle Meinung der Kirche zusammen. In seiner Pfarrei sei das Verhältnis zwischen Erd- und Feuerbestattungen ausgeglichen. Er ist jedoch nicht mit allen Tendenzen einverstanden, die aus manchen Feuerbestattungen hervorgehen. Eine anonyme Beisetzung etwa, bei der ein Verstorbener nur noch eine Nummer an einem Baum sei, hält er für unwürdig. "Das Besondere an Friedhöfen ist doch gerade die Gemeinschaft der Lebenden und Toten", sagt er. Das Grab diene als Ort der Trauer, Begegnung und Erinnerung an den Verstorbenen.

Gerade aus diesem Grund sei die Einäscherung für manche Menschen eben doch problematisch: "Die Urne ist etwas sehr Abstraktes im Gegensatz zum Sarg", erklärt der evangelische Pfarrer Matthias Treiber. Er bietet den Angehörigen deshalb auch bei der Urnenbeisetzung eine Trauerfeier an.

 

Die Gesellschaft ist offener geworden für alternative Bestattungsformen. Aber es sprechen auch praktische Gründe für den Trend: Zum einen ist eine Einäscherung günstiger − etwa 1300 Euro kostet eine Feuerbestattung weniger als eine Beerdigung im Sarg, rechnet Martin Heier vor. Außerdem bietet die Feuerbestattung mehr Möglichkeiten, was Grabformen angeht. Man kann kleinere Grabfelder wählen, entpflichtet die Angehörigen von der Pflege. "Die Menschen wollen ihren Familien keine Arbeit hinterlassen", sagt Nicole Appel vom gleichnamigen Bestattungsinstitut.

Blumen

Einäscherung bedeutet aber eben nicht, dass man auf ein Grab unter der Erde verzichten muss. Martin Heier beobachtet auch nach einer Feuerbestattung das Bedürfnis danach. Und für die meisten Angehörigen gehöre dazu, dort Blumen abzulegen. "Wir möchten am Grab unsere Wertschätzung zum Ausdruck bringen, das ist tief in uns verwurzelt."

 

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