Stimme+
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Alfred B. muss lebenslang hinter Gitter (10.04.2008)

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Erst Freispruch, jetzt Höchststrafe: Dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Raubmord in einer Sparkasse in Siegelsbach ist der ehemalige Dorfbäcker zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im neu aufgerollten Prozess vor dem Landgericht Stuttgart sah es der Vorsitzende Richter Wolfgang Hahn als erwiesen an, dass der 50-Jährige die Sparkasse überfallen und eine Kundin erschossen hatte. Die Verteidigung kündigt eine Revision vor dem Bundesgerichtshof an

Alfred B. muss lebenslang hinter Gitter.
Alfred B. muss lebenslang hinter Gitter.

Eigentlich überfällt der Bäcker eines Dorfes seine Sparkasse nicht - er muss befürchten, erkannt zu werden. „Doch. Gerade das kommt vor“, sagt der Vorsitzende Richter des Stuttgarter Landgerichts, Wolfgang Hahn. Am Donnerstag schickte er den ehemaligen Dorfbäcker von Siegelsbach wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs lebenslang hinter Gitter. Hahn räumte auch mit einem anderen Vorurteil auf, nämlich dass der Angeklagte nicht das Psychogramm eines Mörders habe. „Wir erleben sogar Familienväter, die brutale Taten begehen und danach einen Kaffee trinken gehen.“

Hahn wischte damit die Argumentation der Verteidigung beiseite. Diese hatte in der Neuauflage einen erneuten Freispruch gefordert, weil der Angeklagte doch nicht so naiv sei, als dorfbekannter Nachbar eine Bank auszurauben.

Verteidigung kündigt Revision an

In einem ersten Prozess vor dem Landgericht Heilbronn 2006 war der Angeklagte trotz vieler belastender Indizien freigesprochen worden. In Siegelsbach hatte das für Empörung gesorgt. Der Bundesgerichtshof kippte diese Entscheidung wegen fehlerhafter Beweiswürdigung. Verteidigerin Anke Stiefel-Bechdolf kündigte am Donnerstag eine Revision an und sagte: „Wir kommen dahin, wo wir hergekommen sind.“

Anders als im ersten Prozess in Heilbronn hat das Stuttgarter Urteil wohl niemanden geschockt. Im mit rund 180 Menschen voll besetzten Verhandlungssaal war es während der zweistündigen Urteilsbegründung oft nahezu mucksmäuschenstill. Der Angeklagte wirkte gefasst, schüttelte aber immer wieder den Kopf. „Er ist ein cooler Hund“, raunte ein Zuschauer. Diese „Coolness“ konnte er schon Stunden vor dem Urteil üben, denn seine Verteidigerin hatte das Urteil erwartet und ihn am Vorabend auf diesen Abschluss vorbereitet.

Eiskalt ging der damalige Bäcker nach Überzeugung des Gerichts auch am Tattag vor: Am helllichten Tag, am 7. Oktober 2004, marschiert er unmaskiert in die kleine Sparkassenfiliale in seinem Heimatdorf, schlägt dem Banker fast den Schädel ein, versetzt einem Rentner einen Nackenschuss und schießt dessen Ehefrau zweimal in den Kopf. Sie stirbt binnen Sekunden. Die Beute: rund 33 000 Euro.

Hohe Schulden und Habgier hätten den Angeklagten zur Tat getrieben, sagte der Richter. Gegen den 50-Jährigen sprächen auch die glaubhaften Aussagen der beiden Geschädigten. Beide sagten aus: Ja, der Bäcker war's. Damit beginnt die ganze Indizienkette, die das Heilbronner Gericht 2006 als nicht hinreichend für eine Verurteilung bewertet hatte. Der Bundesgerichtshof, wohin der Fall jetzt wieder wandert, bemängelte dies: Das Landgericht habe einzelne Aussagen und Indizien jeweils isoliert als nicht zwingend eingestuft und daraus den Schluss gezogen, dem Bäcker könne die Tat nicht nachgewiesen werden.

DNA-Spur im Auto

Nach Anhörung von 101 Zeugen und 10 Sachverständigen sagte Hahn: „„Die Gesamtheit der Indizien bringt die Gewissheit“. Dazu zählt eine DNA-Spur im Auto des Bäckers, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die des Bankangestellten ist. Auch das Kaliber der Tatwaffe, Stiefelabdrücke am Tatort oder die Einzahlung einer hohen Summe bei der Bank am Tattag. Im Ringen um jedes Einzelindiz war sich Hahn sicher: „Alle kleinen Rätsel müssen wir nicht klären.“

Dem schwerverletzten Bankangestellte hilft das Urteil nur bedingt weiter: Er habe schwere psychische Probleme, sagt er: „In meinen Träumen begeht er den Mordversuch öfters.“

Der Angeklagte hatte die Tat immer bestritten. Er habe noch nie einen Mord begangen, "und das schwöre ich bei Gott", hatte Alfred B. im letzten Wort vor dem Urteil gesagt.

Hintergrund: Mord, besondere Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung

Die lebenslange Haft ist die höchste Strafe in Deutschland. Sie wird bei Mord verhängt und kann in der Regel bei guter Führung nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei Totschlag ist das Strafmaß geringer - es beginnt bei mindestens fünf Jahren Haft, lebenslange Freiheitsstrafe ist hier nur in besonders schweren Fällen vorgesehen.

Bei einem Urteil wegen Mordes muss immer ein sogenanntes Mordmerkmal erfüllt sein - etwa Mordlust, Habgier oder niedere Beweggründe. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung vor allem die Heimtücke als besonderes Merkmal herausgearbeitet. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzt und zum Beispiel jemanden von hinten erdrosselt.

Stellt das Gericht bei Mord-Urteilen zusätzlich wie nun im Fall des Dorfbäckers von Siegelsbach die besondere Schwere der Schuld fest, muss der Verurteilte länger als 15 Jahre im Gefängnis bleiben - und in manchen Fällen tatsächlich sein Leben lang „sitzen“. Eine besondere Schwere der Schuld kann vorliegen, wenn es mehrere Opfer gibt oder die Tat sehr verwerflich ist. Zu dieser Bewertung können Umstände wie erbarmungslose Brutalität, grausame und qualvolle Behandlung des Opfers oder die Intensität seines Leidens führen. Das Vollstreckungsgericht überprüft aber regelmäßig, ob die Schuld gesühnt ist und die Strafe doch irgendwann zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Weitere Infos im Internet

www.steuerlinks.de

www.rechtslexikon-online.de



 

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben